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Mexiko hat gewählt…und wie!

Klares Mandat für Amlo - was folgt nun?

Der mexikanische Wahlmarathon vom 1. Juli 2018 hat zu einem eindeutigen Ergebnis geführt, dessen Ausmaß in dieser Höhe und Deutlichkeit doch etwas überraschend war. Andrés Manuel López Obrador (AMLO) wird neuer Präsident Mexikos mit 53% der Stimmen, seine politische Plattform MORENA wird in der Allianz mit PT und PES eine Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses haben und auch auf regionaler und lokaler Ebene konnte MORENA im Sog der Präsidentschaftswahlen seine Präsenz signifikant ausbauen.

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Menschen drängen sich um das Fahrzeug des neuen mexikanischen Präsidenten | Foto: dpa

Die PRI, die die politischen Geschicke Mexikos über 70 Jahre fast in Alleinherrschaft gelenkt hat, erlitt eine historische Niederlage und landete mit José Antonio Meade abgeschlagen auf dem 3. Platz (16,4%). Aber auch die PAN konnte die Erwartungen nicht erfüllen und erzielte mit Ricardo Anaya nur ernüchternde 22,5 %, konnte aber auf regionaler und lokaler Ebene einige Achtungserfolge erzielen. Als Fazit stehen ein klares Mandat und eine klare Mehrheit auf der einen Seite sowie haushohe Erwartungen und wenig Klarheit, wie genau es nun weitergeht, auf der anderen Seite.

Ausgangslage vor den Wahlen

Am Wahltag des 1. Juli 2018 wurden in Mexiko 3.406 Ämter neu gewählt, aufgerufen waren dazu 89,3 Mio. mexikanische Wahlberechtige im In- und Ausland.

Auf nationaler Ebene wurden neben dem Präsidenten der gesamte Kongress, also sämtliche 128 Senatoren und 500 Abgeordnete, in einem gemischten System aus relativer und proportionaler Mehrheit gewählt.

Hinzu kamen auf regionaler und lokaler Ebene 8 der 32 Gouverneure, 1.596 (von 2.446) Bürgermeister in 26 Bundesstaaten, sämtliche 16 Bürgermeisterämter in der Hauptstadt Ciudad de México sowie 972 (von 1.125) regionale und lokale Abgeordnete in 26 Bundestaaten plus 185 weitere Funktionsträger.

Die drei Spitzenkandidaten für das Präsidentschaftsamt traten jeweils in einer mehr oder weniger breiten Koalition an: Andrés Manuel López Obrador (kurz: AMLO) für MORENA, PT und PES (Movimiento Regeneración Nacional, Partido del Trabajo und Partido Encuentro Social), Ricardo Anaya für die PAN (Partido Acción Nacional), PRD (Partido de la Revolución Democrática) und Movimiento Ciudadano sowie José Antonio Meade für PRI, PANAL und PVEM (Partido Revolucionario Institucional, Partido Nueva Alianza und Partido Verde Ecologista de México).

Lediglich der verbleibende (und aussichtslose) vierte Kandidat Jaime Rodríguez „El Bronco“ trat als einziger Parteiunabhängiger an.

Die wichtigsten Wahlergebnisse

Bereits relativ früh am Wahlabend wurde klar, dass López Obrador als klarer Sieger aus den Wahlen für das Präsidentenamt hervorgehen würde. Die ersten Hochrechnungen nach Schließung aller Wahllokale am frühen Abend signalisierten bereits den erdrutschartigen Sieg. Die unterlegenen Kandidaten Meade und Anaya traten kurz hintereinander gegen 21.30 Uhr vor die Presse, um das Ergebnis anzuerkennen und López Obrador zum Wahlsieg zu gratulieren.

AMLO selbst trug mit seiner zum Konsens aufrufenden ersten Rede das Seinige zu einem vergleichsweise ruhigen Wahlabend bei und verzichtete im berechtigten Siegestaumel auf jegliche Angriffe auf seine unterlegenen politischen Gegner.

Das Ergebnis zur Präsidentschaftswahl im Detail:

Ausgezählte Stimmzettel: 93,56%

Wahlbeteiligung: 63,45%

Stand:4.7.18

Andrés M. López Obrador (PT, MORENA, ES):

52,96% = 24.127.452 Stimmen

Ricardo Anaya (PAN, PRD,MC):

22,50% = 10.249.705 Stimmen

José Antonio Meade (PRI, PVEM, NA):

16,40% = 7.472.431 Stimmen

Jaime Rodríguez “El Bronco”:

5,14% = 2.339.431Stimmen

Margarita Zavala

0,14% = 64.643 Stimmen

Nicht registriert

0,13% = 57.561

Ungültig

2,7% = 1.246.568

Bemerkenswert ist zudem wie flächendeckend der Wahlsieg AMLO‘s war: Mit der Ausnahme des Bundesstaates Guanjuato, in dem Anaya vor AMLO lag, konnte dieser in allen weiteren 31 Bundesstaaten eine klare Mehrheit erzielen.

Besonders bitter aus der Sicht des Oppositionskandidaten Anaya war auch die Tatsache, dass er als Präsidentschaftskandidat in allen 9 Bundesstaaten, in denen Gouverneurswahlen stattfanden, jeweils weniger Stimmen als die eigenen Gouverneurskandidaten erhielt, es hier also ganz offensichtlich eine gemischte Stimmenabgabe gab.

Bei der Runderneuerung des mexikanischen Kongresses im Abgeordnetenhaus und im Senat ging die MORENA-Allianz ebenfalls als klarer Sieger hervor. Beim jetzigen Stand der Auszählung (93%), hätten MORENA, PT und PES gemeinsam in der Addition der proportionalen und relativen Sitze in beiden Kammern eine absolute Mehrheit (im Senat 68 von 128 Sitzen, im Abgeordnetenhaus 307 von 500 Sitzen).

Anhand dieser Zahlen ist insbesondere der dramatische Bedeutungsverlust der PRI und der analoge Bedeutungszuwachs von MORENA erkennbar.

Interessant ist auch der deutlich angestiegene Anteil von Frauen in beiden Kammern: Im Abgeordnetenhaus sind es nun 243 weibliche Abgeordnete, also 49% (Im Jahr 2003 waren es noch 115), im Senat 63 (ebenfalls 49%), während es im Jahr 2000 nur 20 waren.

Einfache Gesetzesvorhaben können so von der neuen Regierung mit eigener Parlamentsmehrheit in der Legislative verabschiedet werden - ein Privileg, welches die letzten drei Regierungen der PRI und PAN jeweils nicht hatten.

Gouverneurswahlen

Aus den insgesamt 8 Gouverneurswahlen sowie der Wahl in der Hauptstadt Ciudad de México ging ebenfalls die Allianz MORENA/PT/PES als klarer Sieger (und offensichtlich im Windschatten ihres Präsidentschaftskandidaten) hervor.

Die Gewinn-/Verlustanalyse ist insofern etwas erklärungsbedürftig, als in einigen Fällen Allianzen bestanden bzw. neu eingegangen wurden und von daher die Parteizugehörigkeit des alten und neuen Gouverneurs allein als Erklärung nicht ausreicht. Legt man aber dieses Kriterium zu Grunde (Gouverneur), dann hat die PRD alle drei Distrikte (CDMX, Tabasco und Morelos) und die PRI beide Bundesstaaten (Jalisco, Yucatan) verloren. Die PAN konnte hingegen Puebla (mit der Einschränkung unten) und Guanajuato halten sowie Yucatan dazugewinnen, Veracruz hingegen ging verloren. Movimiento Ciudadano war klarer Gewinner in Jalisco und MORENA konnte 5 Bundestaaten hinzugewinnen (CDMX, Morelos, Veracruz, Tabasco und Chiapas, letzterer bisher von der Grünen Partei PVEM regiert).

Angemerkt werden muss allerdings auch, dass die Wahl in Puebla derzeit von MORENA vehement und im Rahmen gewalttätiger Auseinandersetzungen angefochten wird, hier ist das vorläufige Endergebnis also noch mit etwas Vorsicht zu genießen.

Bürgermeister- und Landtagswahlen

In insgesamt 26 der 32 Bundesstaaten fanden zudem Landtagswahlen statt. Auch hier setzte sich der „MORENA-Tsunami“ fort, allein 19 dieser 26 verfügen nun über eine Mehrheit der MORENA-PT-PES Allianz (Baja California, Ciudad de México, Colima, Chiapas, Durango, Edo. de México, Guerrero, Hidalgo, Michoacán, Morelos, Oaxaca, Puebla, San Luis Potosí, Sinaloa, Sonora, Tabasco, Tlaxcala, Veracruz und Zacatecas. Die anderen Parteien konnten sich lediglich in Chichuaha, Jalisco, Querétaro, Campeche, Aguascalientes , Guanajuato und Yucatán durchsetzen.

In der Hauptstadt Ciudad de México wurden zudem alle Bezirksbürgermeister gewählt, dabei gingen 11 der 16 Bezirke an MORENA/PT/PES, 4 Bezirke an die PAN/PRD/MC Allianz (Coyoacán, Milpa Alta, Benito Juárez und Venustiano Carranza, allerdings hier alle Bürgermeister von der PRD) und nur noch einer an die PRI (Cuajimalpa). Damit setzt sich auch hier der Niedergang von PRD und PRI zu Gunsten von MORENA fort.

Landesweit hat MORENA auch zahlreiche wichtige Landeshauptstädte gewinnen können (beispielsweise Toluca, Hermosillo, Oaxaca, Morelia, Villahermosa, Puebla, Acapulco). Die PAN hingegen konnte u.a. seine Bastionen in Chihuahua, Mérida und León halten.

Wahlverhalten

Detaillierte Analysen über das Wahlverhalten liegen zwar noch nicht vor, allerdings gibt es einige Umfragen, die verdeutlichen, wie breit gefächert die Zustimmung für AMLO war. In einem „exit poll“ vom Wahltag des Umfrageinstituts Defoe wird deutlich, dass es keine signifikanten Unterschiede bei den AMLO-Wählern hinsichtlich Gender (51% Männer, 49 % Frauen), Bildung (AMLO in allen Segmenten zwischen 44% und 53%) und Einkommen (in allen Segmenten zwischen 47% und 53%) gab.

Lediglich bei den Altersgruppen gibt es eine interessante Variante: Während AMLO in allen Altersgruppen über 26 Jahren über 50% erzielte, kam er bei den Jung- und Erstwählern „nur“ auf 45%. Die große Überraschung hier war, dass davon aber nicht der jüngste Kandidat Ricardo Anaya (hier auch nur 22%), sondern erstaunlicherweise der ansonsten abgeschlagene Kandidat Jorge Rodriguez „El Bronco“ mit 22% profitieren konnte. Dessen radikale Forderungen (Verbrechern die Hand abzuschlagen) und salopper Umgangston scheinen in dieser Altersgruppe klare Sympathien hervorgerufen zu haben.

Ansonsten ist aber damit mehr als deutlich, dass das „Phänomen AMLO“ alters-, geschlechts- und klassenübergreifend erfolgreich war und somit vor allem mit der weit verbreiteten Politik-, Politiker- und Parteienverdrossenheit zu erklären ist. Die Wut und Enttäuschung weiter Teile der Bevölkerung, projiziert auf das politische Establishment als Hauptschuldigen (PRI, PAN und PRD) vor dem Hintergrund der drei großen und ungelösten Probleme Korruption, innere Sicherheit/organisierte Kriminalität und soziale Ungerechtigkeit sind letztlich die Hauptfaktoren, die den Wahlsieg AMLO‘s erklären. Er hat es verstanden, sich durch einfache (auch simple) Botschaften als Lösung und glaubwürdiger „change agent“ zu präsentieren. Dass er seit 20 Jahren aktiv in der mexikanischen Politik unterwegs und damit alles andere als ein „newcomer“ ist, hat ihm dabei nicht geschadet, vielmehr war wohl auch die Haltung, dass man ihm jetzt mal „eine Chance geben sollte“ ein Motiv ihn zu wählen. Seine wolkigen und extrem vereinfachten Erläuterungen und Versprechungen im Kontrast zu weitaus präziseren und konkreten Analysen und Vorschlägen v.a. des Kandidaten Anaya waren ebenfalls kein Nachteil, er hat damit klar die Gefühlsebene adressiert und das war letztlich erfolgreich.

Profil der neuen Regierung

Der 64-jährige Andrés Manuel López Obrador, studierte Politik- und Verwaltungswissenschaften. Lange Zeit war er aktives Mitglied in der regierenden PRI, wo er das Institut für indigene Fragen leitete. 1989 trat er aus der PRI aus, um die linke Abspaltung derselben, die PRD (Partido de la Revolución Democrática) zu gründen, deren Vorsitz er 1996 bis 1999 innehatte. Im Jahr 2000 wurde er für die PRD als Bürgermeister der Hauptstadt Ciudad de México gewählt. Er trat 2005 zurück, um als Präsidentschaftskandidat anzutreten. Die Wahl 2006 verlor er knapp gegen Felipe Calderón (PAN), wobei der dessen Wahlsieg lange nicht anerkannte. Im Jahr 2012 trat er erneut an, verlor diesmal gegen den PRI Herausforderer Enrique Peña Nieto. In der Folge trat AMLO aus der PRD aus und bereitete mit der 2011 gegründeten Bewegung MORENA, die 2014 den Status einer politischen Partei erhielt, seine Kandidatur 2018 vor.

Sein zukünftiges Kabinett kündigte AMLO bereits früh im Dezember 2017 an, um nicht zuletzt bereits zu diesem frühen Zeitpunkt zu suggerieren, dass er im Grunde schon Präsident sei. Zu den zentralen Figuren gehören u.a. Alfonso Romo, sein wichtigster wirtschaftspolitischer Berater, selbst Unternehmer, der wohl Leiter des Präsidialamtes werden wird. Er und der designierte Finanzminister Carlos Manuel Urzúa (der schon Finanzminister der Bundeshauptstadt war) werden die zentralen Figuren der neuen Wirtschaftspolitik sein.

Weitere wichtige Figuren werden Olga María del Carmen Sánchez Cordero Dávila (Innenministerin) sein, ehemalige Richterin am Obersten Gerichtshof, sowie der Karrierediplomat Héctor Vasconcelos für das Außenministerium. Hier scheint sich aber auch Marcelo Ebrard, Nachfolger AMLO‘s als Bürgermeister der Hauptstadt (2006-2012) noch ins Spiel zu bringen.

Für das Energieministerium ist Norma Rocío Nahle García vorgesehen, bis dato Fraktionsvorsitzende von MORENA im Abgeordnetenhaus und mit einer langen beruflichen Karriere im staatliche Energiekonzern PEMEX.

Das voraussichtliche Kabinett weist alles in allem eine Mischung aus Parteifreunden, Akademikern und nicht allzu umfassender politischer Erfahrung auf. Angesichts der bekannten Persönlichkeitsmerkmale AMLO´s ist aber zu erwarten, dass letztlich die alleinige Entscheidungsgewalt beim Präsidenten selbst liegen wird.

Innen- und außenpolitische Herausforderungen

Die neue Regierung steht vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Jenseits der schon geschilderten Erwartungen kommen konkrete Aufgaben auf die neue Regierung zu, die in ihrer Komplexität kaum zu überbieten sind.

Neben strukturellen und langfristigen Problemen wie der dramatischen sozialen Ungerechtigkeit und dem Fehlen einer breiten Mittelschicht, dem endemische Problem der Korruption auf allen privaten und öffentlichen Ebenen, gepaart mit und genährt durch die organisierte Kriminalität mit ihren schier unfassbaren finanziellen Mitteln und Waffenausrüstung, stellen sich weitere strategische Fragen.

Wie wird die neue Wirtschaftspolitik aussehen? Hält AMLO an der bisherigen wirtschaftlichen Öffnung des Landes fest (was er vage angedeutet hat), oder setzt er auf ein stärker binnenorientiertes Wachstum und entsprechende Anreize (was er ebenso angedeutet hat)? Wird er sich weiter für den Fortbestand von NAFTA einsetzen (und damit ausländische Investitionen anziehen) oder sich hier auf eine Abschottung gegenüber den USA einlassen?

Wie soll mit einer aktiveren, aber eben auch bezahlbaren Sozialpolitik die soziale Ungerechtigkeit reduziert werden? Allein durch den Verkauf des Präsidentenflugzeugs oder den Verzicht auf die Präsidentengarde als Leibwache dürfte das kaum zu finanzieren sein und die eingesparten Mittel aus weniger Korruption sind bis dato auch mehr eine Hoffnung als eine konkrete volkswirtschaftliche Rechnung.

Hinsichtlich der von Peña Nieto mit Unterstützung der Opposition eingeleiteten Bildungsreform ist eher eine Rückabwicklung zu befürchten, u.a. bedingt durch den Einfluss der starken Lehrergewerkschaft, die AMLO offen unterstützt hat. Im Falle der ebenfalls eingeleiteten Energiereform mit einer Öffnung des staatlichen PEMEX Monopols für ausländische Investitionen ist ebenfalls eher eine Stagnation zu befürchten. Mit seiner Ankündigung, weitere Raffinerien bauen lassen zu wollen, setzt er klar auf fossile Brennstoffe und damit auf PEMEX, auch hier spielen die Gewerkschaften eine wichtige Rolle. Eine Positionierung zu Gunsten erneuerbarer Energien als Alternative ist bis dato nicht zu erkennen gewesen.

In der Außenpolitik ist das Verhältnis zu den USA natürlich der alles entscheidende Faktor. Nachdem Präsident Trump seine Wahlkampfversprechen wie die eines durch Mexiko zu bezahlenden Grenzzaunes weiter zum Thema machte und mehrfach die mexikanischen Grenzgänger aufs Übelste beleidigte, erodierten die Beziehungen zwischen ihm und Peña Nieto zunehmend. Ob Trump und AMLO, die ja durchaus vergleichbare Persönlichkeitsmerkmale haben, zu einem konstruktiven Dialog finden, bleibt abzuwarten, auszuschließen ist das allerdings nicht. Trump hat zumindest als erste Reaktion nach dem Wahlsieg durchaus freundliche Worte in Richtung AMLO verlauten lassen, was ja beim amerikan ischen Präsidenten alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist.

Für die bilateralen Beziehungen v.a. auf der wirtschaftlichen Ebene ist allerdings der Fortbestand des NAFTA-Abkommens entscheidend. Hier hat Trump in der Vergangenheit sehr kritische Töne anklingen lassen, die in Mexiko mit großer Sorge wahrgenommen wurden. Soweit erkennbar, ist AMLO bereit und entschlossen dieses Abkommen weiter am Leben zu halten.

Was die außenpolitischen Linien allgemein angeht, so hat AMLO im Wahlkampf relativ deutlich verlauten lassen, dass er sich nicht weiter an der lateinamerikanischen Mehrheitslinie einer kritischen Bewertung der politischen Lage z.B. in Venezuela beteiligen wolle. Dies wäre ein bedauerlicher Schritt zurück in die traditionelle selbst auferlegte außenpolitische Neutralität Mexikos, die sich nicht einmal für die demokratischen Prinzipien in der Region einsetzt.

Im Verhältnis zur EU steht das de facto fertig verhandelte Freihandelsabkommen zur Unterschrift bereit. Hier hat AMLO bislang nicht erkennen lassen, ob er dies noch einmal aufmachen und nachverhandeln will.

Was macht die Opposition?

Für die Opposition brechen nach diesem Wahlergebnis sehr schwere Zeiten an.

Allen voran die PRI steht vor einem Scherbenhaufen. Nach 70 Jahren hoher bis höchster Dominanz, lange Zeit de facto in Alleinherrschaft, ist das Wahldebakel auf allen Ebenen evident. Im Kongress, in den Bundesstaaten und auf lokaler Ebene sind komplette Gebiete weggebrochen und v.a. an MORENA gegangen. Dies wird erhebliche politische und finanzielle Konsequenzen haben. Es ist nur schwer vorstellbar, wie man sich nach den komfortablen Regierungsjahren davon wieder erholen wird.

Der Niedergang der PRD hat schon vor der Wahl eingesetzt. Mit dem Austritt López Obradors ist der Partei die charismatische Führungsfigur abhandengekommen. Die Wahlallianz mit der PAN hat zwar bei den Regionalwahlen 2016 noch zu einigen bemerkenswerten Koalitionserfolgen geführt, das hat sich in dieser Form aber bei der Wahl 2018 nicht fortgesetzt. Auch die PRD steht vor der Existenzfrage. Es ist unklar, wo und wie die Partei sich wieder aufrichten und ggf. neu erfinden kann, zumal echte neue Führungsfiguren nicht in Sicht sind.

Damit ist und bleibt die PAN trotz der heftigen Wahlniederlage die wichtigste Oppositionspartei. Diese Oppositionsrolle hat Ricardo Anaya auch in der Wahlnacht schon klar angekündigt: Zusammenarbeit mit der Regierung bei Übereinstimmung in Sachfragen, harte und verantwortungsvolle Opposition, wo dies nicht der Fall ist.

Im Kongress dürfte diese Oppositionsrolle allerdings aufgrund der Mehrheitsverhältnisse eher deklaratorischen Charakter haben. Von daher gilt das Hauptaugenmerk der regionalen Ebene, auf der die PAN wichtige Gouverneure hat und ein gewisses Gegengewicht zur MORENA Regierung stellen kann. Allerdings bleibt abzuwarten, ob die PAN in dieser Frage geschlossen auftreten wird. Einige Gouverneure der PAN hatten bereits in den Tagen vor der Wahl vor dem Hintergrund der zu diesem Zeitpunkt vermuteten Wahlniederlage der neuen Regierung ihre Kooperation angeboten, was (zu Recht) vom PAN-Vorstand als voreilige Kapitulation kritisiert wurde.

In der PAN stehen in den nächsten 6 Monaten Vorstandswahlen an. Da wird sich entscheiden, ob die Wahlniederlage zu einer parteiinternen Konfrontation und Fragmentierung oder zu einem Schließen der Reihen führt. Die Partei steht damit am Scheideweg. Ricardo Anaya selbst wird die politische Verantwortung für die Wahlniederlage übernehmen müssen, sollte aber aufgrund seines Alters nicht komplett zur Seite geschoben werden. Die unmittelbare Führungsrolle wird aber wohl von den aktuellen Meinungsführern aus den Reihen der neuen und alten Gouverneure eingenommen werden müssen.

Neben den Parteien stellt sich die Frage nach Gegengewicht und demokratischer Kontrolle auch an die Zivilgesellschaft. Bei schwachen staatlichen Institutionen und einer Regierung mit umfassenden Machtbefugnissen ist ein demokratisches Gegengewicht eine politische Notwendigkeit. Ob und inwieweit die mexikanische Zivilgesellschaft, die mit ihrem Engagement auch zum Aufbrechen der verkrusteten politischen Strukturen beigetragen hat, nun willens und in der Lage ist weiter für demokratische Kontrolle und Wachsamkeit zu sorgen, ist eine der vielen offenen Fragen, die mit darüber entscheiden werden, ob der euphorische Aufbruch zu strukturellen Reformen und einer sukzessiven Lösung der Probleme oder zu einer am Ende noch heftigeren Katerstimmung führt.

Fazit

Die Superlative und dramatischen Kommentierungen nach dem Wahlsieg im Sinne eines damit beginnenden Systemwandels in Mexiko werden nach und nach einer sachlicheren Analyse weichen müssen. Ob die „Fiesta Mexicana“ (Wirtschaftswoche 29.6.) mit dem „Messias aus Mexiko“ (FAZ 28.6.) tatsächlich die „mexikanische Wende“ (Handelsblatt 29.6.) bringen wird, ist zumindest ungewiss. Eine realistischere Einschätzung kann erst dann beginnen, wenn die neue Regierung konkretere Vorstellungen über die einzuleitenden politischen Maßnahmen, Veränderungen und Korrekturen auf den Tisch legt bzw. ab ihrem Amtsantritt am 1.12.2018 implementiert.

Simple Verteilung von Geld zur Reduzierung der sozialen Ungerechtigkeit oder eine Bekämpfung der Korruption lediglich durch die persönliche Integrität des Präsidenten selbst werden ebenso wenig ausreichen wie eine wolkige Ankündigung, das organisierte Verbrechen erfolgreich bekämpfen zu wollen.

Die Erwartungen, die durch diesen deutlichen Wahlsieg ausgelöst und von AMLO im Wahlkampf auch gezielt geschürt wurden, sind zunächst einmal ein Vertrauensvorschuss, der ohne Zweifel wichtig ist, um vom Start weg auch komplexe Frage mit dem notwendigen politischen Rückenwind angehen zu können.

Leider zeigt aber die Geschichte in Lateinamerika und auch in Mexiko, dass (zu) hohe Erwartungen, wenn sie dann nicht in absehbarer Zeit (und meist eher kurz- denn langfristig) erfüllt werden, sehr schnell in Enttäuschung umschlagen können. Hier liegt das größte Risiko der extremen Simplifizierung während des Wahlkampfes: Die Suggestion, dass die komplexen Probleme einfach gelöst werden können. Da dies nun einmal nicht der Fall ist, ist das Risiko des Scheiterns groß, vor allem wenn die Illusion der einfachen Lösungen sich als Schimäre entpuppt. Das Ausscheiden aus der Fußball-WM ist gerade mal verdaut, nun geht es um die wirklich wichtigen Fragen des Landes.

Mexiko stehen spannende, aber auch schwierige Zeiten bevor. Eine erfolgreiche Bewältigung seiner Probleme, kurz- und langfristig (dafür bedarf es einer starken Regierung, aber auch einer verantwortungsvollen, wachsamen Opposition als Gegengewicht und Alternative), ist nicht nur im Interesse des Landes selbst, sondern auch der Region und der internationalen Partner, inklusive Deutschlands und der EU. Mexiko ist als Handelspartner, als Investitionsstandort, als Partner einer Wertegemeinschaft gerade auch im Kontext der zunehmend volatilen und von Irritationen gekennzeichneten nord-transatlantischen Beziehungen von enormer gegenseitiger Bedeutung. Eine politische, wirtschaftliche und kulturelle Nähe und Zusammenarbeit sollte von daher auch weiterhin für beide Seiten ein Gebot sein.

Lesen Sie den Bericht inklusive Fußnoten als pdf.

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Kontakt

Ing. Hans-Hartwig Blomeier

Hans Blomeier

Leiter des Auslandsbüros Mexiko

hans.blomeier@kas.de +52 55 55664599
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20. Juni 2018
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