70 Jahre Bundesrepublik und deutsche Identität
Vortrag
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2019 feiert die Bundesrepublik Deutschland ihr 70-jähriges Gründungsjubiläum. Dem 2017 verstorbenen Bonner Politikwissenschaftler und Zeithistoriker Hans-Peter Schwarz war es vorbehalten, in schroffer Abgrenzung zum Klischee des sprichwörtlichen „Muffs“ der Ära Adenauer erfolgreich ein neues Interpretations- und Forschungsangebot in den 1980er Jahren auf die Schienen zu setzen. Das Modernisierungs- bzw. Transformationsparadigma hat seitdem in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung Platz gegriffen. Zu seinen Vorzügen gehört, auch längere Kontinuitätslinien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und die im Detail so unterschiedlichen Entwicklungs- und Wandlungsprozesse wie „Westernisierung“, „Amerikanisierung“, „Liberalisierung“ und „Demokratisierung“ zu erfassen. Auch ist der Fokus hierbei stärker auf demokratische Lernprozesse gelegt, die einer erfolgreichen Demokratiegründung, als welche die Bundesrepublik Deutschland auch dem kritisch voreingenommensten Geist schließlich doch erscheinen musste, innewohnen.
Es wäre ein fataler Fehlschluss zu glauben, denjenigen, die über „Systemparteien“, „Lügenpresse“, „Volksverräter“ und „Schuldkult“ schwadronieren, ginge es um einen U-Turn in die alten Zeiten der Bundesrepublik, etwa in die Ära Adenauer, als an Willkommenskultur, Gender Mainstreaming, Diversität, Inklusion usw. noch nicht einmal zu denken war. Es geht um das agonale Prinzip eines regelrechten Sprachkampfes, um die Vereinnahmung von Symbolen, Begriffen, Personen und Geschichte. Dazu ist es nötig über Schlüsselbegriffe wie Freiheit, Werte, Familie, Heimat, Identität und Leitkultur nachzudenken.
Dr. Clemens Escher, Historiker, promovierte über die deutsche Nationalhymne und arbeitet als Referent im Deutschen Bundestag.