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Veranstaltungsberichte

"Erinnern für die Zukunft" in Odessa

von Iuliia Skok
Vom 15.-17. Juni 2018 fand in Odessa die 2. Etappe des Seminars "Erinnern für die Zukunft", eines langjährigen Projekts des Auslandsbüros Kiew der Konrad-Adenauer-Stiftung und der NGO "Institut für politische Bildung" statt. Das Vorhaben ist auf die Bewältigung historischer Stereotypen und Schaffung eines gemeinsames Verständnisses für historische Vergangenheit der Ukraine gerichtet. Diesmal nahmen daran zwölf Geschichtsstudenten aus Ternopil und zwölf Geschichtsstudenten aus Odessa teil.

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Zu den Fragen, die diesmal behandelt wurden, gehörten u.a. die folgenden Themen: Olexandr Solontaj "Werteorientierungen der Menschen in verschiedenen Regionen der Ukraine: Gemeinsamkeiten und Unterschiede", Wolodymyr Wjatrowytsch "Antisemitische Küche des KGB", Dr. Jana Prymatschenko "Babyn Jar. Konflikte des historischen Gedächtnisses über den 2. Weltkrieg", Dr. Hennadi Jefimenko "Wölfe im Schafspelz oder Fakten gegen gängige Klischees und Mythen der sowjetischen Periode: Nationale Politik als Siegeswaffen des Bolschewismus (1917-1923)", Dr. Vitali Skalsky „Cyborgs“ oder „unschuldige Opfer“ 1918? Schlacht bei Kruty: Realität, Mythen, Streitigkeiten von Historikern und Politikern, Erinnerungspolitik", Andrij Kohut "Worüber berichten die KGB-Archive. Ukrainische Geschichte in Unterlagen der sowjetischen Geheimdienste", Iwan Homenjuk "Kollaborationismus im 2. Weltkrieg: Aufarbeitung menschlicher Tragödien und totalitärer Stereotype", Olexandr Sintschenko "Warum haben Ukrainer hohe Zäune?“, Dr. Oxana Jurkowa "Der große Terror: Fakten, Interpretationen, Gedenken, Unterlagen. Erfahrungen der Rückgewinnung von Informationen über die totalitäre Vergangenheit“, Kyrylo Haluschko "Geschichte der Ukraine an der Wegegabelung: Entkommunisierung, Nationalisierung, Entnationalisierung oder Dekonstruktion?", Jaryna Jassynewytsch "Kommunikation der Tragödien der Vergangenheit am Beispiel von Informationskampagnen 2010-2015, gewidmet den Opfern der Hungersnot".

Das Seminar begann mit einem interaktiven Bericht von Olexandr Solontaj über die Werteorientierungen von Einwohnern verschiedener Regionen der Ukraine, wobei die Teilnehmer ihre eigenen Werte und allgemeine staatliche Werte sowie deren Korrelation identifizierten. Anschließend ging es um die jüdische Geschichte der Ukraine. In seiner Vorlesung "Antisemitische Küche des KGB" widerlegte Wolodymyr Wjatrowytsch Erklärungen über die Steigerung des Antisemitismus in der Ukraine. Diese werden durch russische Medien verbreitet, um die Ukraine auf der internationalen Arena in Misskredit zu bringen. Nach jüngsten Angaben internationaler Studien möchten nur 5 % der Einwohner der Ukraine die Juden nicht als ihre Mitbürger haben. Nach Wjatrowytsch versucht Russland nicht zum ersten Mal, einen Streit zwischen den Ukrainern und Juden anzuzetteln. Eine ähnliche Situation gab es in den 1950-1960er Jahren mit dem Ziel, beide nationale Bewegungen zu dämmen. Das Thema des Judentums setzte Dr. Jana Prymatschenko fort, indem sie über die Formierung der historischen Erinnerungskultur, verschiedene Bilder der Ukraine im Kontext des 2. Weltkrieges und Narrativen des 2. Weltkrieges in der unabhängigen Ukraine sprach. Besonders große Aufmerksamkeit wurde dem Babyn Jar geschenkt. Es wurde betont, dass es in der sowjetischen Geschichtsschreibung bei dieser Tragödie nicht um die Juden ging. Mehr noch: Die Sowjetmacht wollte die Schlucht Babyn Jahr vernichten. Erst nach der ersten Kundgebung zur Erinnerung an die Opfer des Babyn Jahr 1966 begann die Staatsmacht zu agieren. In seiner Vorlesung "Wölfe im Schafspelz oder Fakten gegen gängige Klischees und Mythen der sowjetischen Periode: Nationale Politik als Siegeswaffen des Bolschewismus (1917-1923)" ging der Historiker Dr. Hennadi Jefimenko eingehend auf die Etablierung des sowjetischen Regimes auf dem Territorium der Ukraine ein.

Der zweite Seminartag begann mit der Vorlesung des Historikers Dr. Vitali Skalsky, die der Schlacht bei Kruty gewidmet war. Skalsky hob hervor, dass dieses historische Ereignis sehr mythologisiert in der ukrainischen Geschichte ist. Damals gab es viele Kämpfe um verschiedene Eisenbahnstationen, aber eben der Kampf bei Kruty ist besonders bekannt geworden, weil dort junge Menschen aus berühmten Familien von Kiew ums Leben kamen. Darüber hinaus ist es unbekannt, wie viele Personen bei Kruty gefallen sind, Skalsky meint aber, es waren viel weniger, als die Ukrainer heute meinen. Wegen verschiedener historischer Entwicklungen waren damals viele Menschen vermisst, und viele Familien meinten, dass die Vermissten bei Kruty umkamen, denn dies galt als ehrenvoller Tod. Andrij Kohut, der Direktor des SBU-Archivs, konzentrierte sich in seinem Referat auf das Programm "Offene Archive" und berichtete über die Öffnung der KGB-Archive in der Ukraine und Anwendung internationaler Ansätze in diesem Prozess. Der Historiker Iwan Homenjuk widmete seine Vorlesung dem europäischen Kollaborationismus, seinen Gründen und Arten. Die Vorlesung von Olexandr Sintschenko, die eine rhetorische Frage als Bezeichnung hatte: "Warum haben die Ukrainer hohe Zäune?", erläuterte Gründe gegenseitigen Misstrauens zwischen den Ukrainern und ihres Misstrauens in staatliche Institutionen. Dr. Oxana Jurkowa berichtete über die große Hungersnot der 1930er Jahre in der Ukraine und über historische Initiativen, die sich mit der ausführlichen Erforschung dieser Periode der ukrainischen Geschichte befassen. Zum Tagesabschluss wurde durch Ljubomyr Hryzak ein Kommunikationsspiel durchgeführt.

Am dritten Tag sprachen die Geschichtsstudenten über die Fragen der Geschichtsschreibung mit Kyrylo Haluschko und über das Kommunizieren vergangener Tragödien mit Jaryna Jassynewytsch. Der Historiker Kyrylo Haluschko berichtete über die Geschichtsschreibung von Karamsin, Kostomarow und Hruschewsky und über offizielle Formen der Geschichtsschreibung, die es heute gibt. Jaryna Jassynewytsch wandte sich dem Thema des Kommunizierens von alten Tragödien zu, wobei sie das Fallbeispiel der Hungersnot und deren Kommunizieren in den Jahren 2010-2015 betrachtete.

Studenten, Organisatoren und Referenten waren zufrieden mit der Veranstaltung. Das Seminar soll auch im nächsten Jahr stattfinden.

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