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Gunther Krichbaum; Urheber Jan Kopetzky

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"Es kommt viel auf uns zu"

Was nun in Europa

Live-Gespräch auf Facebook mit dem Vorsitzenden des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union Gunther Krichbaum, MdB (CDU) - 23. Juni 2020, 17 Uhr.

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Deutschlands EU-Ratspräsidentschaft – „Es kommt viel auf uns zu“

Mit Blick auf die „sehr schwierigen Zeiten“ für die Europäische Union, spricht Krichbaum von der wichtigen Aufgabe der Deutschen EU- Ratspräsidentschaft, Europa wieder zusammenzuführen. Vieles sei mit Ausbruch der Corona-Pandemie auseinandergedriftet, da jeder Staat „das gemacht hat, was er am liebsten macht“, und für sich alleine gehandelt habe ohne Abstimmung mit den Nachbarstaaten – „man denke nur an die Grenzschließungen“ , so der Baden-Württemberger. Jetzt sei es deshalb wichtig, in Solidarität gemeinsame Hilfsmaßnahmen auf den Weg zu bringen und Zukunftsthemen zu setzen. Krichbaum dämpfte jedoch auch die Erwartungen: „In sechs Monaten werden wir weder die Welt noch Europa retten“. Zu den Megathemen der Ratspräsidentschaft zählt er die Re-Dynamisierung der Wirtschaft Europas. Denn nicht nur Deutschland als Exportnation stünde vor der schwersten Rezession seit dem zweiten Weltkrieg, erklärte Krichbaum. Ferner blieben die großen Themen Brexit, mehrjähriger Finanzrahmen, China, Afrika, Klimapolitik, Migration und „natürlich die zukunftsorientierten Themen der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz“. Normalerweise kämen etwa 90 Prozent der Initiativvorhaben während einer Ratspräsidentschaft aus Brüssel. Aufgrund der kurzen Zeit der Europäischen Kommission im Amt und der Corona-Pandemie, sei dieses Mal aber vieles anders. Es komme viel auf uns zu.

Auf die Frage, ob auch große Integrationsschritte angepackt werden könnten oder die EU dafür bereits zu groß geworden sei, verwies Krichbaum, der auch Vorsitzender der Deutsch-Französischen Parlamentariergruppe ist, auf die Konferenz zur Zukunft Europas. Diese solle unter Einbeziehung der Bürger auch mögliche Vertragsänderungen behandeln. Allerdings gebe es Länder, die bereits jetzt solche Änderungen ausschließen, während andere darauf drängen. Außerdem existiere noch der Prozess der verstärkten Zusammenarbeit, bei welchem eine Gruppe von Ländern gemeinsam voranschreiten könne. Ein Beispiel hierfür sei PESCO, die ständige strukturierte Zusammenarbeit  in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Bezogen auf die Frage einer gemeinsamen europäischen Armee sprach Krichbaum von einem „langen Weg“ und verwies auf das Scheitern dieses Projektes an der französischen Nationalversammlung in den 1950er Jahren. „Es ist schon viel gewonnen, wenn wir es innerhalb der nächsten zwei Jahre schaffen würden, alleine das Beschaffungswesen zu standardisieren und effizienter zu machen“. Während die USA mit 30 Waffensystemen auskämen, „gönnen sich die Staaten der Europäischen Union über 200“, so Krichbaum. Deutschland exportiere Leopard II Panzer in die Niederlande, dort würden Sie einem deutschen Kommando unterstellt, die Panzer würden allerdings in den Niederlanden mit einem anderen Getriebe ausgerüstet. „Ob das alles so sinnstiftend ist, mag man wirklich in Zweifel ziehen“, betonte der Vorsitzende des Europaausschusses.

 

Sprechen wir über Geld

„Folgt auf die nationalen Schulden eine europäische Verschuldung, die laut der Verträge gar nicht erlaubt ist? Bekommen wir eine Schuldenunion?“ Auf diese Frage des Moderators, die sich auf die geplante Schuldenaufnahme durch die EU-Kommission bezog, antwortete der Parlamentarier mit einem klaren „Nein“. Es sei vielmehr so, dass außergewöhnliche Zeiten außergewöhnliche Maßnahmen verlangten.
Als Vorsitzender der Deutsch-Französischen Parlamentariergruppe sei er froh, dass der 500 Milliarden Euro umfassende Deutsch-Französische Kompromissvorschlag anders als mit Krediten operiere. Portugal habe eine Staatsschuldenquote von 117 Prozent. Wenn man mit Krediten arbeiten würde, würde Portugal auf 130 oder mehr Prozent zurückgeworfen und damit auf den Stand nach der Finanzkrise von 2008/2009 „mit allen Konsequenzen“. Dies sei die Zeit gewesen, als gegen den Euro gewettert wurde. Ob die EZB bereit wäre, ein „Whatever it takes“-2.0 aufzulegen, vermochte Krichbaum nicht zu sagen. „Wir haben ein großes Eigeninteresse daran, dass die Länder schnell wieder auf die Füße kommen“. Es ginge nicht darum, deren Schulden zu übernehmen, dies verböten die Verträge. Ein Eigenmittelbeschluss sei hingegen rechtsfest, so Krichbaum.

Wäre man für eine Vergemeinschaftung von Schulden, so bedürfte dies einer Vertragsänderung, was in manchem Mitgliedstaat ein Referendum erfordere. „Dabei sage ich jetzt schon: Viel Spaß “. Man müsse dann aber auch den zweiten Schritt gehen, über den nie gesprochen werde, nämlich die Schaffung eines echten Haushaltskommissars. Dieser benötige dann eine Befugnis über die nationalen Haushalte, was auch die südeuropäischen Länder nicht wollten, weil sie dann ihre Haushaltsautonomie nach Brüssel abgeben müssten. „Aber wer A sagt, muss auch B sagen“ - wer die Vergemeinschaftung von Schulden einfordere, brauche auch einen Haushaltskommissar mit echten Kompetenzen. Dies sei jedoch ohnehin nicht das Modell der CDU/CSU-Fraktion.

 

„Volljuristen und keine Vollpfosten“

Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Staatsanleihen-Kaufprogramm der EZB, fand Krichbaum klare Worte.

Zunächst stellte er klar, dass das Urteil eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, welche die EZB darlegen solle, eingefordert. Die EZB sei jedoch unabhängig und könne nicht vorgeladen werden und man könne ihr auch keine Vorgaben machen. Es sei bei Gründung der EZB die Position Deutschlands gewesen, dass die Zentralbank nach Vorbild der Bundesbank unabhängig sein sollte. Innerhalb ihres Mandates sei die EZB unabhängig. Über das Mandat gingen jedoch die Meinungen auseinander. Dies auszulegen sei Aufgabe des Europäischen Gerichtshofes, so Krichbaum. Wenn sich ein nationales Verfassungsgericht vorbehalte, es wolle das letzte Wort haben, indem es die Kompetenzen einer europäischen Institution wie der EZB beurteilt, so sei dies nicht unproblematisch. Er habe das Urteil gelesen und störe sich insbesondere an der Diktion: „Ich finde es einfach nicht in Ordnung, wenn dann von offensichtlicher Rechtswidrigkeit sinngemäß gesprochen wird, die der EuGH anscheinend an den Tag gelegt hat“. So gehe man untereinander als Richter nicht um. Beim EuGH in Luxemburg seien auch „Volljuristen und keine Vollpfosten“ am Werk, so der Jurist Krichbaum. Selbstverständlich werde der Bundestag das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aufgreifen und umsetzen. Er bemerkte aber auch: Die Hauptaufgabe der EZB sei die Währungsstabilität und man könne nicht behaupten, dass sie dieser Aufgabe nicht gerechte werde. Der Euro sei stabiler als die D-Mark je war.

 

Angesprochen auf die Analyse des ehemaligen Verfassungsrichters Prof. Dieter Grimm, dass die europäische Integration durch ein Übermaß an Konstitutionalisierung einen Stand erreicht habe, „hinter dem kein artikulierter demokratischer Wille“ stehe („Jetzt war es so weit“ in FAZ vom 18.05.2020), sagte Krichbaum, er teile diese Auffassung ausdrücklich nicht. Auch vor dem Hintergrund der ständig zu hörenden Kritik an einem Demokratiedefizit der EU, betonte der Vorsitzende des Ausschusses für die Angelegenheiten der EU, ihm sei kein staatlicher Zusammenschluss und keine Union bekannt, „die demokratisch so durchlegitimiert wäre wie die Europäische Union“. Erverwies diesbezüglich auf die Direktwahl des Europäischen Parlaments, auch wenn dieses  einst vom Bundesverfassungsgericht im Urteil zur Prozenthürde sinngemäß so eingestuft worden sei, dass es „in Wahrheit gar kein richtiges Parlament sei“. Diese Interpretation sei aber  „so nicht in Ordnung“, erklärte Krichbaum.

 

Das Europäische Parlament hat sich beim Spitzenkandidatenprinzip selbst besiegt

Zur Frage des Demokratiedefizites hakte Markett nach, ob man nicht mit Blick auf das Spitzenkandidatensystem von einem solchen Defizit sprechen könne. Gunther Krichbaum erklärte, dass man immer mit Gesichtern in den Wahlkampf ziehen wollte und deshalb Manfred Weber von der Europäischen Volkspartei (EVP) nominiert worden sei. Rückblickend stellte er  fest, dass bei der vorherigen Konstellation der Spitzenkandidaten Juncker und Schulz 2014 ein „funktionierendes Europäisches Parlament“ vorhanden gewesen sei, da Schulz seine Niederlage anerkannte und Juncker so Kommissionspräsident werden konnte. „Martin Schulz wusste ganz genau“, dass das Spitzenkandidatensystem ansonsten „tot“ gewesen wäre. Bei der vergangenen Europawahl habe es hingegen plötzlich inklusive Frau Vestager von den Liberalen und mit Frans Timmermanns von den Sozialdemokraten am Wahlabend  zweieinhalb Spitzenkandidaten gegeben. Das Europäische Parlament habe sich anschließend in seiner Konstellation in den Fraktionen nicht auf einen Kandidaten einigen können. „Das Europäische Parlament hat sich, sorry wenn ich das an der Stelle so deutlich sage, selbst besiegt“, so Krichbaum. Es sei ein Vakuum entstanden, in das der Europäische Rat hineingestoßen sei. Macron und Orban hätten Vorbehalte gegen Weber gehabt. Es gebe zwarin dieser Frage kein Einstimmigkeitsprinzip, aber „einen Kommissionspräsidenten ins Amt zu bringen, der dann mehr oder weniger knapp gewählt wird“, sei keine gute Grundlage. „Das war schade“, aber der Prozess wäre anders gelaufen, wenn sich das Europäische Parlament im Sinne des „großen Ganzen“ hätte einigen können. „Damit hat man natürlich ein Glaubwürdigkeitsproblem geschaffen“, so Krichbaum.

 

„Ein klarer Akzent auf Zukunft“  

Auf die Frage, ob die junge Generation sich Sorgen machen müsse, ob der jetzt wieder steigenden Verschuldung, argumentierte der Bundestagsabgeordnete , diese brauche sich nicht zu beunruhigen. Die Kernfrage sei doch, welche Werte mit den Schulden geschaffen würden bzw. den Schulden gegenüberstünden und was die Alternative in der jetzigen Krise sei. Ohne die erneute Schuldenaufnahme  stünde den Staaten nicht nur eine Rezession, sondern vielleicht sogar  eine große Depression bevor. „Wenn ich eine Million Euro Schulden habe, aber mir gehört dafür die Königsstraße in Stuttgart“, auch wenn dies nach dem jüngsten gewaltsamen Krawallen dort ein belasteter Vergleich sei, „dann bin ich trotzdem ein reicher Mann“, erklärt Krichbaum. Es komme auf die Relation an. Wichtig für die jüngere Generation sei, dass ein „klarer Akzent auf Zukunft“ gesetzt werde, dass Geld also zum Beispiel für Digitalisierung und künstliche Intelligenz eingesetzt werde, damit die Europäische Union und Deutschland sich im globalen Wettbewerb behaupten können.

 

Sand im Getriebe des Deutsch-Französischen Motors?

In Bezug auf den bisweilen stockenden „deutsch-französischen Motor“ in der EU verwies Krichbaum zunächst auf die Unterschiedlichkeit beider Länder, weshalb immer wieder  Kompromisse gefunden werden müssten, was auch der 500 Milliarden umfassende Vorschlag zu einem Corona-Aufbaufonds zeige. Der Vertrag von Aachen stehe als Fortsetzung des Elysee-Vertrages ferner für stabile bilaterale Beziehungen. Mit  der neuen Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung seien zudem jetzt auch die Parlamente im bilateralen Verhältnis stärker engagiert.

Auf die Frage, ob das Weimarer Dreieck als Plattform zwischen Deutschland, Frankreich und Polen helfen könnte, die Konflikte innerhalb der EU auch mit der Visegrád-Gruppe (bestehend aus Polen, Ungarn, der Tschechischen Republik und der Slowakei) zu beheben, betonte Krichbaum, dass das Format weiter genutzt werde. Es sei hier jedoch von polnischer Seite auf Regierungsebene in den letzten Jahren ruhiger geworden. Für die parlamentarische Ebene stellte Krichbaum dagegen fest, dass „das Weimarer Dreieck lebt“. Mit Blick auf die Visegrád-Gruppe plädierte Krichbaum dafür, solche informellen Gruppen, von denen es mit den  „sparsamen Vier“ (Niederlande, Dänemark, Schweden und Österreich) oder der Hanse-Gruppe ja mehre gebe, nicht über zu bewerten, sondern als Teile eines Ganzen zu sehen, die  jedoch nicht zu einer Fragmentierung der EU führen dürften.

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