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Veranstaltungsberichte

„Eine heiße Diskussion“

Europas Antwort auf die Folgen der Corona-Krise: Investitionen in Wirtschaft und Infrastruktur

Facebook-Live-Gespräch mit dem Europaabgeordneten Dr. Christian Ehler am 4. Juni, 17.00 bis 17.45 Uhr

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Ein "Wiederaufbau-Programm" für 750 Millarden Euo

Die EU-Kommission hat vergangene Woche ein „Wiederaufbau-Programm“ von 750 Mrd. Euro vorgeschlagen, um den negativen wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie ab 2021 zu begegnen. 500 Mrd. Euro sollen als Zuschüsse ausgegeben werden, 250 Mrd. als Kredite, die zurückzuzahlen sind. Darüber sprach der Journalist Jochen Markett im Auftrag des Politischen Bildungsforums der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Christian Ehler. Er ist seit 2004 Europaabgeordneter der CDU für Brandenburg und dort wirtschaftspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion der Europäischen Volkspartei.

Zunächst erläuterte er die Struktur des Programms, das aus drei Säulen bestehen soll. Die erste und größte Teil gehe an die Mitgliedsstaaten zur Förderung Instrumenten, wie dem Kurzarbeitergeld, und dem Ausbau der Infrastruktur etwa im digitalen Bereich und beim Klimaschutz; mit dem zweiten Teil sollen die privaten Wirtschaftsinvestitionen gefördert werden  und im dritten Konsequenzen aus der Pandemie im Bereich Gesundheitsvorsorge, Forschung, Katastrophenschutz.

Das Programm sei natürlich in seinem außergewöhnlich hohen finanziellen Umfang den speziellen Umständen der Corona-Pandemie und ihrer Folgen geschuldet. Andererseits könne man die hohe Summe auch in Relation zu Exportvolumen der deutschen Wirtschaft sehen, das alleine über 1.300 Mrd. Euro betrage.

Wichtig: Konditionlität und Refinanzierung

Zudem sei das zunächst einmal ein Vorschlag, über den nun verhandelt werde. Dabei hob der Europaabgeordnete insbesondere die Fragen der Konditionalität, also der konkreten Bedingungen für die Geldvergabe, und der Refinanzierung hervor. Den Widerstand der sogenannten „sparsamen Vier“ (damit sind die EU-Nettozahler Dänemark, Niederlande, Österreich und Schweden gemeint) und anderer Mitgliedsländer sieht er nicht für unüberwindlich an. Man werde über die Inhalte ringen, aber am Ende werde es schon zu einem Kompromiss kommen, so die klare Erwartung von Christian Ehler.

Gefragt, wie der zielgerichtete Einsatz des Geldes sichergestellt werden könne, verwies er auf genauen Konditionen, die eben jetzt noch konkret zu verhandeln seien, ebenso wie die Details der Finanzierung. Dass Italien und Spanien alleine 313 Mrd. Euro, das sind 42 % des Programms, erhalten sollen, Italien 173 Mrd. und Spanien 140 Mrd., obwohl die Bevölkerung beider Länder zu den vermögenderen in Europa zählt, rechtfertigte er mit der Größe und Bedeutung der Volkswirtschaften beider Länder, die zum Wohle des gesamten Binnenmarktes und auch der deutschen Exportwirtschaft unterstützt werden solle. Dass damit das vorhandene Wohlstandsgefälle zwischen Ost und West bzw. Süd in der EU weiter zementiert werde, sei ein kritischer Punkt. Man müsse jedoch sehen, wie stark einzelne Volkswirtschaften von der Pandemie betroffen seien, was der Maßstab für die Förderung sei.

Droht eine Schulden-Union?

Ob die jetzt anvisierten Schulden für das Programm tatsächlich zurückgezahlt würden und damit nicht das Tor zu einer Schulden-Union geöffnet werde, wollte Ehler nicht versprechen. Er verwies vielmehr darauf, dass die Entscheidung bezüglich dieses Programms und seiner Finanzierung auch maßgeblich bei den nationalen Parlamenten und dem Europäische Rat liege. Die Frage einer Verschuldung der EU sei allerdings „eine heiße Diskussion“, bei der man genau aufpassen müsse, was passiert. Man bewege sich da in einem Graubereich, weil die EU sich eigentlich nicht verschulden dürfe mit ihrem Haushalt, was man nun dadurch zu umgehen versuche, dass die Mehrausgaben durch Rückführungen aus dem nächsten EU-Haushalt, neue eigene Einnahmen der EU (Steuern) und höhere Beiträge der Mitgliedstaaten beglichen werden sollten. Der Vorschlag der Kommission sieht eine Begleichung der Schulden bis 2058 vor, also durch die nächsten beiden Generationen.

Die Frage, warum Bundeskanzlerin Merkel und die CDU sich so hartnäckig gegen „Corona-Bonds“, also gemeinsame Schuldenaufnahme in der EU gestellt hätten, beantwortete Christian Ehler damit, dass man eine gemeinsame Verschuldung als dauerhaftes Finanzierungssystem habe verhindern wollen.

„Eine Wahl zwischen Pest und Cholera“

Deutschland soll für knapp 200 Mrd. Euro bei dem „EU-Aufbau-Programm“ die Verantwortung übernehmen und verschuldet sich zusätzlich für die nationalen Hilfsprogramme ebenfalls in höherem Maße. Auf die Frage, wer das alles am Ende bezahlen solle, verwies der Brandenburger CDU-Politiker zunächst auf die günstigen Bedingungen angesichts der sehr geringen Zinsen. Andererseits würden die künftigen Haushaltsspielräume der EU geringer und die Zahlungen der Mitgliedsstaaten höher werden. Letztlich sei das eine Wahl zwischen „Pest und Cholera“: entweder bekomme man es mit einer tiefen Wirtschaftsrezension zu tun oder eben mit einer wieder stärker steigenden öffentlichen Verschuldungslast.

Im EU-Parlament und Bundestag hätten die meisten Kollegen mit Blick auf die drohende schwere Rezension und deren dramatische Folgen Verständnis, dass etwas für die Konjunktur getan werden müsse. Entscheidend sei dabei die Frage, wofür das Geld verwendet werde, eben nicht für Konsumprämien, sondern vor allem für notwendige und sinnvolle Investitionen.

Ob das EU-Programm letztlich juristisch sicher, also durch die EU-Verträge gedeckt sei, vermochte Ehler nicht mit Sicherheit zu sagen. Generell kritisierte er eine gewisse Tendenz, den Gesetzgeber durch Gerichtsurteile zu ersetzen. Das jüngst ergangene Urteil der Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf die Europäische Zentralbank wollte er damit nicht kritisieren. Dies sein „kein schlechtes Urteil“ gewesen, da es ja Begründungen für die Politik der Zentralbank einfordere, was letztlich zu mehr Transparenz führen sollte.

Die Staatschuldenproblematik gerade vieler Länder im Süden der EU sieht Christian Ehler gerade mit Blick auf die starken populistischen Bewegungen in diesen Staaten kritisch. Mit dem Verständnis, dass Reformen notwendig seien, sei zugleich auch der Einfluss der Populisten gewachsen, die sich dagegen wenden. Andererseits gebe es wiederum gesellschaftliche Gegenbewegungen gegen die Populisten, was ihn vorsichtig optimistisch stimme. Das europäische Konjunktur-Programm sei aber kein Reformpaket für Staatsreformen, sondern solle insbesondere notwendige Investitionen in der Umweltpolitik und bei der Digitalisierung voran bringen. Mit dieser Zielrichtung werde man jetzt verhandeln.

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