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von Dr. Kristin Wesemann, Britta Weppner, Elena Dozorceva

Tabaré Ramón Vázquez Rosas ist abermals Präsident Uruguays

Zum dritten Mal in Folge stellt das uruguayische Linksbündnis Frente Amplio den Präsidenten. Das neu gewählte Staatsoberhaupt Tabaré Vázques verspricht gleichwohl eine konservative Agenda.

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Tabaré Ramón Vázquez Rosas ist abermals Präsident Uruguays. Am Sonntag hat der 74-Jährige Sozialist die Stichwahl gegen Luis Lacalle Pou von der Partido Nacional (Nationale Partei) klar gewonnen. Knapp 54 Prozent der 2,6 Millionen wahlberechtigten Uruguayer stimmten für den Sozialisten – aber auch für die Politik seines Vorgängers José „Pepe“ Mujica. Die Frente Amplio, ein Bündnis aus 40 Parteien und Gruppierungen (darunter Kommunisten und Christdemokraten), stellt bereits das dritte Mal hintereinander das Staatsoberhaupt des kleines Landes am Río de la Plata.

In den letzten Tagen und Wochen der Wahlkampagne war es ungewöhnlich ruhig um die beiden Präsidentschaftskandidaten geworden. Es gab kaum noch Versuche, die Wähler im Endspurt zu überzeugen. Im Gegenteil, auf der uruguayischen Politikbühne ließen sich die beiden Anwärter auf das höchste Staatsamt nur selten sehen. Es gab weder Fernsehduelle noch Großveranstaltungen. Vor allem der Arzt Tabaré Vázquez, der schon von 2005 bis 2010 regiert hatte und am Ende mit einer Zustimmungsrate von mehr als 70 Prozent aus dem Amt geschieden war, wollte augenscheinlich vor allem eines: jeden Fehler vermeiden.

Luis Lacalle Pou hatte das Land mit einem modernen, ansprechenden und jungen Wahlkampf eine Zeit lang in Entscheidungsnot gebracht. So attraktiv erschien der gerade einmal 41 Jahre alte Kandidat einer der ältesten Parteien der Welt, dass Meinungsforscher ihm zwischenzeitlich sogar Siegchancen gegeben hatten.

Absehbarer Sieg

Ohne ein großes Treffen wollte Vázquez seine Anhänger gleichwohl nicht an die Urnen lassen. Im Stadion Centenario von Montevideo, Austragungsort des ersten Fußballweltmeisterschaftsendspiel im Jahre 1930, ließen er und Raúl Sendic, sein Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, in aller Ruhe alte und neue Erfolge zelebrieren – ohne dabei allzu politisch zu werden. Dabei hatten ihnen Lacalle Pou und die Partido Nacional das Regierungsprogramm diktiert. Auch die frenteamplistas, die Anführer und Anhänger des Linksbündnisses, wollen jetzt einen gemäßigten Aufbruch statt Kontinuität pur.

Zwar ist Uruguay im kontinentalen Vergleich inzwischen Musterschüler, weil Armut, Arbeitslosigkeit oder Unsicherheit (vorerst) gelöste Probleme sind. Nur noch sechs Prozent der Uruguayer sind Umfragen zufolge mit ihrer wirtschaftlichen Situation unzufrieden. Allerdings rücken nun andere, weichere Themen ins Blickfeld. Lacalle Pou bescheinigte dem Land Nachholbedarf in öffentlicher Bildung, Sicherheit, Gesundheit, Umweltschutz sowie internationaler Integration und setzte damit auch Vázquez im Wahlkampf unter Druck. Der einstige Präsident griff diese Themen notgedrungen auf.

Letztlich profitierte er vor allem von der fehlenden Wechselstimmung in Uruguay. Zudem hatten die Anhänger des im ersten Wahlgang Drittplatzierten Pedro Bordaberry (Partido Colorado) doch nicht geschlossen für Lacalle Pou gestimmt. Denn obwohl der “Rote” Bordaberry ihnen die Wahl Lacalle Pous noch am Abend der ersten Abstimmung nahegelegt hatte, war dies für traditionelle Colorados nicht einfach. Schließlich gehört der Widerstreit zwischen “Weißen” (PN) und “Roten” zur politischen DNA Uruguays.

Das Ergebnis zeigt, dass die Uruguayer den Traditionsbruch von 2005 weiterhin unterstützen. Damals kam die Wahl von Tabaré Vázquez als erstes linksgerichtetes Staatsoberhaupt einer Erschütterung des politischen Systems gleich. Denn zuvor hatten sich mehr als 150 Jahre lang die beiden Traditionsparteien Partido Nacional und Partido Colorado beim Regieren abgewechselt. Doch dann, Mitte der Nuller-jahre, steckte Uruguay in einer tiefen sozialen und wirtschaftlichen Krise: Die Pro-Kopf-Verschuldung war eine der höchsten der Welt, und jeder Dritte (34 Prozent) galt als arm, was selbst auf dem Ungleichheitskontinent Lateinamerika ein Spitzenwert war. Heute liegt die Armutsquote bei elf Prozent – auch das ein Spitzenwert, ein positiver allerdings. Erfolge wie diese verbinden die Uruguayer mehrheitlich mit der Frente Amplio und ihren Präsidenten Vázquez und Mujica. Ausgerechnet die Linken, darunter nicht wenige Ex-Guerilleros der Tupamaro, schafften es, marktwirtschaftliche Reformen durchzusetzen und das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zwischen 2005 und 2014 mehr als zu verdreifachen – von 5.200 auf mehr als 16.300 US-Dollar.

Doch die Uruguayer sind anspruchsvoller geworden. Sie verlangen, womit sich der Kontinent traditionell schwer tut: ein Weiterwachsen nach einigen Jahren des Wachstums, einen Aufschwung, der länger als nur eine Dekade dauert, Fortschritte und Konsolidierung, die auch andere Bereiche erfassen. Bessere Bildung für die Kinder und mehr Härte gegen Verbrechen stehen ganz oben auf der Wunschliste, auch wenn Uruguay zu den sichersten Ländern Lateinamerikas zählt. Die Frente Amplio und ihr beliebter Politiker Vázquez haben die Botschaft allem Anschein nach verstanden. Der 41. Präsident will die Bildungsausgaben vervierfachen und verspricht im Kampf gegen die Kriminalität mehr Prävention und effektivere Verfolgung. Zu den Vorhaben zählen außerdem der Ausbau der Infrastruktur, eine aktive Umweltschutzpolitik, die nachhaltige Nutzung von natürlichen Ressourcen und eine universal zugängliche Gesundheitsversorgung nach skandinavischem Vorbild.

Große, ehrgeizige und richtige Ziele sind das allemal. Nur zeigt ein Blick über den Río de la Plata auch, wie schnell etwa die Inflation aus dem Ruder laufen kann. In Uruguay liegt sie bei immerhin fast acht Prozent – aber noch immer weit entfernt von der des großen Nachbarn Argentinien, der in diesem Jahr wohl auf fast 50 Prozent kommt. Allerdings hat Vázquez ohnehin eher den Ruf eines Konservativen als eines Sozialisten. Anders als der amtierende Präsident Mujica ist er gegen Abtreibung, gegen den freien Verkauf von Marihuana und auch Verbalattacken auf die Regierung in Washington sind unbekannt. Er bot damit auch den konservativeren Wählern ein interessantes Portfolio. Vor „notwendigen Änderungen” werde er nicht zurückschrecken, erklärte der Kandidat seinen Landsleuten. Zudem nominierte er den aktuellen Vizepräsidenten Danilo Astori als Wirtschaftsminister für sein neues Kabinett. Diese Konstellation hatte schon in den ersten drei Regierungsjahren Vázquez' für strenge Haushaltsdisziplin gesorgt – nicht immer zur Freude der anderen Frenteamplistas.

In Uruguay hat sich die anfängliche schüchterne Wechselstimmung auch deshalb schnell verflüchtigt, weil die Frente Amplio und ihr Kandidat die Sorgen der Menschen aufgegriffen haben. Die Themen, die Lacalle Pou angesprochen und mit denen seine Partei im Parlament neue Sitze dazugewonnen hat, haben die Wähler lieber der Frente Amplio und dem altbekannten Politiker Vázquez an die Hand gegeben. Und auch auf das Parlament wird sich der neue Präsident verlassen können. Zwar mussten nach der Wahl am 26. Oktober alle Stimmen zweimal gezählt werden. Doch danach stand fest: Im Parlament hat die Frente Amplio ihre absolute Mehrheit überraschend verteidigen können.

Für Lacalle Pou war diese Wahl von Anfang an ohnehin eine Art Testlauf gewesen. Kurzfristig hatte es zwar ausgesehen, als könnte er das Unmögliche, den Präsidentenpalast, erreichen. Am Ende hat es doch nur zu einem erfolgreichen und ernstzunehmenden Eintritt in die politische Arena Uruguays gereicht.

Vázquez und seine Regierung haben fünf Jahre Zeit, ihre politische Agenda abzuarbeiten und Uruguay auf Wachstumskurs zu halten. Lacalles Pous Zeit indes könnte noch kommen: Er ist 33 Jahre jünger als der neue Amtsinhaber. Regierungserfahrung bringt er qua Geburt mit: Sein Vater war von 1990 bis 1995 der 36. Präsident der östlichen Republik Uruguay. Und eine Grundregel der uruguayischen Politik besagt, dass niemand unter 50 Jahren Präsident werden kann.

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