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Mexikos Versagen

Pressemitteilung

Die überregionale deutsche Zeitung Die Welt hat einen Artikel über die aktuelle Situation in Mexiko angesichts COVID-19 veröffentlicht. Der Autor analysiert und erläutert darin das aktuelle Vorgehen der mexikanischen Regierung im Umgang mit der Pandemie durch COVID-19. In diesem Artikel wird Hans Blomeier, Büroleiter der KAS Mexiko zitiert, der erklärt, dass sich die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zwar noch nicht abschätzen lassen, jedoch alles darauf hindeutet, dass die mexikanische Wirtschaft stark davon betroffen sein wird.

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WELTplus vom 19.05.2020 14:36:35 / Ressort: Politik

Ähnlich wie der rechtspopulistische Präsident Brasiliens ignorierte Mexikos Regierungschef die Corona-Krise. Nun
steigen die Infektionszahlen in Rekordtempo, das Gesundheitssystem wankt. Und die schwerste Krise steht noch
bevor.

Wir wollen doch nicht übertreiben", entgegnete Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador noch Mitte März mit leicht spöttischem Unterton seinen Kritikern, die ihm einen unverantwortlichen Kurs in der Corona-Krise vorwarfen. Damals schien das Virus noch weit weg, Mexiko war kaum betroffen, und López Obrador wollte daher nichts wissen von Schutzmaßnahmen und Ausgangssperren, die eine drohende Ausbreitung hätten verhindern können. "Wenn wir eine übereilte Entscheidung treffen, schadet das nur der Wirtschaft, und wir versetzen die Bevölkerung in Panik", sagte López Obrador.

Inzwischen ist genau das passiert, hat Mexiko die ganze Wucht der Krise erreicht. Das nordamerikanische Land meldete zuletzt 2075 Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Und die Behörden warnen, dass die tatsächliche Anzahl der Fälle bis zu neunmal größer sein könnte, weil viele der Infizierten nicht zum Arzt gehen oder nicht richtig diagnostiziert würden. Trotzdem kündigt López Obrador bereits einen Plan zur schrittweisen Wiederaufnahme der Wirtschaftstätigkeit an. Eine riskante Strategie mit unabsehbaren Nebenwirkungen.

Von Beginn an wehrte sich der Linkspopulist, den seine Kritiker ob seiner Verachtung gegenüber den Institutionen und der Verharmlosung der Pandemie auch gerne den "linken Bolsonaro" nennen, gegen die weltweite Strategie von Quarantäne und Isolation. Ähnlich wie der rechtspopulistische brasilianische Präsident Jair Bolsonaro versucht sich López Obrador als Anwalt des kleinen Mannes zu inszenieren.

López Obrador setzte sich im März noch in Linienflugzeuge und ging wie Bolsonaro keiner Menschenansammlung aus dem Weg. Bei einem seiner Ausflüge begrüßte er die hochbetagte Mutter des legendären, in den USA inhaftierten Drogenbarons Joaquín "El Chapo" Guzman, María Consuelo Loera, per Handschlag. Und das, obwohl die 92-Jährige klar zur Hochrisikogruppe zählt.

Doch als er bei einer seiner täglichen Pressekonferenzen zwei Amulette vorzeigte, die ihm Anhänger geschenkt hatten, begannen selbst hartgesottene Fans an ihrem Präsidenten zu zweifeln. Denn "AMLO", wie ihn seine Anhänger in Anlehnung an die ersten vier Buchstaben seines vollständigen Namens nennen, machte den Mexikanern klar: Seine Ehrlichkeit und die Heiligenbildchen schützen ihn vor einer Infektion.

Nach dieser Lesart würde jeder, der sich mit dem neuartigen Coronavirus angesteckt hat, es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Einige Mexikaner konnten über diese Episode noch schmunzeln, andere reagierten fassungslos. Denn zugleich signalisierte López Obrador dem Volk mit seinem Verhalten, was er von den Empfehlungen der Experten tatsächlich hält. Gar nichts.

Inzwischen kippt die Stimmung
Ein solches Verhalten verursacht ähnlich wie in Brasilien große Kollateralschäden. Die Meldungen über Angriffe auf Krankenhausmitarbeiter beispielsweise häufen sich, sie gelten als Sündenböcke, als Überbringer schlechter Nachrichten, wenn sie öffentlich über Probleme in den Hospitälern berichten.
Doch inzwischen kippt die Stimmung im Land. Mehr als 5000 Menschen sind in Mexiko nach offiziellen Angaben im Zusammenhang mit dem neuartigen Coronavirus gestorben. Und die Kurve zeigt weiter nach oben: Die offiziellen Zahlen der von der mexikanischen Regierung bestätigten Infektionen liegen inzwischen bei mehr als 47.000.

Und López Obrador spürt nun die Konsequenzen seiner Strategie: "Es gibt zum ersten Mal seit seinem Wahlsieg einen spürbaren Rückgang der Zustimmungswerte für den Präsidenten. Der weitere Verlauf der Krise wird auch über den Erfolg der Präsidentschaft entscheiden", sagt Hans Blomeier von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mexiko-Stadt im Gespräch mit WELT.

Hinzu kommt, dass die Umsetzung seiner Wahlversprechen stockt. Die Mordrate, deren Senkung eines seiner zentralen Ziele war, ist unter López Obrador noch einmal gestiegen. Macht und Einfluss der Drogenkartelle, die sich während der Pandemie mit dem Verteilen von Lebensmittelpaketen an ärmere Bevölkerungsgruppen als volksnah inszenierten, scheinen sogar noch einmal gestiegen.

Ungeachtet der steigenden Infektionszahlen drängt López Obrador auf eine schnelle Öffnung der Wirtschaft und stellt sichdamit teilweise sogar gegen seine eigene Regierung und die regionalen Instanzen. Große Teile der mexikanischen Regierung fürchten, dass das Land die schlimmste Phase der Epidemie noch gar nicht überstanden hat und das schon vor López Obrador chronisch unterfinanzierte Gesundheitssystem in arge Bedrängnis kommen dürfte. Der Präsident aber meint: Mexiko habe das Coronavirus gebändigt. Nun sollen in den am wenigsten betroffenen Regionen die Zügel gelockert werden.

Mexiko drohen Wirtschaftskrise und Polarisierung

Es ist vor allem die Angst vor den ökonomischen Folgen der Krise, die López Obrador umtreibt. "Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sind noch gar nicht abschätzbar, aber es deutet vieles darauf hin, dass es die mexikanische Wirtschaft hart treffen wird", sagt Blomeier.

Auch Politologe Enrique Dussel Peters, Professor für Wirtschaft und Direktor für mexikanisch-chinesische Studien an der Universität UNAM in Mexiko-Stadt, sieht schwierige Zeiten auf das Land zukommen. "Wir sprechen über die schlimmste Krise in Mexiko, seit es statistische Erfassungen gibt", sagt Dussel Peters im Gespräch mit WELT. Und die habe weitreichende Folgen, fürchtet er.

Es gebe Kräfte innerhalb der mexikanischen Gesellschaft, die den Präsidenten grundsätzlich für alles verantwortlich machten und diese Krise nun nutzen wollten, um López Obrador loszuwerden. Das führe zu einer dramatischen Polarisierung der Gesellschaft. "Und diese Polarisierung wird in den nächsten Wochen und Monaten sogar noch weiter zunehmen." Mexiko steht eine schwere Zeit bevor.

Tobias Käufer
Bogotá

Bildunterschrift: Arbeiter in Schutzanzügen bei einer Beerdigung in Tijuana im Zuge der Covid-19-Pandemie: Mexiko ist von der Krise stark betroffen
Medizinische Ausrüstung wird streng bewacht
Angestellte eines Krankenhauses nehmen Abschied von einem Kollegen, der an Covid-19 gestorben ist
Andrés Manuel López Obrador, Präsident von Mexiko, auf seiner täglichen Pressekonferenz

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