Agregátor obsahu

Photoshot Avalon United Kingdom
Jednotlivý titul

Israel nach den Wahlen 1996

Likud-Chef Netanyahu neuer Premierminister

 

Agregátor obsahu

Sdílet

Am 29. Mai 1996 haben knapp vier Millionen wahlberechtigte Israelis in erstmals getrennter Abstimmung den Ministerpräsidenten und die Knesset (Parlament) neu gewählt. Mit einer äußerst knappen Mehrheit von 50,4 Prozent der Stimmen ging der bisherige Oppositionsführer, der Likud-Vorsitzende Benjamin Netanyahu, als Wahlsieger und somit neuer Premierminister Israels hervor. Der bisherige Regierungschef Shimon Peres erhielt 49,5 Prozent der Stimmen.

Die Wahlen zur 14. Knesset ergaben einen deutlichen Stimmenverlust für die beiden großen Parteien, die Arbeitspartei und den Likud. Gegenüber 1992 verlor die Arbeitspartei 10 Sitze (von 44 auf jetzt 34 Sitze), der Likud 8 Sitze (32 statt 40). Einen kräftigen Aufschwung verzeichneten hingegen die Nationalreligiöse Partei und die ultraorthodoxen Vereinigungen - sie werden mit insgesamt 23 Sitzen so stark im Parlament vertreten sein, wie noch nie seit der Gründung des Staates Israel. Als Neulinge werden die Partei der russischen Einwanderer „Israel Ba'Aliya" mit 7 Abgeordneten, sowie die von der Arbeitspartei abgespaltene Gruppe „Dritter Weg" mit 4 Mandaten in der Knesset präsent sein. Die 120 Knessetsitze werden auf insgesamt 11 Parteien und Vereinigungen aufgeteilt.

Die Wahlen vom 29. Mai können in vielerlei Hinsicht als schicksalsprägend für Israel und die Nahostregion bezeichnet werden. Mit dem Votum für Oppositionsführer Netanyahu hat sich eine knappe Mehrheit der israelischen Bürger gegen den politischen Kurs Shimon Peres' im Friedensprozess mit den Palästinensern und den arabischen Nachbarstaaten Israels ausgesprochen, Netanyahus Wahlerfolg kam um so überraschender, als noch erste Hochrechnungen der Stimmergebnisse am Wahlabend einen knappen Vorsprung für Peres signalisierten. Auch in Meinungsumfragen in den Wochen und Monaten vor dem 29. Mai konnte Peres eine mehr oder weniger stabile Führung bei den Wählerpräferenzen verzeichnen. Noch am Vorabend vor dem Wahlgang ergaben Umfragen der Tageszeitung Yediot Achronot für Peres einen Vorsprung von 3 Prozent bei 3 Prozent Unentschlossenen.

Im Folgenden sollen die politischen Entwicklungen der letzten Monate vor den Wahlen dargestellt und analysiert werden, welche Faktoren dazu beigetragen haben, dass der Architekt des Friedensprozesses, Premierminister Shimon Peres, vom israelischen Wähler kein Mandat zur Fortsetzung seines politischen Kurses erhalten hat.

 

Politische Entwicklungen vor den Wahlen – Hintergrund und Ursachen für das Wahlergebnis

Die Ermordung von Premierminister Rabin

Die Ermordung von Premierminister Rabin am Samstagabend, dem 4. November 1995, hat das gesamte israelische Volk tief erschüttert. Diese Erschütterung drang weit in das rechte Lager hinein. Dass ein religiöser Jude den Premierminister Israels aus politischen Gründen ermorden könnte, hatten die meisten Juden für ausgeschlossen erachtet. Die Rechte verlor massiv an Unterstützung, die sie bis zu diesem schrecklichen Ereignis erhalten hatte. Man darf nicht vergessen, dass die Regierungskoalition in den Wochen vor der Ermordung des Premierministers allenfalls von ca. 40 Prozent der gesamten israelischen Bevölkerung unterstützt wurde; noch geringer war demnach die Stützung des Regierungskurses durch den jüdischen Bevölkerungsanteil Israels.

Die Ermordung Rabins durch einen rechtsgerichtet-extremistischen Juden hat dieses Bild vollkommen verändert. Die Rechte wurde verantwortlich gemacht für das Klima, das dazu beigetragen habe, eine solche Tat überhaupt erst möglich zu machen. Dem Vorsitzenden des Likud, Benjamin Netanyahu wurde vorgeworfen, der rechtsradikalen Agitation nicht entgegengetreten, sondern sie zumindest toleriert, wenn nicht gar geschürt zu haben. Lea Rabin, die Witwe des Ermordeten, gab Netanyahu während der Beerdigung ostentativ die Schuld für den Tod ihres Mannes.

Die Zustimmung der Bevölkerung zu den gesamten Rechtsparteien sank erheblich. Der neue Premierminister Shimon Peres erfreute sich einer nie vorher vorhandenen Zustimmung. Er, der Mentor des Oslo-Prozesses, konnte seinen Kurs mit neuer Energie fortsetzen. Die Rechtsparteien schienen keine Gefahr mehr für ihn zu sein.

 

Fortsetzung des Friedensprozesses

Entsprechend den Vereinbarungen von Oslo II wurden die israelischen Verteidigungskräfte (IDF) weiter umgruppiert. In der ersten Phase, welche die Abhaltung der Wahlen am 21. Januar 1996 erleichtern sollte, sollte sich das israelische Militär aus den Ballungsgebieten des Westjordanlandes zurückziehen; aus den Städten Jenin, Nablus, Tulkarem, Kalkilya, Ramallah und Bethlehem (für die Stadt Hebron gelten besondere Sicherheitsvereinbarungen) sowie aus 450 Kleinstädten und Dörfern. Am Ende des Rückzugs sollte es in den palästinensischen Ballungszentren nahezu keine IDF-Präsenz mehr geben.

In Bezug auf die innere Sicherheit wurden entsprechend den Abkommen drei Gebietstypen errichtet:

  • Das Gebiet „A“ umfasst die sechs Städte Jenin, Nablus, Tulkarem, Kalkilya, Ramallah und Bethlehem. In diesen Gebieten hat der Palästinensische Rat die volle Zuständigkeit für die innere Sicherheit und die öffentliche Ordnung sowie uneingeschränkte zivile Kompetenzen.
  • Das Gebiet „B“ umfasst die palästinensischen Städte und Dörfer im Westjordanland. In diesen Gebieten, in denen etwa 68 Prozent der palästinensischen Bevölkerung leben, behält Israel die Zuständigkeit für Sicherheit und Terrorbekämpfung. In festgelegten Städten und Dörfern wurden 25 palästinensische Polizeistationen errichtet. Das Vorgehen der palästinensischen Polizei wird mit den israelischen Sicherheitskräften abgestimmt.
  • Im Gebiet „C“, das dünnbesiedelte Gebiete, Gebiete von strategischer Bedeutung für Israel sowie die jüdischen Siedlungen umfasst, behält Israel die volle Zuständigkeit für Sicherheit und öffentliche Ordnung bei. Der Rat übernimmt zivile Kompetenzen, wie Wirtschaft, Gesundheit, Bildungswesen etc.

 

Palästinensische Wahlen

Am 21. Januar 1996 haben die Palästinenser in den seit 1967 von Israel besetzten Gebieten erstmals ihre eigene politische Vertretung gewählt. Mit einem Ergebnis von über 88 Prozent der Stimmen der 1,013 Millionen Wähler wurde der bisher selbsteingesetzte Autonomie- und PLO-Chef Yassir Arafat zum Präsidenten des Autonomierates gewählt. Seine Gegenkandidatin, Frau Samiha Khalil, die den Friedensprozess ablehnte, hatte von Anfang an keine Chancen. Die Wahlbeteiligung lag trotz des Boykottaufrufs durch die Islamisten (Hamas) und die Organisationen im Exil (PFLP, DFLP) bei über 80 Prozent. Von den 88 Sitzen im Palästinensischen Rat sind 52 Sitze an Fatah-Mitglieder gegangen, weitere 15 Sitze wurden von sog. Unabhängigen, die jedoch ebenfalls aus den Reihen der Fatah stammen, besetzt. 15 Ratsmitglieder können als unabhängig bezeichnet werden, 4 Mitglieder werden den Islamisten zugeordnet und weitere 2 Sitze gingen an andere kleine Parteien. Die hohe Wahlbeteiligung und der hohe Stimmenanteil für Yassir Arafat wurde als nachträgliche demokratische Legitimierung des eingeschlagenen Kurses der Verständigung mit Israel und als Mandat für seine Beibehaltung bewertet. Die demokratischen Wahlen der Palästinenser sind der arabischen Welt bisher einzigartig.

Arafat hatte sich bis zuletzt bemüht, die stärkste oppositionelle Kraft in den Palästinensergebieten – die Hamas – mit in den Wahlprozess einzubinden. Die Verhandlungen mit Hama-Führern in Kairo im Dezember 1995 waren jedoch vergeblich. Hamas verweigerte jegliche Beteilungen an den Wahlen und bekräftige die Absicht, den bewaffneten Kampf gegen die israelische Okkupation fortzusetzten. Es soll jedoch zu der Absprache gekommen sein, wonach Hamas sich zumindest bis zu den Wahlen in den Autonomiegebieten sämtlicher Anschläge gegen israelische Einrichtungen enthalten werde. Diese Politik des Ausgleiches zwischen der Autonomieverwaltung und der Hamas wurde mit der Ermordung des „Ingenieurs“ Yahya Ayash am 5.1.1996, die dem israelischen Geheimdienst zugeschrieben wird, unterbrochen. Ayash, verantwortlich für unzählige israelische Todesopfer durch Terroranschläge, wurde zum Märtyrer erklärt, und Hamas schwor Rache für seinen Tod.

 

Hamas-Bombenanschläge

Ende Februar und Anfang März 1996 explodierten innerhalb von neun Tagen vier Bomben durch Selbstmordattentäter in Jerusalem, Aschkelon und Tel Aviv, bei denen 59 Menschen ermordet und über 200 verletzt wurden. Die offenbar außer Kontrolle geratenen Terrorbrigaden der Hamas, die sich nach einem ihrer „Märtyrer" Issedin el Kassam-Brigaden nennen, hatten ihre Selbstmordkiller losgeschickt, um wahllos zu töten. Unter den Opfern befanden sich Kinder, rumänische Gastarbeiter und auch drei Palästinenser. Israel stand unter Schock. Trotz des Purim-Festes, des normalerweise fröhlichsten Festes im jüdischen Kalender, herrschte über dem Land tiefe Trauer.

Die Bombenanschläge veränderten schlagartig die politischen Kräfteverhältnisse in Israel. Premierminister Peres, dessen Sieg bei den vorgezogenen Wahlen am 29. Mai als sicher galt, sah plötzlich seinen Popularitätsvorsprung dahinschwinden. Dass es für die Bürger Israels auch zwei Jahre nach dem Friedensabkommen von Oslo, keine Sicherheit gibt, fiel schwer gegen Peres, dem Architekten von Oslo, ins Gewicht. Das Volk und die Opposition riefen nach harten Gegenmaßnahmen. In einer nächtlichen Kabinettssitzung kam Peres dem Bedürfnis nach straffer Führung nach: Er erteilte den Befehl zur Absperrung des Gazastreifens, der autonomen Städte und aller 465 Dörfer in der Westbank, beschloss den Aufbau einer hochspezialisierten Antiterroreinheit und ließ umfangreiche Durchsuchungen und Verhaftungen in den Palästinensergebieten durchführen. Greiftrupps der israelischen Sicherheitskräfte durchsuchten islamische Einrichtungen und verhafteten Hunderte von Hamas Sympathisanten. Wohnhäuser der Familienangehörigen von Terroristen wurden versiegelt und in die Luft gesprengt. An den Haltestellen der wichtigsten Buslinien im ganzen Land wurden bewaffnete Soldaten postiert, 3.400 Freiwillige bewachten die jüdischen Siedlungen hinter der Grünen Linie. Den letzten Schritt wagte der Premierminister allerdings nicht: Den Einmarsch der israelischen Armee in die unter palästinensischer Verwaltung stehende A-Zone. Dies hätte das endgültige Aus für den Friedensprozess bedeutet.

Premierminister Peres konnte sich auch nach diesen ersten Terrorattentaten noch auf einen 15prozentigen Vorsprung in den Umfragen vor Oppositionsführer Netanyahu stützen. Doch spätestens die zweite Anschlagwelle in Jerusalem und Tel Aviv am 3. und 4. März zerstörte die Zuversicht in ein friedliches Zusammenleben mit den Palästinensern und somit Peres' politische Vision eines grenzenfreien „New Middle East“. Die Tatsache, dass Yassir Arafat in der Woche zwischen den beiden Attentatwellen nichts Entscheidendes unternommen hatte, um Hamas das mörderische Werk zu unterbinden, spielte den Argumenten des oppositionellen Likud zu, wonach der ganze Oslo-Friedensprozess ein Fehler war. Der Vorsprung von Peres in den Wählerpräferenzen ging über Nacht verloren. Die Unterstützung seitens der Weltöffentlichkeit auf der internationalen Antiterror-Konferenz in Scharm el-Scheich (12. März), der Solidaritätsbesuch des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton in Israel unmittelbar danach, sowie das rasante Vorgehen von Arafats Sicherheitskräften gegen die Hamas (Mitte März) konnten den Popularitätsrückfall des israelischen Regierungschefs nicht wiedergutmachen.

 

Konzept der Trennung von Israelis und Palästinensern

Premierminister Peres forcierte das Konzept einer Trennung zwischen Israelis und Palästinensern. Ein Konzept, das noch unter seinem Amtsvorgänger Rabin als Reaktion auf die ersten Bombenanschläge im April 1994 vorbereitet wurde. Peres und seine Labour-Party wollten in ihrer Wahlkampagne den beiden Hauptanliegen der Israelis entgegenkommen – dem Ruf nach Sicherheit und dem Wunsch nach Frieden. Labour versprach die physische Trennung von den Palästinensern bei Einbehaltung der Zusammenarbeit mit Arafat. Während der überbevölkerte Gazastreifen bereits von einem Sicherheitszaun umgeben ist, sollte jetzt auch eine Grenze zwischen Israel und dem Westjordanland errichtet werden. Entlang der 350 Kilometer langen Grünen Linie sollten achtzehn Grenzübergänge den Personen- und Warenverkehr kontrollieren. Lediglich auf 29 Kilometern sollte ein Zaun errichtet werden, ein Teil davon steht bereits bei der palästinensischen Stadt Kalkilya und der israelischen Kfar-Saba. Der Rest sollte durch eine zwei Kilometer breite Pufferzone getrennt werden, die von 500 Grenzsoldaten mit Jeeps und Helikoptern kontrolliert würde. Ein spezielles elektronisches Überwachungssystem hätte – ähnlich wie an der jetzigen Ostgrenze Deutschlands – illegale Grenzüberschreiter ausfindig machen sollen.

Premierminister Peres hatte mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen am 29. Mai dem Ruf der öffentlichen Meinung nach starker Führung nachgegeben. Paradoxerweise hatten sich damit die Rollen der beiden rivalisierenden Kandidaten für das Amt des Premierministers im Wahlkampf vertauscht. Während Netanyahu unermüdlich seinen Willen nach Frieden betonte, versuchte sich Peres als „Mr. Security" zu profilieren. Die Absperrung der Palästinensergebiete wurde bis zu den Wahlen nicht aufgehoben. Der im Oslo-Abkommen für den 28. März festgelegte Rückzug der israelischen Armee aus Hebron wurde ebenfalls verschoben. Zuerst müsse Arafat seinen Teil der Oslo-Vereinbarungen erfüllen: Die Streichung aller Artikel der Palästinensischen Charta, die zur Zerstörung Israels aufrufen, sowie die Verhaftung und Aushändigung der von Israel Gesuchten Hamas-Terroristen, allen voran die Ergreifung des Organisators der jüngsten Bombenanschläge Mohammed Deif. Um den Friedensprozess nicht völlig zum Stillstand zu bringen, wurden am 4. Mai die nach dem Zeitplan von Oslo Il fälligen Gespräche über den endgültigen Status der palästinensischen Gebiete formal aufgenommen. Peres hatte bereits Anfang April erklärt, er wolle – falls wiedergewählt – ein mit den Palästinensern ausgehandeltes Abkommen dem israelischen Volk in einem Referendum zur Billigung vorlegen. Auch über ein ähnlich sensibles Thema – die Rückgabe des Golan im Austausch für ein umfassendes Friedensabkommen mit Syrien – wollte Peres in einer Volksabstimmung entscheiden lassen.

 

Krieg mit der Hisbollah im Libanon

Ende März spitze sich die Lage im Norden Israels an der libanesischen erneut zu. Seit Wochen steigerte die proiranische Schiiten-Miliz Hisbollah ihre Anschläge gegen israelische Soldaten und Angehörige der mit Israel verbündeten „Südlibanesichen Armee“ (SLA) in der Sicherheitszone im Südlibanon. Als bei Vergeltungsschlägen der Israelis vermutlich libanesische Zivilisten getötet wurden, feuerte die Hisbollah Katjuscha-Raketen nach Nordisrael. Noch zwei Monate davor hätte Israel lediglich mit dem Beschuss von Hisbollah-Stellungen außerhalb der Sicherheitszone geantwortet. Diesmal ließ Regierungschef und Verteidigungsminister Peres eine umfangreiche militärische Vergeltungsaktion unter dem Decknamen „Früchte des Zorns“ starten: Israelische Kampfhubschrauber drangen bis nach Beirut vor, wo sie eine Hisbollah-Zentrale vernichteten. Schwere Artillerie beschoss den Süden Libanons, die Luftwaffe flog Angriffe auf schiitische Stellungen in Dörfern nördlich der Sicherheitszone. Die mit Israel verbündete „Südlibanesische Armee“ SLA hatte zuvor über ihren Sender „Stimme des Südens" die Bevölkerung dieser Orte aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Die Hisbollah-Milizen antworteten mit weiteren Katjuscha-Angriffen auf Dörfer und Städte in Nordisrael. Die eskalierenden Kämpfe hatten eine Flüchtlingswelle von über 400 000 Menschen aus dem Südlibanon in Richtung Norden hervorgerufen. Am 18. April beschossen israelische Truppen ein von den Vereinten Nationen verwaltetes Quartier bei Kana, in dem sich fast 500 Flüchtlinge aus den umliegenden Dörfern befanden. An die 100 Menschen wurden getötet. Die israelische Bombardierung galt einer etwa 300 Meter vom UN-Lager entfernten Hisbollah-Stellung, von der Katjuscha-Raketen nach Israel abgefeuert wurden. Es ist eine Strategie der Hisbollah, sich hinter zivilen Einrichtungen vor Vergeltungsschlägen zu verstecken. Mit dem Blutbad von Kana war die israelische Offensive an einem Wendepunkt angekommen. Anstatt einer militärischen wurde jetzt eine politische Lösung gesucht. Nach intensiven Vermittlungen durch die USA ist am 26. April ein Waffenstillstand zwischen Israel, dem Libanon und Syrien vereinbart worden. Die Vereinbarung hatte fünf Punkte: Die Hisbollah würde in Zukunft nicht mehr mit Katjuschas oder anderen Waffen Israel beschießen. Israel und die mit ihr verbündete Miliz SLA verpflichteten sich, „nicht mehr auf zivile Ziele zu schießen, weder auf Wohngebiete, noch auf Industrieanlagen und Elektrizitätswerke“. Dafür dürften diese Einrichtungen auch nicht mehr als Abschussbasis für Angriffe gegen Israel genutzt werden. Diese Vereinbarung beschränkte jedoch nicht „das Recht einer Seite auf Selbstverteidigung“.

Bis zu Verkündigung eines Waffenstillstandes war es der israelischen Armee nicht gelungen, die Katjuscha-Angriffe auf Städte im Norden Israels zu stoppen. Die dann getroffenen Vereinbarungen hatten im Wesentlichen bereits mündlich auch vor der Aktion bestanden. Die Libanon-Aktion wurde deshalb in den Augen der israelischen Bevölkerung als Fehlschlag angesehen. Sie hatten nur entsetzliches Leid für die libanesische Bevölkerung gebracht. Außenpolitisch war sei einer Katastrophe gleichzusetzten. Angesichts des Ausmaßes der israelischen Militärkation im Libanon wurde Peres vorgehalten, aus wahltaktischen Gründen eine demonstrative Überreaktion auf den Raketenbeschuss gewählt zu haben. Sicher ist, dass ihm dieser Schritt mehr politischen Schaden als Nutzen gebracht hat.

 

Die israelischen Wahlen 1996

Zum ersten Mal in der Geschichte Israels wurde bei den Wahlen am 29. Mai 1996 der Premierminister direkt vom Volk gewählt. Bisher wurde mit der Bildung der Regierung und dem Amt des Premierministers ein Vertreter der Knesset-Fraktion beauftragt, der die besten Aussichten auf die Bildung einer Mehrheitskoalition in der Knesset hatte. Dies resultierte in einem überproportionalen Einfluss kleiner Fraktionen, die für ihre Unterstützung weitreichende Konzessionen forderten. Mit der direkten Wahl des Premierministers sollte dieser Einfluss der kleinen Parteien verringert werden. Der israelische Wähler hatte somit am Wahltag zwei Stimmen abzugeben: Eine für den Premierminister und eine für die Knesset.

 

Das Wahlsystem

Das israelische Wahlgesetz sieht direkte, gleiche, geheime, allgemeine, landesweite und proportionale Wahlen vor. Das aktive Wahlrecht beginnt im Alter von 18, das passive im Alter von 21 Jahren, es besteht keine Wahlpflicht. Eine Aufteilung des Landes in Wahlbezirke gibt es nicht. Die Wahlen zur Knesset sind Listen- und nicht Persönlichkeitswahlen. Die 120 Parlamentssitze werden nach dem Verhältniswahlrecht auf die einzelnen Parteilisten verteilt. Es besteht eine Sperrklausel von 1,5 Prozent. Vor jeder Wahl stellen die Parteien ihre Programme und Kandidatenlisten vor. In der Knesset bereits vertretene Parteien werden automatisch zur Wiederwahl zugelassen. Neue Parteien müssen mindestens 2500 Unterschriften wahlberechtigter Bürger vorlegen, sich als Partei offiziell registrieren lassen und eine Kaution hinterlegen; die Kaution wird zurückerstattet, wenn die Partei bei der Wahl mindestens 1,5 Prozent der Stimmen (gleichbedeutend 1 Sitz in der Knesset) erhält. Jeder Partei werden Wahlkampfgelder zur Verfügung gestellt, entsprechend ihrer bisherigen Abgeordnetenzahl in der Knesset. Neue Parteien, die durch die Wahl erstmals in die Knesset einziehen, erhalten nachträglich eine ähnliche Zuwendung.

 

Die Parteien

Das politische Parteienspektrum in Israel ist durch eine große Vielfalt gekennzeichnet. Sie ist die Folge des bestehenden proportionalen Wahlsystems und der niedrigen (1,5 Prozent) Sperrklausel. Diese geringe Hürde erlaubt selbst kleinen parteipolitischen Gruppierungen den Einzug in die Knesset. Parteispaltungen, Fusionen und Neugründungen sind häufig. Die in westlichen Ländern übliche Einordnung politischer Strömungen in „linke“ und „rechte“ Parteien ist in Israel nur bedingt anwendbar.

Insgesamt hatten sich zwanzig politische Parteien und Gruppierungen
zur Wahl gestellt, davon hatten sieben von vornherein keine Chance, die
1,5-Prozent-Klausel zu überwinden.

Hält man sich die Parteienstruktur in Israel vor den Wahlen am 29. Mai 1996 vor Augen, so kann man im Wesentlichen von vier parteipolitischen Formationen sprechen:

  • die sozialdemokratische Arbeitspartei und der linke Meretz-Block
  • der national-konservative Likud-Block und kleinere rechtsnationale Parteien
  • die religiösen Parteien
  • die arabischen Parteien

Hinzu kommen zwei neue Parteien, „Der Dritte Weg“ und die Immigrantenpartei „Israel Ba’Aliya“, die in der Mitte des politischen Spektrums einzuordnen sind.

 

Arbeitspartei

Die Arbeitspartei entstand 1968 durch den Zusammenschluß der Mapai (Abk. Hebr.: Arbeiterpartei des Landes Israel) mit der Achdut Ha’avoda (Einheit der Arbeit) und Rafi (Liste der Arbeiter Israels). Die westlich orientierte sozialdemokratische Mapai war seit ihrer Gründung 1930 dominante Partei des Arbeiterblocks. Ihre Programmatik war von Anfang an zionistisch, nicht-religiös und gemäßigt sozialistisch ausgerichtet. Zu den Parteigründern gehörte der Staatsgründer des modernen Israel David Ben-Gurion. Aus der Mapai gingen die meisten führenden Politiker des Landes (auch vor der Staatsgründung) und von 1948 bis 1977 alle Regierungschefs hervor.

Die Sozialstruktur der Mitgliederschaft und des Wählerpotentials der Arbeitspartei ist sehr heterogen. Traditionell gilt sie als Partei der gebildeten und wohlhabenderen Bevölkerungsschicht vorwiegend europäischer-westlicher Herkunft (Aschkenasim).

Nach den Wahlen zur 13. Knesset 1992 war die Arbeitspartei erneut an der Regierung. Ihr ist allerdings nicht gelungen, eine Mehrheit in der Knesset zu bilden. Die aus der Arbeitspartei und dem linken Meretz-Bündnis bestehende Regierung des damaligen Premierministers Rabin war eine Minderheitsregierung und konnte den Friedensprozess nur mit Unterstützung der arabischen Abgeordneten durchsetzen. Die Knessetmitglieder Kahalani und Süßmann trennten sich von der Arbeitspartei aus Ablehnung gegen eine eventuelle Rückgabe des Golan und gründeten eine neue Partei, die sich „Dritter Weg“ nennt. Nach der Ermordung Rabins im November 1995 übernahm Shimon Peres das Amt des Regierungschefs und des Parteivorsitzenden.

Die Arbeitspartei hat federführend die Abkommen mit den Palästinensern verhandelt. Peres wollte durch einen Wahlsieg ein klares Mandat für die Fortsetzung seiner Politik „Land für Frieden“ erhalten. Die Arbeitspartei strebt ein rasches und umfassendes Friedensabkommen mit Syrien an. Sie ist zu einer Rückgabe der Golan-Höhen bereit, die Entscheidung sollte jedoch in einem Volksreferendum gefällt werden.

 

Meretz

Meretz ist 1992 als eine linksliberale Wahlallianz von drei Parteien gebildet worden: Mapam, Schninui und Ratz. Die linkssozialistische Mapam ging bereits 1969 ein Wahlbündnis mit der Arbeitspartei unter dem Namen „Maarach“ (Bündnis) ein. Die Mapam ist mit einem Teil der Kibbuz-Bewegung und mit der Gewerkschaft, Histadrut, eng verbunden. In den fünfziger und sechziger Jahren war die Mapam betont prosowjetisch eingestellt. Die Mapam setzt sich für den Dialog mit den Palästinensern und vertritt jetzt eine gemäßigt antikapitalistische Position. 1984 schied die Mapam aus dem Block mit der Arbeitspartei aus. Das Meretz-Bündnis erreichte bei den Wahlen 1992 9,5 Prozent der Stimmen und war an der Regierungskoalition mit der Arbeitspartei beteiligt.

 

Likud

Der Likud (hebr. Zusammenschluss) hat sich aus einer losen Vereinigung nationalistischer unter Einschluss von nationalliberalen Kräften herausgebildet. Keimzelle des heutigen Likud-Blocks war die Cherut (Freiheits-) Partei. Sie wurde Sie wurde 1948 gegründet und formulierte ein nationalistisches Parteiprogramm. Menachem Begin stand von der Gründung der Partei (1925 als Zionistische Partei) bis zum Jahre 1982 an Ihrer Spitze. Die Cherut profilierte sich über viele Jahre als einzig schlagkräftige Oppositionspartei. 1965 bildete der Cherut zusammen mit der Liberalen Parei den Gachal-Block (Gusch Cherut-Liberali). Bis 1967 blieb dieses Bündnis in der Opposition. Von 1967-69 war Gachal im sogenannten Kabinett der nationalen Einheit mit zwei Ministern ohne Portfolio (Begin – Cherut, Joseph Saphir - Liberale) vertreten. 1973 wurde der Likud (Zusammenschluss) aus Gachal und drei kleineren Rechtsparteien gebildet. Bei den Wahlen 1977 wurde der Likud-Block stärkste Fraktion und übernahm das erste Mal die Regierungsverantwortung. Menachem Begin wurde Ministerpräsident. Nach Begins Rücktritt übernahm im September 1983 Yitzchak Shamir das Amt des Regierungschefs und trat an die Spitze der Partei. Der Likud spaltete sich in drei Lager unter Shamir (Mainstream), Ariel Sharon („Falke") und David Levi (Sephardim).

Nach den Knesset Wahlen von 1984 bildete der Likud mit der Arbeitspartei eine große Koalition, die von 1984 bis 1986 von Shimon Peres und von 1986 bis 1988 von Yitzchak Shamir angeführt wurde. Die große Koalition konnte nach den Wahlen von 1988 unter der Führung Shamirs weitergeführt werden, bis sie im Frühjahr 1990 nach zahlreichen Streitigkeiten zerbrach. Shamir stützte fortan seine Regierung auf rechte und religiöse Parteien. Wegen starker Meinungsverschiedenheiten vor allem über die Siedlungspolitik und der Madrider Friedensverhandlungen traten Vertreter der rechtsnationalen Partei „Techijah" aus der Regierungspartei aus. Seit den Neuwahlen von 1992 befand sich der Likud wieder in der Opposition.

Die erdrückende Wahlniederlage führte zu einem Generationswechsel in der Likud-Führung. Yitzchak Shamir wurde durch den damals 42-jährigen Benjamin Netanyahu an der Parteispitze abgelöst. Netanyahu ist es gelungen, die Zerspaltung des Likud zu überwinden. Er drängte den Einfluss David Levis in der Partei zurück, mit der Folge, dass dieser im Juni 1995 aus den Likud austrat und eine neue Partei (Gescher) gründete.

Im März 1996 einigte sich der Likud mit Gescher und Zomet über ein Wahlbündnis. Netanyahu war es damit gelungen, Mitbewerber für die Premierministerwahl auszuschalten und seine Chancen als einziger Herausforderer des Amtsinhabers Peres zu verbessern. Die Führer von Zomet und Gescher, Eitan und Levi, hatten zuvor angekündigt, selbst zur Wahl zum Premierminister anzutreten. Mit der Wahlallianz sollte ebenfalls Einigkeit des Mitte-Rechts-Lagers demonstriert werden.

Dem Friedensprozess steht der Likud kritisch gegenüber. Das Prinzip von Verhandlungen mit der PLO wurde nach ersten, heftigen Reaktionen auf die Oslo I und II-Abkommen nunmehr akzeptiert. Die Position des Likud im Friedensprozess kann in folgenden Schlagworten umfasst werden:

  • Zustimmung, dass man mit den Palästinensern zu einem Ausgleich kommen muss. Es wird immer wieder daran erinnert, dass das Camp David-Abkommen mit Ägypten 1977 von einer Likud-Regierung erreicht wurde.
  • Ablehnung eines souveränen Staates Palästina.
  • Ablehnung einer Umsiedlung jüdischer Siedler aus den besetzten Gebieten (Westbank).
  • Friedensverhandlungen mit Syrien ohne Rückgabe des Golan.
  • Sicherung von Recht und Ordnung durch die israelische Armee in den Zonen B und C der autonomen Gebiete, Optionen für Eingriffe der israelischen Sicherheitskräfte auch in der A-Zone.

 

Religiöse Parteien

Das Lager der religiösen Parteien in Israel ist außerordentlich zersplittert. Wichtigste religiöse Partei war lange Jahre die Nationalreligiöse Partei (NRP). Sie bildet traditionell den religiösen Flügel der zionistischen Bewegung. In ihrem Programm steht der religiös begründete Anspruch auf das Land „Eretz Israel”. Außerdem fordert die Partei eine an der jüdischen Religion orientierte Gesetzgebung und Erziehung. Die NRP war über mehrere Jahrzehnte fester Koalitionspartner der Arbeitspartei. Im Verlauf der letzten Jahre hatte die Partei ein immer stärkeres Gewicht auf das „Nationale” gelegt. Sie gilt jetzt als ein wichtiger Vertreter der Siedlerbewegung. Bei den Wahlen 1992 erhielt die NRP 4,9 Prozent der Stimmen, gleichbedeutend mit 6 Knessetsitzen.

Das Wahlbündnis United Torah Judaism wurde 1992 von den beiden ultra-orthodoxen Parteien Agudat Israel und Degel HaThora gebildet. Es erreichte 1992 3,2 Prozent der Wählerstimmen und somit 4 Sitze in der Knesset. Das Bündnis gilt als antizionistisch, was eine Ablehnung des weltlichen Charakters des Staates bedeutet. Grundtenor seines Programms ist die Durchsetzung religiöser Positionen im politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben Israels.

Die Schas-Partei ist nach der Abspaltung von Agudat Israel entstanden. Ihr Wählerpotential sind vorwiegend die marokkanisch-orthodoxen und irakisch-orthodoxen Juden. Schas kämpft für religiöse Positionen und bislang mit 6 Abgeordneten (4,9 Prozent der Stimmen) in der Knesset gegen die soziale Benachteiligung orientalischer Juden. Die Schas war bislang mit 6 Abgeordneten (4,9 Prozent der Stimmen) in der Knesset vertreten.

 

Arabische Parteien

Bislang waren zwei sogenannte arabische Parteien in der Knesset vertreten - die kommunistische Partei Chadash und die Arabische Demokratische Partei. Im März 1996 hatte sich die Islamische Bewegung ebenfalls für eine Teilnahme an den Wahlen entschieden. Sie ging mit der Arabischen Demokratischen Partei ein Wahlbündnis (United Arab List) ein. Ein weiterer Bewerber, die Arabische Bewegung für den Wandel des Arafat-Beraters Achmed Tibi schied kurz vor den Wahlen aufgrund geringer Wählerpräferenzen freiwillig aus dem Rennen wieder aus.

Eine gemeinsame arabische Liste ist nicht zustande gekommen. Wegen ihres nicht-zionistischen Charakters und ihres Eintretens für einen binationalen Staat ist die kommunistische Partei Chadash für viele arabische Bürger Israels eine attraktive Alternative zu den zionistischen Parteien. Die Hochburg der Chadash liegt in Nordgaliläa und Nazareth, wo die meisten israelischen Araber leben. Bei den Wahlen 1992 erreichte Chadash 2,4 Prozent der Stimmen (3 Abgeordnete).

Die Arabische Demokratische Partei wurde 1988 von Abed el-Wahab Darausche nach dessen Abspaltung von der Arbeitspartei gegründet. Sie war bislang mit 2 Abgeordneten (1,6 Prozent der Wählerstimmen) in der Knesset vertreten.

 

Partei der Immigranten

Als bisher unbekannte Kraft trat die Partei der russischen Einwanderer Israel Ba' Aliya, die von dem früheren sowjetischen Dissidenten Nathan Scharansky gegründet wurde, zu den Knesset-Wahlen an. Sie wurde im Juni 1995 gegründet, um die Interessen der über 600.000 russischen Immigranten in Israel zu vertreten.

 

Nationalisten und Extremisten

Zu den radikal nationalistischen Parteien gehören Kach, Techijah und Moledet. An den Wahlen beteiligte sich lediglich die Moledet-Partei. Die Moledet (Vaterlandspartei) wurde 1988 von Ex-General Rehavam Se'evi nach dessen Austritt aus der Arbeitspartei gegründet und war bislang mit 3 Sitzen in der Knesset vertreten. Sie spricht sich für eine Vertreibung („Aussiedlung“) der Palästinenser aus den besetzten Gebieten aus.

 

Der Wahlkampf

Zunächst einmal muss festgestellt werden, dass es lange Zeit den Anschein hatte, als ob ein Wahlkampf überhaupt nicht stattfinde. Nach den Vorwahlkämpfen, die die Listenzusammensetzung der einzelnen Parteien bestimmten, war es ruhig. Dies mag überraschen, sollten doch die Wahlen den zukünftigen Kurs Israels bestimmen. Viele Beobachter sprachen gar von den entscheidendsten Wahlen seit der Staatsgründung. Doch auf den Straßen blieb es ruhig. Der Ton seit dem Attentat auf Rabin hatte sich verändert. Reißerische Aktionen wurden von der Bevölkerung, statt zu mobilisieren, eher als negativ empfunden.

Der Schwerpunkt der Kampagne fand im Fernsehen statt. Allabendlich wurden zur besten Zeit Videoclips gezeigt. Oppositionsführer „Bibi" Netanyahu beschwor das Sicherheitsbedürfnis der Israelis und erinnerte an die Attentate der Islamisten Ende Februar und Anfang März. Netanyahu stellte sich als derjenige dar, der Frieden wolle, aber wie sein Wahlslogan sagte: Frieden mit Sicherheit. Immer wieder wurde diese Kombination von Frieden und Sicherheit betont und in verschiedenen Variationen im Wahlkampf eingesetzt. Gleich zu Beginn des Wahlkampfes warf er Peres vor, Jerusalem teilen zu wollen. Die Videoclips zeigten allabendlich Peres vereint mit Arafat. Die israelische Bevölkerung verfolgte jeden Abend am Bildschirm, wie Arafat die Gründung eines palästinensischen Staates mit Jerusalem als seiner Hauptstadt forderte. Im Hinblick auf den religiösen Bevölkerungsteil forderte er die Wahrung jüdischer Werte ein. Die Arbeitspartei und Peres blieben weitgehend in der Defensive, lediglich am Vorabend der Wahlen wurden in den Videoclips der Arbeitspartei Bilder des Rabin-Mordes gezeigt. Nur einmal trafen Netanyahu und Peres in einem Fernsehduell aufeinander. Dabei stellte sich Peres als Staatsmann, Landesvater und Friedensnobelpreisträger dar, wirkte jedoch blass und abwesend. Peres hatte für Wochen den Kontakt mit Netanyahu gescheut, um dessen Position im Wahlkampf nicht aufzuwerten. In der Fernsehschau unterlag Peres dann auch, weil der jugendliche und dynamische Stil Netanyahus mehr zu Herzen ging. Besonders die jüngeren Wähler, so Wahlanalysen, konnte Netanyahu an sich binden.

 

Die Wahlergebnisse

Am 29. Mai 1996 waren 3,933.250 Wähler aufgerufen, zum ersten Mal in der Geschichte des Staates Israel in getrennter Abstimmung über den neuen Ministerpräsidenten sowie die Zusammensetzung der Knesset zu entscheiden. Bei einer Wahlbeteiligung von 79,3 Prozent der Wahlberechtigten haben 1,501.023 Wähler (50,4 Prozent) für Benjamin Netanyahu als neuen Premierminister gestimmt. Der bisherige Amtsinhaber Shimon Peres erzielte 1,471.566 Stimmen (49,5 Prozent).

Der Vorsprung, der Netanyahu zum Sieg verhalf, war äußerst gering - knapp 30.000 Stimmen bei 3,9 Mio. Wahlberechtigten. Unter den jüdischen Wählern war der Abstand zwischen Peres und seinem Herausforderer jedoch gar nicht so gering, wie die Zahlen des Endergebnisses es ausdrücken. Lässt man die Stimmen der arabischen Israelis beiseite - etwa 18 Prozent der Bevölkerung, von denen nur 5,2 Prozent für Netanyahu stimmten - so wird klar, dass sich eine deutliche Mehrheit der Juden gegen Peres aussprach, laut offizieller Wahlstatistik mit 55,5 zu 44,4 Prozent.

Entscheidend für den hauchdünnen Sieg Netanyahus waren schließlich zwei Faktoren: Der Wegfall von 17.000 ungültigen Stimmen der arabischen Israelis, die Peres bei der Auszählung fehlten, und der Aufruf führender Rabbiner an
ihre religiösen Anhänger, für Netanyahu zu stimmen.
Der Tradition nach haben die Religiösen bisher vermieden, sich
offen für einen säkularen Kandidaten auszusprechen.

 

Ergebnisse der Wahlen zur 14. Knesset

Partei Sitze Prozente Wahlen 1992
Arbeitspartei 34 26,8% 44

Likud-Gescher-Zomet

32 25,1% 40
Schas 10 8,5% 6
Nationalreligiöse Partei 9 7,8% 6
Meretz 9 7,4% 12
Israel Ba'Aliya 7 5,7% 0
Chadash 5 4,2% 3
United Torah Judaism 4 3,2% 4
United Arab List 4 3,1% 0
Dritter Weg 4 2,9% 2
Moledet 2 2,3% 3

 

Die Wahlergebnisse zeigen einen starken Rückgang der Stimmenzahl für die beiden großen Parteien, Arbeitspartei und Likud, der anderseits mit einem deutlichen Zuwachs der Mandate für die religiösen Parteien einherging. Gegenüber 1992 verlor die Arbeitspartei 10 Sitze, der Likud 8. Die vier religiösen und rechten Kleinparteien gewannen 7 Sitze und verfügen jetzt insgesamt über 25 Abgeordnete in der Knesset (statt bisher 18). Neu vertreten sind die Immigrantenpartei Israel Ba'Aliya, die 7 Mandate erzielte, und der Dritte Weg mit 4 Abgeordneten.

Der drastische Stimmenverlust ist insbesondere für den Likud sehr schmerzlich, bedenkt man, dass fast ein Drittel der Likud-Mandate entsprechend der Koalitionsvereinbarung an die Bündnispartner Gescher und Zomet gegangen sind. Dies bedeutet, dass zahlreiche prominente Likud-Politiker sich nicht für einen Knessetsitz qualifizieren konnten. Eine teilweise Kompensation soll mit einer Regelung herbeigeführt werden, wonach die auf einen Ministerposten berufenen Likud-Abgeordneten ihr Mandat niederlegen sollen, sodass weitere Kandidaten der Likud-Liste auf die freigewordenen Knessetsitze nachrücken können.

Für die Arbeitspartei ist der Verlust von 10 Sitzen und der Übergang in die Opposition ein schwerer Rückschlag. Bereits kurz nach Verkündung der Wahlergebnisse kamen gegenseitige Beschuldigungen innerhalb der Parteiführung auf, wer für die verheerende Wahlniederlage Verantwortung trage. Obwohl Peres einen Rücktritt als Parteivorsitzender ablehnt, gibt es bereits Anwärter für seine Nachfolge. Der frühere Außenminister und Generalstabschef Ehud Barak gab als erster seine Kandidatur für die nächsten Labour-Primaries offiziell bekannt.

Zu den klaren Verlierern gehört auch das linke Meretz-Bündnis, das nur noch mit 9 Abgeordneten (bisher 12) in der 14. Knesset vertreten sein wird.

Eine unerwartet hohe Stimmenquote erzielten die religiösen Parteien. Schas erhöhte ihre Vertretung in der Knesset von 6 auf 10 Sitze. Die europäische ultraorthodoxe United Torah Judaism blieb bei vier Mandaten. Einen Zuwachs von 6 auf 9 Sitze konnte sich die Nationalreligiöse Partei zuschreiben.

Auch die arabischen Parteien konnten einen Stimmenzuwachs verzeichnen, der mit der hohen Wahlbeteiligung der arabischen Bevölkerung (77 Prozent gegenüber 69 Prozent im Jahre 1992) zu erklären ist. Das Wahlverhalten der israelischen Araber kann statistisch wie folgt beschrieben werden:

 

  • Chadash bekam 36,8 Prozent der arabischen Stimmen.
  • United Arab List bekam 25,5 Prozent der arabischen Stimmen.
  • Die Arbeitspartei bekam 16,6 Prozent der arabischen Stimmen.
  • Meretz bekam 10 Prozent der arabischen Stimmen.

 

Als bisher unbekannte Kraft etablierte sich mit 7 Sitzen die Partei der russischen Einwanderer Israel Ba'Aliya, die von dem früheren Dissidenten Nathan Scharansky geführt wird. Ihr Ziel ist vor allem die bessere Integration der über 600.000 Einwanderer aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion.

Schließlich wird der „Dritte Weg" erstmals in der Knesset vertreten sein. Diese Abspaltung der Arbeitspartei unter dem Golan-Bewohner und früheren General Avigdor Kahalani tritt vor allem für ein Ziel ein: Niemals den Golan preisgeben.

Für den designierten Premierminister Netanyahu gilt es nun, eine Regierungskoalition zusammenzustellen. Verhandlungen sind mit den Parteien des rechten Blocks einschließlich der religiösen Parteien, des Dritten Wegs und der russischen Juden aufgenommen worden. Die Direktwahl macht Netanyahu in größerem Maße unabhängig von der Knesset. Parteien können jetzt nur mit ihm über die Regierungsbildung verhandeln. Die Knesset muss zwar sein Kabinett bestätigen, doch sie kann so lange kaum einen bindenden Einfluss auf seine Politik nehmen, solange sein Kabinett über eine Mehrheit in der Knesset verfügt. Laut Gesetz hat der neue Premierminister 45 Tage Zeit, um sein Kabinett und ein Regierungsprogramm vorzustellen. Falls Verhandlungen mit den kleineren Parteien, insbesondere mit den Religiösen, aufgrund maximalistischer Forderungen scheitern sollte, kann Netanyahu immer noch auf eine große Koalition mit der Arbeitspartei zurückgreifen. Diese wurde von keiner Seite ausgeschlossen.

Wie die zukünftige israelische Politik tatsächlich aussehen wird, ist schwer vorherzusagen. Klar ist, und dies bestätigen alle Umfragen, dass ein überwiegender Anteil der israelischen Bevölkerung einen Frieden mit den Arabern will. Frieden bedeutet für die Juden Israels in erster Linie ein Leben ohne Angst und Terror. Peres, geachtet als Staatsmann, der in den Augen vieler ein Mensch mit der Fähigkeit ist, zukünftige langfristige Entwicklungen vorauszusehen, war nicht in der Lage, gleichzeitig die Rolle Rabins zu übernehmen. Die jüdische Bevölkerung hat ihm nicht mehr zugetraut, ihr die für sie so entscheidende und notwendige Sicherheit geben zu können. Sie hat sich gegen Peres entschieden und damit Netanyahu an die Macht gebracht.

Dazu kamen viele taktische Fehler: Im Hinblick auf das zukünftige Kräfteverhältnis in seiner Partei und der Regierung hat Peres den in Israel hochgeachteten jetzigen Außenminister und früheren Generalstabschef Ehud Barak nicht als ebenbürtigen Partner dem Wählervolk präsentiert. Er hätte in den Augen vieler Israelis die Rolle des „Mr. Security”, mit der Rabin gern vom Volk betrachtet würde, übernehmen können. Stattdessen erklärte Peres noch während des Libanonfeldzuges, dass er sich vorstellen könne, auch in der nächsten Regierung das Amt des Verteidigungsministers zu übernehmen. Die Wahlkampforganisation der Arbeitspartei war gekennzeichnet durch persönliche Streiterei und Rivalität führender Köpfe. Über Monate hatte man versäumt, sich auch personell um die russischen jüdischen Neueinwanderer zu kümmern. Trotz der erstaunlichen Integration von über 600.000 jüdischen Einwanderern in den letzten Jahren fühlten sie sich deklassiert und von der Regierung allein gelassen. Nur so ist zu erklären, warum eine eigens für ihre Angelegenheiten gegründete Partei einen so großen Zulauf hatte. Die arabischen Israelis waren nicht nur empört über Kfar Kana und die fortgesetzte Abriegelung der besetzten Gebiete, sondern enttäuscht darüber, dass die Regierung ihnen trotz ihrer Unterstützung in der Knesset, dem israelischen Parlament, niemals einen entsprechenden politischen Einfluss gewähren wollte.  Mit der Absage weißer Stimmzettel wollten sie Peres einen Denkzettel verpassen. Dass dies das Ende von Peres bedeuten würde, hatte man sich nicht vorstellen können.

Viele hatten den Parteivorsitzenden des Likud vollkommen unterschätzt. In der israelischen Presse wurde er als Leichtgewicht abgetan. Erst jetzt erkennt man, dass die Übernahme des Parteivorsitzes im Likud nach nur einer Legislaturperiode, dass die politische und finanzielle Konsolidierung seiner nach der Wahlniederlage 1992 durch Personalquerelen und finanzielles Missmanagement am Boden liegenden Partei und dass die Ausschaltung sämtlicher Rivalen nicht nur innerhalb seiner Partei, sondern aus dem gesamten rechten Parteienspektrum, eine organisatorische und politische Meisterleistung waren.

Welche Politik der designierte Premierminister aber nun verfolgen wird, bleibt im Dunkeln. In einer ersten öffentlichen Rede nach den Wahlen hatte Netanyahu versucht, den Besorgnissen der Weltöffentlichkeit um die Fortsetzung des Friedensprozesses entgegenzutreten: „Die Regierung, die wir bilden werden, wird an einer Verstärkung des Friedens mit den Ägyptern, den Jordaniern, den Palästinensern arbeiten, und wir werden versuchen, mit den anderen arabischen Staateneine Koexistenz herzustellen”. Wie er dies mit den vier Forderungen des Likuds: Nein zu einem palästinensischen Staat, Nein zur Teilung Jerusalems, Nein zu Zugeständnissen auf dem Golan und Ja zum Ausbau der Siedlungen in Einklang bringen will, bleibt abzuwarten. Eines ist allerdings jetzt schon klar: Netanyahu will seine ihm durch die Verfassung gegebenen Rechte voll ausschöpfen, er will Israel im Stile eines amerikanischen Präsidenten führen.

 

*Die ursprüngliche Fassung entstand vor der Rechtschreibreform. Die vorliegende Version wurde an die aktuelle Rechtschreibung angepasst.

Agregátor obsahu

Kontakt Dr. Gerhard Wahlers
Dr. Gerhard Wahlers
Stellv. Generalsekretär und Leiter der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit
Gerhard.Wahlers@kas.de +49 30 26996-3260 +49 30 26996-3567
Kontakt

Dr. Sören Soika

Dr
Chefredakteur Auslandsinformationen (Ai)
soeren.soika@kas.de +49 30 26996 3388

comment-portlet

Agregátor obsahu

Agregátor obsahu