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Veranstaltungsberichte

"Europa braucht ein neues Narrativ"

von Lara Jäkel

Viertes Bremer Symposium zur Sicherheit

In Kooperation mit der Gesellschaft für Sicherheitspolitik hat die Konrad-Adenauer-Stiftung am 17. November zum vierten Bremer Symposium zur Sicherheit eingeladen. Unter der Überschrift „Zerfällt der Westen?“ wurden die Herausforderungen thematisiert, vor denen Deutschland und Europa derzeit stehen, sowie mögliche Lösungsansätze erörtert. Auch die Gäste hatten die Gelegenheit, sich durch Fragen an der Diskussion zu beteiligen.

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„Die Symptome des Niedergangs sind nicht zu übersehen“, sagte Brigadegeneral a.D. Karl Heinz Schreiner in seiner Eröffnungsrede des Symposiums im Hinblick auf die derzeitige Situation des Westens. Die anhaltende schwierige Wirtschaftslage, das Erstarken extremistischer Kräfte und die Folgen des Klimawandels stellen Deutschland und Europa vor immer größere Herausforderungen. Alleine könnten diese längst nicht mehr gelöst werden, betonte Karl Heinz Schreiner – stattdessen brauche es globale Lösungen.

Die Europäische Union sei derzeit jedoch kaum in der Lage, effektive Antworten auf die dringenden Probleme zu finden, machte Dr. Christan Mölling, stellvertretender Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, in seinem Impulsvortrag deutlich: „Die EU steht von innen und außen unter Druck“. Wie es nun weitergeht, sei vor allem davon abhängig, wie viel Souveränität die Einzelstaaten abzugeben bereit sind.

Auch Deutschland müsse sich mehr auf andere Länder zubewegen und Kompromisse eingehen, um die Handlungsfähigkeit des Staatenbundes zu erhalten. Denn ein Scheitern der EU hätte fatale Folgen für den vergleichsweise jungen deutschen Nationalstaat, ist sich Dr. Christian Mölling sicher: „Ohne die EU könnte die Bundesrepublik gar nicht existieren“. Als Exportnation sei Deutschland mehr als andere EU-Staaten auf die freie europäische Marktordnung angewiesen.

Nicht nur im Inneren wird die Europäische Union auf die Probe gestellt – auch außenpolitisch gestaltet sich die Suche nach verlässlichen Partnern immer schwieriger. Die Beziehungen zu Russland etwa hätten sich seit der Ukrainekrise enorm verschlechtert, sagte Dr. Margarete Klein, stellvertretende Forschungsgruppenleiterin Osteuropa und Eurasien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in ihrem Vortrag. Putin weite die Reichweite der russischen Außenpolitik immer weiter aus, insbesondere in Nordafrika und im Nahen Osten, aber auch in China.

Die offensive Außenpolitik Russlands sei vor allem innenpolitisch begründet, betonte sie: Lange habe die Stabilität des Regimes auf der guten wirtschaftlichen Lage Russlands beruht. Durch die gesunkenen Ölpreise in die Krise geraten, sollen nun außenpolitische Erfolge als Legitimation dienen. Die daraus resultierenden Sanktionen des Westens gegenüber der russischen Regierung haben bisher nicht den gewünschten Effekt – aufgeben dürfe man sie dennoch nicht, betonte Dr. Margarete Klein: „Sie sind ein wichtiges Signal, das aufrecht erhalten werden sollte“.

Mit der Präsidentschaft Donald Trumps sind auch die USA nicht mehr der verlässliche Partner für Europa, der sie lange Zeit waren. Im Gegenteil: „Die EU ist Opfer von Trumps Zerstörungswut“, stellte der Politikwissenschaftler Dr. Udo Metzinger in seiner Analyse der transatlantischen Beziehungen heraus. Es sei in Trumps Interesse, die Europäische Union und auch die NATO zu schwächen. Diese Abkehr von der amerikanischen Europapolitik der letzten Jahrzehnte habe zu einem Vertrauensverlust zwischen den USA und der EU geführt.

Trump könnte bei den nächsten Präsidentschaftswahlen durchaus wiedergewählt werden, sagte Udo Metzinger, denn die republikanische Partei sei bereits „trumpifiziert“. Doch eine Abkehr Europas von den USA würde „den Falschen in die Hände spielen“. Stattdessen müsse die EU ein „Bündnis im Bündnis“ anstreben, also mit den Europa zugewandten Kräften in der amerikanischen Politik verhandeln. In jedem Fall gelte es, die NATO als Instrument zum Erhalt des Friedens in Europa zu schützen.

Neben den außenpolitischen Beziehungen ist der Umgang mit Migration derzeit eine der großen Streitfragen in der Europäischen Union. Eine Ursache für die gegenwärtige Krise sehe sie in der Einwanderung und Flucht nach Europa jedoch nicht, betonte Dr. Elke Grawert, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Friedens- und Konfliktforschungszentrum BICC. Europa erlebe seit hunderten Jahren Migration, ohne dass daraus notwendigerweise Krisensituationen entstanden seien. Auch die Statistiken zeigten keine Anhaltspunkte dafür, dass die Einwanderung negative Auswirkungen auf Sicherheit und Zusammenhalt in der Gesellschaft hätten.

Dennoch werde die Unsicherheit der Bevölkerung in Bezug auf die Integration von Migranten bewusst genutzt, um Ängste zu schüren und nationalistische Tendenzen zu befördern. Die EU müsse die Einwanderung transparenter regulieren und durch die Förderung einer konkurrenzfähigen afrikanischen Wirtschaft die Fluchtursachen bekämpfen, appellierte Dr. Elke Grawert: „Die freiheitlich-demokratischen Grundwerte, die Europa einmal geprägt haben, müssen wieder mit neuem Leben gefüllt werden“.

Zerbricht der Westen nun also an seinen Problemen? Nein, sagte Prof. Dr. Eckart Stratenschulte, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Nationalstiftung in der Keynote des Symposiums – er müsse sich aber restrukturieren. „Die Krise ist in Europa der Normalfall. Dennoch ist die EU die große Erfolgsgeschichte des 20. Jahrhunderts“. Um aus der schwierigen Situation gestärkt hervor zu gehen, brauche es jedoch ein neues, zukunftsorientiertes europäisches Narrativ.

Die Finanzkrise vor zehn Jahren habe das westliche Konzept, das auf dem Versprechen kontinuierlichen wirtschaftlichen Aufschwungs basiert, delegitimiert. Die Menschen fühlten sich überfordert mit der zunehmenden Komplexität der Welt und flüchteten sich in autoritäre und nationalistische Tendenzen. Den europäischen Staaten fehle zudem der Wille, Probleme gemeinsam zu lösen. „Dadurch ist die EU derzeit nicht handlungsfähig“, erklärte Prof. Dr. Eckart Stratenschulte.

Eine vielversprechende Lösung sehe er in einer differenzierten europäischen Integration. So würde sich ein Kern-Europa herausbilden, das effizienter arbeiten könnte und mehr Legitimation und Akzeptanz aus der Bevölkerung erhielte. Eine gemeinsame Armee einiger Staaten könne beispielsweise den Zusammenhalt stärken und Finanzmittel für soziale Zwecke freigeben. All das erfordere aber auch eine politisch aktive Bevölkerung, die sich für die Zukunft der Europäischen Union einsetzt, betonte Prof. Dr. Eckart Stratenschulte: „Demokratie ist auch eine Verantwortung der Bürger“.

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Dr. Ralf Altenhof

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Landesbeauftragter und Leiter Politisches Bildungsforum Bremen

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