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"Die Demokratie ist auf einem guten Weg"

Tunesiens Präsident Beji Caid Essebsi im ZDF-Interview

Anders als in anderen Ländern des Arabischen Frühlings, besteht in Tunesien noch immer die Hoffnung auf eine nachhaltig demokratische Entwicklung. Doch die Probleme des Landes sind noch immer groß. Seit Dezember 2014 ist Beji Caid Essebsi Präsident Tunesiens. Auf Vermittlung des KAS-Büros Tunis spricht er im ZDF-Interview über die enttäuschte Jugend, islamistischen Terror und die dringend notwendige Unterstützung Europas.

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Herr Präsident, wie kann eine internationale Strategie gegen den Terrorismus aussehen, mit Libyen als direktem Nachbarn?

Die Existenz des Terrorismus in Libyen macht uns große Sorgen. In Libyen gibt es keinen funktionierenden Staat mehr. Es gibt viele zersplitterte Gruppen, die schwer bewaffnet sind und die Waffen sprechen lassen. Der IS ist in Libyen fest verankert und die nächste Beute nach der Strategie des IS ist Tunesien. Wenn wir den Terrorismus wirklich bekämpfen wollen, dann muss das international geschehen. Terrorismusbekämpfung kann ein Land alleine nicht schaffen.

Sie haben Tunesiens Politik über Jahrzehnte beeinflusst und sind einer der Hauptakteure der tunesischen Politik. Sie haben Erfolge erlebt aber auch schwere Krisen. Wie stabil ist die Demokratie in Tunesien?

Man muss wissen, dass Demokratie nicht von oben angeordnet werden kann. Sie muss praktisch gelebt werden, Schritt für Schritt. Meiner Meinung nach ist die Demokratie in Tunesien noch auf einem guten Weg. Sie müssen wissen, dass wir eine sehr schwierige Wirtschaftslage geerbt haben. Arbeitslosigkeit und Armut sind sehr hoch, in einigen Gegenden sind die Menschen fast von der Gesellschaft ausgeschlossen – das ist unsere Herausforderung. Der Terrorismus erklärt sich genau durch die Armut der Jugend, die keine Arbeit findet.

Wir haben viele Jugendliche getroffen, die uns sagten, im Grunde habe sich seit der Revolution 2011 nichts geändert.

Wer das sagt, hat Recht. Genau deshalb sind wir von Rückschlägen bedroht, wenn es uns nicht gelingt, die Minimalerwartungen unseres Volkes zu erfüllen, also Arbeit schaffen. Damit sich die wirtschaftliche Situation ändert, müssen wir ausländische Investitionen ins Land holen.

Wie wollen Sie die Europäer davon überzeugen, dass sie in Tunesien investieren?

Europa muss uns als erstes bei der Terrorbekämpfung helfen. Wir verfügen nicht über genügend Mittel. Unsere Sicherheits- und militärischen Strukturen waren auf diese Aufgaben nicht vorbereitet. Uns fehlen die Mittel und die Ausbildung.

Brauchen Sie finanzielle oder strategische Unterstützung?

Wir brauchen finanzielle Unterstützung. Das ist nun einmal so in einem Krieg. Aber wir benötigen auch Logistik, Zusammenarbeit der Geheimdienste, technologische Unterstützung. Wenn wir hier Erfolg haben, ist das auch ein Erfolg für Europa. Sie wissen, dass die Menschen auf kleinen Booten nach Europa fliehen und es sind viele, denn sie können nicht mehr warten. Die Revolution ist jetzt schon fünf Jahre her und man hat ihnen einen Wechsel versprochen. Aber die Regierungen haben nichts getan. Jetzt ist die Lage besser als vor vier Jahren, aber wir sind nicht in der Situation, dass Tunesien wirtschaftlich und sozial voranschreitet.

Sie sind Partner der USA außerhalb der NATO. Was bedeutet das für Tunesien?

Es gibt eine Absichtserklärung, die später zu bilateralen Abkommen führen könnte. Tunesien ist nicht Mitglied der NATO und will es auch nicht werden, aber wir sind Freunde Amerikas. Amerika ist der wichtigste Akteur der internationalen Politik. Es ist ein großes Land und wenn wir freundschaftliche Beziehungen zu solch einem großen Land haben, profitieren wir davon. Wir genießen eine gewisse Sicherheit, denn Amerika hat sich verpflichtet, an unserer Seite zu stehen, für die Sicherheit Tunesiens.

Die größte Anzahl der Jihadisten kommt aus Tunesien. Warum?

Die islamistische Vorgängerregierung war zu lax. Die jungen Leute, die keine Arbeit haben, sind natürlich verzweifelt und sie waren leichte Beute für bestimmte Organisationen, die Übung darin haben, Menschen einer Gehirnwäsche zu unterziehen. Tunesien ist nicht stolz darauf zu sagen, dass wir tausende IS-Kämpfer in Syrien und im Irak haben und natürlich wollen wir dafür sorgen, dass Tunesien nicht das nächste Ziel der Gotteskrieger wird.

Sie haben gesagt, der Tourismus ist ermüdet.

Leider helfen die Vorkommnisse der Zukunft des tunesischen Tourismus nicht. Tunesien wurde mit dem Anschlag auf das Bardo-Museum schwer bestraft - das Attentat sollte den Tourismus und die Kultur treffen, weil das Bardo-Museum der Stolz Tunesiens ist.

Hängt die Wirtschaft zu sehr vom Tourismus ab?

Bis jetzt haben wir auf ein Wirtschafts- und Entwicklungsmodell gesetzt, das die Strände in den Mittelpunkt stellt, das maritime Tunesien. Doch das Landesinnere wurde vernachlässigt. Wir brauchen den Tourismus, aber er alleine reicht nicht.

Der Arabische Frühling hat in der ganzen Welt Hoffnungen geweckt, aber Libyen ist ins Chaos gestürzt und Ägypten fällt gerade wieder in die Hände der Militärs. Wie steht es um Tunesien?

Ich war zum G8-Gipfel eingeladen, damals als Premierminister, und das Thema lautete "der Arabische Frühling". Ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass dieser Ausdruck eine europäische Erfindung ist. In meiner Rede sagte ich damals, dass es keinen Arabischen Frühling gibt, sondern den Anfang eines tunesischen Frühlings. Wir glauben, dass wir zu einem wirklichen Frühling in anderen arabischen Ländern beitragen können, aber nur, wenn Tunesien seinen Weg weiterverfolgt und erfolgreich ist.

Wo steht Tunesien in fünf bis zehn Jahren?

Wir sind entschlossen, dass es Tunesien schaffen wird. Ich versichere den Tunesiern, den Freunden Tunesiens und unserer Jugend, dass wir am Anfang eines Entwicklungsprozesses stehen. Am Ende meiner fünfjährigen Amtszeit werden wir definitiv angekommen sein im Club der demokratischen Länder.

Sie selbst gelten als Garant der Stabilität. Ist der Fokus nicht zu sehr auf Sie ausgerichtet, gerade in der westlichen Wahrnehmung?

Die Zukunft Tunesiens ist die neue Generation, ich selbst gehöre zur alten Generation. Mein größter Wunsch ist es, die künftige Generation für die Zukunft vorzubereiten. Dafür setze ich mich ein und ich glaube, das wird mir gelingen, wenn ich auf ausreichend Verständnis und Geduld stoße. Unser Volk hat sehr gelitten, die Jugend hat sehr gelitten. Sie wartet nun schon seit fünf Jahren und man kann ihnen nicht sagen, dass die Lösung darin liegt, weiterzuwarten. Wir müssen voranschreiten. Und wenn unsere Freunde ernsthaft wollen, dass es eine veritable Demokratie in Tunesien gibt, dann müssen sie uns helfen. Ihre Unterstützung ist notwendig aber allein nicht ausreichend. Denn wir müssen das unsere dazu tun. Dann schaffen wir es, so Gott will. Ich bin Moslem, aber ich bin kein Islamist.

Mit freundlicher Unterstützung des ZDF

Das komplette Interview finden Sie in der ZDF-Mediathek. Bitte beachten, dass Inhalte des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks nur für eine begrenzte Zeit abrufbar sind.

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Berlin Deutschland