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Entkommunisierung in Bulgarien

Am 3. November 2022 fand in Sofia in Zusammenarbeit mit der Vereinigung „Würde, Verantwortung, Moral“ eine Konferenz über die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit statt.

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Die Veranstaltung wurde vom Vorsitzenden der Vereinigung „Würde, Verantwortung, Moral“, Iwan Sotirow und dem Leiter der KAS Sofia, Norbert Beckmann-Dierkes, eröffnet. Iwan Sotirow verwies darauf, dass der Prozess der Entkommunisierung in Bulgarien nach 1989 nicht konsequent betrieben wurde. Das größere Problem sei inzwischen die Nachwirkung der kommunistischen Mentalität als die eigentlichen alten kommunistischen Kader, die allmählich aus Altersgründen aussterben würden. In Bulgarien seien sogar Anzeichen einer Rekommunisierung zu beobachten. Deshalb sei es am wichtigsten, eine mentale Entkommunisierung zu erreichen. Eine Zukunft ohne Erinnerung an die Vergangenheit sei nicht möglich.

Norbert Beckmann-Dierkes betonte, dass das Thema der Erinnerung nie erschöpfend zu behandeln sei. Eine freiheitliche Demokratie in Europa, Bulgarien und Deutschland sei ohne Erinnerungskultur unmöglich. Demokratie und Freiheit seien keine Selbstverständlichkeiten, sondern müssten immer wieder neu erkämpft werden. Die KAS habe eine lange Tradition bei dem Thema Aufarbeitung der Vergangenheit, die fortgesetzt werden müsse.

Aus Deutschland war als Referent zu der Veranstaltung Dr. Stefan Donth, Leiter des Zeitzeugenarchivs der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, angereist. Sein Vortrag war auf seiner reichen Erfahrung om Umgang mit Zeitzeugen und Repressierten in der ehemaligen DDR gegründet. Es sei von  großer Bedeutung, die Erinnerungen an diese Zeit zu sichern. Das könne in vielfältiger Form geschehen, in Hohenschönhausen nicht zuletzt durch Filmdokumente, was ein sehr empfehlenswertes Format sei. Man habe bereits ca. 850 derartige Interviews geführt. Danach erfolge die wissenschaftliche Auswertung der geführten Gespräche. Zeitzeugen müssten auch die Schulen geschickt werden, wo sie ihre Erinnerungen teilen und ihre Erfahrung an die junge Generation weitergeben könnten. In Kooperation mit der Berliner Charité werde an der medizinischen Bewältigung der physischen und psychischen Folgen infolge der schlechten Haftbedingungen für die Repressierten in der DDR gearbeitet.

Von bulgarischer Seite hielt Latschesar Toschew einen Vortrag über die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit im Land. Er erinnerte an den Beginn der demokratischen Bewegung in Bulgarien und die ersten Proteste, die zum Sturz des kommunistischen Regimes 1989 geführt hätten. Er gab einen ausführlichen Überblick über die Versuche zur Lustration nach 1989, also die Entfernung von kommunistisch belasteten Personen aus dem öffentlichen Dienst durch gesetzliche Regelungen. Es habe zahlreiche solche Anläufe gegeben, die aber letztlich alle vom Verfassungsgericht aufgehoben worden seien.

In der anschließenden Diskussion meldeten sich viele Teilnehmer zu Wort. Aus den Wortmeldungen war eine allgemeine Unzufriedenheit über den Stand der Entkommunisierung und der Aufarbeitung der Vergangenheit zu erkennen. Es wurde darauf verwiesen, dass 33 Jahre nach 1989 viele Nachkommen der ehemaligen kommunistischen Nomenklatur-Kader in leitenden Positionen in Staat, Wirtschaft und Medien befänden. In den ersten Jahren nach dem Fall des Kommunismus sei die Nachfolgepartei der BKP, die BSP, längere Zeit direkt oder indirekt an der Regierung beteiligt gewesen, was der Demokratisierung des Landes nicht förderlich gewesen sei. Außerdem seien die demokratischen, antikommunistischen Kräfte nicht geeint gewesen. Bemängelt wurde u.a., dass viele Straßen in Bulgarien noch immer die Namen ehemaliger hochrangiger kommunistischere Würdeträger führen würden. Der Faschismus und Kommunismus seien heute zwar moralisch verurteilt, gegenüber dem Kommunismus gebe es aber eine größere Toleranz.

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