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Die Einbindung des Privatsektors in den Kampf gegen die Korruption

von Victoria-Charlotte Browning
Da die Rolle, die der lateinamerikanische Privatsektor im Kampf gegen die Korruption spielen könnte zunehmend in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt, lud KAS NY Vertreter der Industrieverbände und Handelskammern aus Guatemala und Honduras ein, um Gespräche mit impulsgebenden Experten des Good Governance und der Korruptionsbekämpfung in New York zu führen.

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Die Auswirkungen von Korruption sind äußerst schädlich für jede betroffene Nation. Die negativen Folgen sind umfassend dokumentiert. Studien zeigen, Korruption resultiert in sinkendem Wirtschaftswachstum und abnehmendem Vertrauen in politische Systeme und Parteien, außerdem zerbricht oftmals der Glauben an die politische Effizienz, was wiederum zu einer geringeren politischen Teilnahme seitens der Bevölkerung führt. Darüber hinaus ist Korruption auch dafür bekannt, die Kosten für geschäftliche Tätigkeiten wesentlich zu erhöhen. Korrupte Regierungen, politische Instabilität und schlechte Geschäftspraktiken hemmen den Anreiz ausländischer Investitionen, die die Region dringend benötigt. Angaben des von Transparency International veröffentlichtem Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) zufolge, befinden sich die meisten lateinamerikanischen Länder in der unteren Hälfte des Index, welcher 180 Länder und Hoheitsgebiete nach ihrer wahrgenommenen Korruption im öffentlichen Sektor misst. Den Untersuchungen liegen Angaben von Experten und Geschäftsleuten zugrunde. Jüngste Messungen des CPI legen offen, dass die Mehrheit der lateinamerikanischen Staaten im Kampf gegen Korruption kaum oder gar keine Fortschritte macht. Die Nachforschungen von Transparency International ergeben außerdem, dass Journalisten und Aktivisten in korrupten Ländern tagtäglich ihr Leben riskieren, um die mit Korruption in Zusammenhang stehenden Personen und Netzwerke zur Rechenschaft zu ziehen. Obwohl viele lateinamerikanische Politiker ihren Wahlkampf auf das Thema der Antikorruption fokussieren, geben bleibt der Fortschritt überschaubar. Sobald der Kampf gegen die Korruption tatsächlich beginnt - oft mit Hilfe von internationalen oder regionalen Institutionen - entsteht ein Muster der Politisierung des Prozesses, welches Länder oft gespalten zurücklässt, unfähig die drastische Polarisierung zu überwinden. Zwei Länder, die mit den politischen Auswirkungen des Kampfes gegen die Korruption zu kämpfen haben, sind Guatemala und Honduras.

Seit der guatemaltekische Präsident Jimmy Morales die „Comisión Internacional contra la Impunidad en Guatemala“ (die Internationale Kommission gegen die Straffreiheit in Guatemala) kurz CICIG, die 2007 von den Vereinten Nationen gegründet wurde um korrupte Netzwerke strafrechtlich zu verfolgen, aus dem Land verwiesen hat, befindet sich das Land in einer politischen Krise. In den vergangenen Jahren hatte das Gremium mit den guatemaltekischen Justizbehörden zusammengearbeitet und Staatsanwälte dabei unterstützt, zahlreiche Einzelpersonen, darunter den ehemaligen Präsidenten des Landes, anzuklagen. Entgegen dem Urteil des Verfassungsgerichts kündigte Jimmy Morales im September 2018 an, dass Iván Velásquez, Leiter der CICIG, zusammen mit anderen Ermittlern, die für die Kommission arbeiten, nicht ins Land zurückkehren dürfen. Obwohl das zentrale Wahlversprechen von Morales im Jahr 2015 auf der Zusicherung politischer Verantwortung beruhte, scheint das Land jetzt infolge des Kampfes gegen die Korruption tief gespalten zu sein.

Ende 2017 kam es in Honduras während der Präsidentschaftswahlen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die knappen Abstimmungsergebnisse zwischen dem jetzigen Präsidenten Juan Orlando Hernandez und dem Gegenkandidaten Salvador Nasralla hatten den Verdacht auf weitverbreitete Unregelmäßigkeiten, Wahlbetrug und Korruption ausgelöst. Kurz nachdem Präsident Hernandez Anfang 2018 sein Amt angetreten hatte, trat der Leiter der Mision de Apoyo Contra Corrupcion y la impunidad en Honduras (Unterstützungsmission gegen Korruption und Straflosigkeit in Honduras) – kurz MACCIH zurück und gab als Grund Anfeindungen seitens der honduranischen Regierung an. MACCIH ist eine von der Organisation amerikanischer Staaten (OAS) unterstützte Institution, die dem Land bei der Bekämpfung von Korruption und Straffreiheit zur Seite steht. Als MACCIH 2016 ihre Arbeit aufnahm, waren die Erwartungen, mit Blick auf die benachbarte CICIG, die mit fast einem Jahrzehnt Vorsprung viele hochrangige Angeklagte wegen Korruptionsvorwürfen erfolgreich strafrechtlich verfolgt hatte, sofort hoch. Obwohl die Mission kurz nach dem Beginn ihrer Arbeit 12 Menschen - darunter auch ehemalige Minister – verurteilt hatte, machte sich Enttäuschung unter der Bevölkerung breit, da die Erwartungen an MACCIH nicht erfüllt wurden. Vor allem letzteres stand in Diskrepanz zu den Möglichkeiten der Ermittler, korrupte Netzwerke zu beseitigen, während sie mit dem Widerstand der Regierung zu kämpfen hatten. Dieser noch immer anhaltende Zustand formte eine gespaltene öffentliche Meinung bezüglich der Antikorruptionsbestrebungen von MACCIH und führte zu einer polarisierten gesellschaftlichen Wahrnehmung gegenüber jeglichen strafrechtlichen Maßnahmen gegen korrupte Netzwerke.

Durch den sowohl in Guatemala als auch in Honduras herbeigeführten politischen Stillstand, der sich ausschließlich auf ein für oder gegen CICIG/MACCIH beschränkt und damit produktiven politischen Diskus lähmt, gewinnt die Rolle des Privatsektors im Kampf gegen die Korruption immer mehr an Bedeutung. Um dies näher zu beleuchten, lud die KAS New York Vertreter aus Industrieverbänden und Handelskammern aus Guatemala und Honduras ein, um Gespräche mit impulsgebenden Experten des Good Governance und der Korruptionsbekämpfung in New York zu führen.

Es wurden Gespräche mit relevanten UN-Organisationen wie dem UN Global Compact, dem Rat der Rechnungsprüfer der Vereinten Nationen, der Abteilung politischer Angelegenheiten der UN (DPA), dem Referat für Rechtsstaatlichkeit im Exekutivbüro des UN-Generalsekretärs, dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) und der Abteilung für ökonomische und soziale Angelegenheiten (DESA) geführt, sowie mit Transparency International, dem Zentrum für die Förderung der öffentlichen Integrität der Columbia University (CAPI), verschiedenen Investoren-Allianzen, dem Council of the Americas, ProPublica, dem FBI und der New Yorker Bar Association.


Zu den wichtigsten Schlussfolgerungen der Treffen gehören:


  1. Die Medien können - durch Nachrichtenberichterstattung und investigativem Journalismus - handfeste Ergebnisse erzielen, indem sie die Öffentlichkeit und die Strafverfolgungsbehörden auf Fälle von Finanz- und Wirtschaftskriminalität aufmerksam machen. Um die ungehinderte Arbeit der Medien weiterhin zu gewährleisten, ist es von höchster Bedeutung, dass Versuche die Pressefreiheit einzuschränken, auch von Seiten des Privatsektors scharf verurteilt werden. Der Einfluss von qualitativ hochwertigem Enthüllungsjournalismus sollte als öffentliches Interesse angesehen werden. Konkrete strafrechtliche Konsequenzen von entdeckten Missständen sollten daher von der Zivilgesellschaft und dem Privatsektor unterstützt werden, um Folgemaßnahmen und Kontinuitäten im Kampf gegen die Korruption zu gewährleisten.

  1. Extraterritoriale Rechtsgrundlagen, die ins nationale Recht implementiert werden, um zu verhindern, dass die in Industrieländern angesiedelten multinationalen Konzerne illegale Geschäftspraktiken im Ausland tätigen (z. B. Foreign Corrupt Practices Act - FCPA), sind bezüglich der globalen Bemühungen im Kampf gegen die Korruption in den letzten Jahrzehnten immer wichtiger geworden. Es wäre nicht nur von Vorteil, wenn mehr Länder ihre extraterritorialen Antikorruptionsgesetze mit denen führender Nationen (USA, Kanada, Europa) in Einklang bringen würden, sondern auch wenn diese stärkere Ambitionen hinsichtlich einer verbesserten Überwachung und der ordnungsgemäßen Umsetzung bestehender Rechtsinstrumente umsetzen würden.

  1. Darüber hinaus wäre die Stärkung einheimischer Anti-Korruptions- und Antibestechungsgesetze, die in einigen Fällen schwächer als ausländische US-Gesetze sind, von grundlegender Bedeutung, um Staatsanwälten in Lateinamerika angemessene Rechtsinstrumente zur Hand zu geben. Obwohl viele lateinamerikanische Länder Vorschriften gegen Korruption im öffentlichen Sektor ausreichend ausgearbeitet haben, sind vergleichbare Anti-Korruptionsgesetze im Bereich der Wirtschaft kaum vorhanden. Da diese Gesetze den Privatsektor selbst betreffen würden, würden öffentliche Aufrufe oder sogar Lobbying für neue Gesetze von Seiten der Unternehmen und Industrieverbänden deren aufrichtiges Engagement in Bezug auf Rechenschaftspflicht und Transparenz beweisen.

  1. Bestechungsgelder und andere korrupte Praktiken sind in den meisten lateinamerikanischen Ländern Teil des Alltags geworden, wodurch Bürger abgestumpft werden und korrupte Praktiken gar nicht erst an die entsprechenden Behörden melden. Um die Sensibilisierung und das Bewusstsein für korrupte Praktiken zu fördern, könnten Bildungsinitiativen für Kinder und Jugendliche, die Einbeziehung von Best Practices gegen Korruption in Universitätslehrplänen (insbesondere für Wirtschaftsabschlüsse und MBAs), sowie Schulungen für Fach- und Führungskräfte dazu beitragen, ein gewisses Maß an bewusstem Widerstand gegen korrupte Geschäftspraktiken wiederherzustellen.

  1. Ein weiterer kultureller Wandel, den Unternehmen vollziehen können, um im Kampf gegen Korruption ernsthafte Maßnahmen zu ergreifen, ist es ihre Zuliefererkette zu kennen. Zu oft haben sich Unternehmen von korrupten Praktiken oder sogar Menschenrechtsverletzungen oder Umweltverstößen distanziert, indem sie die Verantwortung auf ausgegliederte Einheiten innerhalb ihrer Lieferkette übertragen haben. Ein Schlüsselelement der Unternehmensverantwortung ist daher das Supply Chain Management. Die Überprüfung von Lieferanten, Auftragnehmern und anderen Geschäftspartnern im Hinblick auf Integrität und Korruption sollte daher zu einem Standard in der Industrie werden.

  1. Experten sprechen sich seit längerem dafür aus, dass einheimische Unternehmen des Privatsektors in Lateinamerika eine größere Rolle bei der Selbstregulierung ihrer eigenen Aktivitäten übernehmen müssen. Die Idee der Selbstregulierung basiert auf der Erkenntnis, dass Unternehmen näher an und besser in der Lage dazu sind Verstöße nicht nur zu erkennen und zu sanktionieren, sondern vor allem zu verhindern. Diese Anreize würden nicht nur im ausländischen Besitz befindliche multinationale Unternehmen erreichen, sondern auch große lokale Unternehmensgruppen wie "Multi-Latinas" (große lateinamerikanische Unternehmen), kleine und mittelständische Unternehmen (SMEs), sowie staatliche Unternehmen einschließen. Für den Erfolg der Selbstregulierung ist eine umfassende Compliance-Kultur von größter Bedeutung. Dazu gehören ein Chief Compliance Officer (CCO) mit einem unterstützenden Team, die Fähigkeit des CCO, die Unternehmenskultur sinnvoll und nachhaltig zu gestalten, ein Verhaltenskodex, der Schutz von Whistleblowern und vor allem eine Antikorruptionspolitik mit klaren Grundsätzen, Regeln und Sanktionen.

Die vielleicht wichtigste Schlussfolgerung ist, dass der Privatsektor Teil der Lösung sein und ihm daher Gehör geschenkt werden muss. Der öffentliche und der private Sektor sind in vielen Bereichen oft untrennbar miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. Der private Sektor prägt darüber hinaus die Kultur organisch. Ein Arbeitsplatz, an dem Integrität geschätzt wird, trägt dazu bei, soziale Mobilisierung gegen Korruption zu erzeugen, die sich auf andere Lebensbereiche überträgt. Schlussendlich sollte der private Sektor aufgrund der negativen Korrelation zwischen Korruption und Wirtschaftswachstum als natürlicher Verbündeter im Kampf gegen die Korruption angesehen werden.


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