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Seminar

Neubewertung der Souveränität in der heutigen Welt

Souveränitätskonzepte und -praktiken zwischen Globalisierung und Fragmentierungstendenzen

Über 90 Politikwissenschaftler und Experten, agierende und ehemalige Diplomaten, Vertreter der Zivilgesellschaft und Studenten versammelten sich zu der vom Auslandsbüro Belarus der Konrad Adenauer Stiftung (KAS) in Zusammenarbeit mit der Botschaft der Republik Österreich in Belarus und der Minsk Dialogue Track-II Initiative am 28. März 2019 in Minsk organisierten Konferenz.

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Details

1902 behauptete Joseph Chamberlain, damaliger britischer Außenminister für die Kolonien, mit tödlicher Sicherheit: "Es sind die Zeiten der großen Imperien und nicht der kleinen Staaten“. Das drauf folgende Jahrhundert der Menschheitsgeschichte lässt über diese Erklärung nur lachen: Nicht nur große Reiche versagten und zerfielen, sondern auch die Zahl der unabhängigen Staaten, kleinen wie auch großen, hat sich seitdem mehr als verdoppelt.

Moderne Herausforderungen der Souveränität

Doch die Bedeutung und Stärke der Souveränität, die die Nationalstaaten heute ausüben, unterscheiden sich von den Westfälischen Souveränitätsmustern. Die Realitäten der modernen Welt stellen den Begriff der Souveränität vor immer neue vielfältige Herausforderungen und erschweren die Entscheidungsfindung auf der nationalen Ebene. Noch vor einem Jahrzehnt schien die Hauptkomplikation für die Souveränität in der Globalisierung zu liegen. Mit anderen Worten, die Öffnung der nationalen Grenzen führte unweigerlich zu neuen internationalen Regeln und dem "Pooling" der Souveränitäten, was zu einem wachsenden Supranationalismus führte. Darüber hinaus nahmen neue globale nichtstaatliche Akteure ihren Platz an den Entscheidungstischen ein und begrenzten damit die ausschließlichen Befugnisse des Staates.

In den letzten Jahren gab es jedoch neue Trends. Bis zu einem gewissen Grad bekräftigen die Nationalstaaten ihre unverzichtbare Zentralität für die internationalen Beziehungen. Gleichzeitig bleiben sie stark voneinander abhängig, und kein Land kann allein so handeln, als wäre es eine isolierte Insel.

Diese Trends führen die Welt in eine qualitativ neue Ära des Wettbewerbs und der Zusammenarbeit. Während die globale Ordnung turbulente Zeiten durchläuft, sind kleinere Staaten im Vergleich zu Großmächten und regionalen Hegemonien natürlich die ersten, die erhöhte Herausforderungen und Risiken für ihre Souveränität erleben.

Unterschiedliche Logik der Souveränität von kleinen und größeren Staaten

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass sich in kleinen Staaten selbst die Logik der Souveränität stark von der der Größeren unterscheidet. Während für Großmächte die Annahme supranationaler Autorität und anderer durch die Integration bedingter Einschränkungen ein schmerzhafter und oft inakzeptabler Kompromiss ist, der als nichts Geringeres als die Einschränkung der Souveränität angesehen wird, könnte es für einen kleinen Staat umgekehrt aussehen. Angesichts der ihnen innewohnenden Schwächen stellen die Anfälligkeit gegenüber der harten Machtpolitik und die Unvorhersehbarkeit manchmal größere Einschränkungen ihrer Souveränität dar, als dass sie ihre Souveränität in internationalen Organisationen "bündeln" würden. Tatsächlich kann das "Pooling" einiger Elemente der Souveränität notwendig sein, um regelbasierte Ordnungen zu schaffen, und ist daher für einen kleinen Staat ein Weg, die Grundlagen seiner Souveränität zu schützen. Wenn man John Mearsheimer paraphrasiert, sind sie also nicht bereit, die Souveränität aufzugeben, aber sie sind damit einverstanden, gewisse Machtbefugnisse im Gegenzug für eine bessere Vorhersehbarkeit aufzugeben.

Operationalisierung von Souveränitätskonzepten für die Östliche Partnerschaft (ÖP)

In diesem Sinne zielte das Seminar darauf ab, die theoretische und politikorientierte Diskussion über das Konzept der Souveränität in der modernen Welt voranzutreiben. Es erforschte die Quellen und Grenzen der Souveränität in den heutigen, stark ineinandergreifenden internationalen Beziehungen; es behandelte auf neue Weise die Konzepte der Neutralität, der Militärbündnisse und des Hedgings als Strategien der Souveränität und nutzte die Annahme, dass Souveränität das ist, was Staaten daraus machen, um Wege zur Stärkung der Souveränität von Staaten zu diskutieren.

Die Organisatoren konzentrierten sich nicht auf der Darstellung, sondern auf die Suche nach Antworten auf die identifizierten Fragestellungen, wollten aber auch die theoretische und politikorientierte Diskussion über den Begriff der Souveränität jenseits des Teilnehmerkreises der Veranstaltung durch die Medienberichterstattung vor allem in Bezug auf die Region Osteuropa und insbesondere auf die der Östlichen Partnerschaft (ÖP) anregen.

Die Veranstaltung operationalisierte das Konzept der Souveränität in der heutigen Welt als eine wichtige Säule der internationalen Zusammenarbeit zwischen Staaten. Experten und Politikwissenschaftler fanden Wege, um verschiedene Bedrohungen und Risiken für die staatliche Souveränität in der sich verändernden Welt von heute anzugehen, die auf kooperativen Ansätzen und der Anerkennung unveräußerlicher souveräner Rechte jedes Staates, seiner Größe und Macht ungeachtet, beruhen. Genau dieser Ansatz in der Souveränitätsdiskussion, der auf dem Niveau der akademischen und politischen Kompetenzen der Teilnehmer basiert, stärkt ihre Fähigkeit, positive Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung auszuüben. Dies gilt insbesondere für die ÖP-Region, die zu einem Bereich mit erhöhten geopolitischen Spannungen und somit zu einer Quelle wachsender Risiken für die Souveränität der ÖP-Staaten geworden ist.

Kompatible und kooperative Souveränitätsmodelle als Friedensfaktor

Das wichtigste Ergebnis der Veranstaltung scheint ein neuer Blick auf die Konzepte zu sein, die erklären, wie Staaten unterschiedlicher Größe und politischer Ordnung Souveränität in ihrer Außen- und Sicherheitspolitik umsetzen können. Der Fallstudienansatz (die Fälle von Österreich, Deutschland, Belarus, Armenien, Aserbaidschan, der Schweiz und Rumänien wurden ausführlich diskutiert) ermöglichte es, länderspezifische Variablen zu identifizieren, die die strategischen Entscheidungen der Staaten und oft falsch wahrgenommene Inkonsistenzen in ihrem täglichen internationalen Verhalten erklären.

Wichtig war, dass die Präsentationen und Diskussionen verdeutlichten, dass in der heutigen Welt, die auf einer ungewöhnlichen und asymmetrischen Kombination von Globalisierungstrends und Fragmentierungstendenzen aufzubauen scheint, die Souveränitäten der Staaten kompatibel und hochgradig kooperativ sein können, wenn sich ihre Praxis auf strukturellen Bedürfnissen und nicht nur auf der Logik der subjektiven Rationalität der Entscheidungsträger gründet.

In dieser Hinsicht haben die Ergebnisse des Seminars die Teilnehmer mit analytischen Konzepten ausgestattet, die für eine friedliche Koexistenz in der Östlichen Partnerschaft förderlich sind.

Weitere Informationen zum Seminar: https://bit.ly/2GsPw8W.

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Veranstaltungsort

Minsk

Kontakt

Jakob Wöllenstein

Jakob Wöllenstein

Leiter des Auslandsbüros Belarus

jakob.woellenstein@kas.de +370 5 212 22 94 +370 5 2122294

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