Röpke, Wilhelm
Röpke, Wilhelm
geb. am 10.10.1899, gest. am 12.02.1966
Für Röpke steht fest: Recht, Staat, Sitte und Moral, feste Normen- und Wertüberzeugungen und eine solide Währungsordnung, für die nicht der Automatismus des Marktes, sondern Zentralbank und Regierung Tag für Tag die Verantwortung übernehmen müssen, gehören zum Rahmenwerk einer Sozialen Marktwirtschaft; hinzukommen muss eine Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik, die „jenseits des Marktes“ Interessen ausgleicht, Schwache schützt, Macht begrenzt, Spielregeln setzt und ihre Einhaltung überwacht. Kapitalmarkt, Investitionen und Außenwirtschaft sind die zentralen Bereiche, die nicht durch staatliche Eingriffe in den Marktprozess verzerrt werden dürfen. Das Individualprinzip im marktwirtschaftlichen Kern muss durch das Sozial- und Humanitätsprinzip, das die Elemente, die zum Rahmenwerk gehören, auszeichnet und prägt, in einer Balance gehalten werden. Der Gerechtigkeitswille prägt eine „Freiheitsidee“, die den Grundwert der Solidarität bejaht, und die einschließt, dass jede Person angemessen am Volkseinkommen partizipiert; krasse Ungleichheiten der Verteilung des Volkseinkommens und Volksvermögens sollen ausgeglichen werden.
Die Wirtschaftsordnung, die Röpke anstrebt, bezeichnet er als „ökonomischen Humanismus“ oder als „Dritten Weg“. Er gründet seine Lehre von der Politischen Ökonomie auf dem Postulat der Unverletzlichkeit der Würde des Menschen. Es geht ihm um eine Gesellschaft und Politik, für die die Wahrung der Menschenrechte oberstes Gebot ist. Röpkes Werk ist ein Mahnmal für die Anhänger einer liberalen Staatsidee, einer Civitas Humana „jenseits von Angebot und Nachfrage“. Es will Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit bleibend daran erinnern, dass zur Verwirklichung der grundlegenden Prinzipien einer „Sozialen Marktwirtschaft“ ein stetiges Streben nach zeitgerechten Lösungen erforderlich ist.
Röpke betrachtet die Wirtschaftswissenschaften
grundsätzlich als Politische
Ökonomik. Insbesondere die
moderne wirtschaftliche Wirklichkeit
werde durch einen Grad der Politisierung
gekennzeichnet, der den früheren
Epochen unbekannt oder ganz
unvorstellbar gewesen sei. Diese
Ortsbestimmung entspricht Röpkes
Erfahrungen. Er empfiehlt bereits
1931 als Mitglied der Reichskommission
zum Studium der Arbeitslosenfrage
(Brauns-Kommission), die aus
mannigfachen Gründen fehlende Privatinitiative
zur Belebung der Konjunktur
durch kreditpolitisch finanzierte,
zweckmäßig organisierte
Nachfrageaktivitäten der öffentlichen
Hand zu ersetzen. Mittels einer „Initialzündung“
werde die Wirtschaftstätigkeit
angefacht. Damit könne die
Arbeitslosigkeit nach und nach abgebaut
werden.
Schon in den Jahren ab 1923 wirbt
Röpke für die Einsicht in die Notwendigkeit
einer „neuartigen“ Synthese
von „Liberalismus, Gemeinsinn
und Loyalität gegenüber den Gesetzen
des Staates“. Sie soll ein einseitiges
Denken im Laisser-faire-Stil oder
in Gemeinwohl-Kategorien überwinden.
Kein Urteilsfähiger könne die
wohlstandschaffende Kraft jenes
abendländischen Wirtschaftssystems
leugnen, das auf dem Privateigentum
an den Produktionsmitteln, einer unerhörten
Differenzierung der Produktion
und auf einer langen Liste von
Freiheiten der Individuen beruht.
Diese zu beseitigen, um ein „spätkapitalistisches“
System zu überwinden,
bedeute in aller Regel, dass bewusst
einem „totalen Staat“, einer politischen
Diktatur der Weg geebnet
wird. Er warnte vor der nationalsozialistischen
Erwartung eines „neuen,
großartigen, gleichwohl bislang konturenlosen
Tausendjährigen Reichs“
und den Folgen der damals zu beobachtenden
politischen Hysterie.
Der Nationalsozialismus sei eine radikale,
dem liberalen Staat feindliche
Ideologie. Sie werde nach der Wirtschaftskrise
Deutschland in eine
Staatskrise stürzen. Jeder, der nationalsozialistisch
wähle, müsse wissen,
„dass er Chaos statt Ordnung, Zerstörung
statt Aufbau wählt“.
Röpkes Weg in die Emigration ab
1933 war von dem Willen geleitet,
die internationale Welt daran zu erinnern,
dass es immer noch ein „anderes
Deutschland“ gab (z. B. im „Freiburger Kreis“ um Franz Böhm und
Walter Eucken). Er arbeitete an
Entwürfen für eine Wirtschafts- und
Gesellschaftsordnung nach dem Nationalsozialismus,
getragen von dem
Grundgedanken, ein Gemeinwesen
zu schaffen, in dem das wirtschaftliche
Gleichgewicht mit den Postulaten
der sozialen Gerechtigkeit und
des Interessenausgleichs verknüpft ist
und das „um die Bedeutung sittlicher
Werte im gesellschaftlich-wirtschaftlichen
Leben der Völker weiß“. Ludwig Erhard bestätigte Wilhelm
Röpke zum 60. Geburtstag mit diesen
Worten, wie wesentlich dessen Gedanken
die Ausgestaltung des Konzepts
der „Sozialen Marktwirtschaft“
beeinflusst hatten.
Wissenschaftlicher und beruflicher Werdegang
Volkswirtschaftliches Studium in Göttingen, Tübingen und Marburg, dort Promotion (1921) und Habilitation zum Privatdozenten der Politischen Ökonomie (1922) . Nach Berufungen als außerordentlicher Professor nach Jena (1924) und als Ordinarius nach Graz (1928) ging er nach Marburg zurück auf das Ordinariat für Politische Ökonomie (1929) . Dort wirkte er, bis ihn das Hitler-Regime 1933 aus politischen Gründen entließ. Vom Herbst 1933 bis zum Wintersemester 1937/ 38 war er als Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts an der Universität Istanbul tätig, danach bis zu seinem Tode als Professor für Internationale Wirtschaftsfragen am Institut Universitaire des Hautes Etudes Internationales in Genf.
Literaturhinweise:
- RÖPKE, W. (1944/ 1979), Civitas humana: Grundfragen der Gesellschafts- und Wirtschaftsreform, 4. Aufl. 1979, Bern, Stuttgart;
- DERS. (1958/ 1979), Jenseits von Angebot und Nachfrage, 5. Aufl. 1979, Bern, Stuttgart;
- TUCHTFELDT, E./ WILLGERODT, H. (1937/ 1994), Wilhelm Röpke – Leben und Werk, in: Röpke, W., Die Lehre von der Wirtschaft, Bern, Stuttgart, Wien, 13. Aufl. 1994;
- HAMM, W./ KRÜSSELBERG, H.-G. u. a. (1999), verschiedene Beiträge in: Ordo, Band 50, Stuttgart.