Der Gordische Knoten
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Auch beinahe ein Vierteljahrhundert nach Zusammenbruch der Sowjetunion ist die Frage nach dem völkerrechtlichen Status des Kaspischen Meers weiterhin unklar. Die Definition des größten Binnengewässers der Welt als Meer oder als See hat dabei große Implikationen für die Erschließung der Öl- und Gasvorkommen des Kaspischen Meeres durch die Anrainerstaaten. Je nach Status würden die Lagerstätten der Erdöl- und Erdgasreserven unterschiedlich aufgeteilt werden. Die Unklarheit über die völkerrechtliche Definition ist somit ein Hindernis für die Exploration fossiler Reserven und die transkaspische Zusammenarbeit der Anrainerstaaten, insbesondere zwischen den schiitischen Nachbarstaaten Aserbaidschan und dem Iran, der über eine signifikante aserbaidschanische Minderheit verfügt. Sowohl Iran als auch Russland treten bislang aus geopolitischen Erwägungen als „Bremser“ transkaspischer Zusammenarbeit und einer Lösung der ungeklärten Statusfrage in Erscheinung.
Vor dem Hintergrund der Ereignisse auf der Krim und in der Ostukraine ist das Interesse der Europäischen Union an der Kaspischen Region als alternativer Energiekorridor zu russischen fossilen Vorkommen gestiegen. Der sogenannte „Südliche Korridor“ soll hierbei zur Energiesicherheit und Energiediversifizierung der EU beitragen. Um einen signifikanten Beitrag zu leisten, wäre jedoch die Einspeisung zentralasiatischer Ressourcen mittels einer transkaspischen Pipeline oder die Anbindung iranischer Rohstoffvorkommen notwendig. Die ungeklärte Definition des Kaspischen Meeres sowie nationalstaatliche Motive verhindern bislang jedoch die Verwirklichung eines solchen Projekts. Zur Lösung der ungeklärten Statusfrage und mit Hinblick auf eine Förderung transkaspischer Kooperation empfiehlt der Autor der Publikation verschiedene multilaterale Gesprächs- und Verhandlungsformate.
Diese Publikation stellt die Meinung des Autors dar und spiegelt nicht grundsätzlich die Meinung der Konrad-Adenauer-Stiftung wider.