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Japanische und deutsche Besatzungsherrschaft im Zweiten Weltkrieg

Eine Diskussion über Gemeinsamkeiten und Unterschiede

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Am 3. Mai präsentierte das Politische Bildungsforum der Konrad-Adenauer-Stiftung die Studie des Historikers Takuma Melber über die japanische Besatzungsherrschaft auf Malaya und Singapur. Aus diesem Anlass diskutierten wir unter der Moderation des Inhabers des Lehrstuhls für Militärgeschichte an der Universität Potsdam, Prof. Dr. Sönke Neitzel, mit Dr. Takuma Melber von der Universität Heidelberg und Dr. Peter Lieb vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr.

In seiner Einführung beschrieb Sönke Neitzel den Ursprung des an der Universität Mainz entstandenen Projekts und stellte den Umstand heraus, dass Takuma Melber die japanische Sprache beherrscht und deshalb akribische Recherchen in Japan vornehmen und neue Quellen erschließen konnte. Ein Glücksfall, der zeigt, dass die großen Defizite der Forschung in Deutschland zur japanischen Politik im Zweiten Weltkrieg nicht zuletzt auf die Sprachbarriere zugeführt werden können. Dabei bietet der Krieg in Asien und im Pazifik gerade für vergleichende Studien zu Besatzungsherrschaft, Kollaboration und Widerstand im Zweiten Weltkrieg interessante Ansätze für weitere Forschung.

Takuma Melber präsentierte zunächst Kernthesen seiner Studie. Er beschrieb die unterschiedliche britische und japanische Perspektive auf die Region, es folgte die Vorstellung der Prinzipien japanischer Besatzungsherrschaft, so etwa die Übernahme der durch Großbritannien etablierten Kolonialstrukturen, die wirtschaftliche Ausbeutung im Interesse der japanischen Kriegsführung sowie die Nipponisierung - die dauerhafte Annexion der eroberten Länder als fester Bestandteil des japanischen Imperiums. Melber teilt die Besatzungsherrschaft in eine „brutale“ Phase 1942 und eine „moderatere“ Phase ab 1943. Gleich zu Beginn unternahm die 25. Japanische Armee ethnische Säuberungen, deren Opfer vor allem Überseechinesen in Malaya und Singapur wurden. Das wichtigste Beispiel dafür ist das Sook-Ching-Massaker Anfang 1942, dem wohl über 20000 Menschen zum Opfer fielen. Wesentlich dafür sei die „Chinaerfahrung“ einer bestimmten Gruppe des japanischen Militärs gewesen, die in China seit Jahren bereits einen heftigen Krieg geführt hatten und aufgrund ihrer Erfahrungen nun auch in Malaya und Singapur gegen den chinesischen Bevölkerungsteil brutal vorgingen. Dies verglich Takuma Melber mit der „Osterfahrung“ deutscher Truppen, die etwa später in Frankreich eingesetzt wurden und Verbrechen begingen, wie die 2. SS-Panzerdivision „Das Reich“ in Oradour-sur-Glane 1944. Diese japanischen Militärs, wie General Tomoyuki Yamashita oder Generalmajor Saburo Kawamura, waren überzeugt, gegen die „Bolschewisierung Asiens“ zu kämpfen und sahen vor allem in den Überseechinesen ihren gefährlichsten Feind in der heterogen zusammengesetzten Bevölkerung. Hinzu kamen Tradition und kulturelle Dispositionen in der japanischen Armee und Gesellschaft, wie etwa der strenge Ehrenkodex sowie Praktiken wie das „genju shobun“, wonach die unmittelbare Tötung von Chinesen zulässig war. Anders als in der Wehrmacht, vor allem mit den Männern des 20. Juli 1944, gab es keinen Widerstand gegen brutale Politik oder Verbrechen, das verbot die Obrigkeitshörigkeit und der Ehrenkodex. In der japanischen Armee waren Druck und Prügel alltäglich, ebenso wie der selbstmörderische Einsatz im Kampf, was mit dazu beitrug, dass exzessive Gewalt gegen Gegner als selbstverständlich begriffen wurde.

Der Widerstand gegen die Japaner blieb zunächst gering und steigerte sich später vor allem durch kommunistische Gruppen und durch britische Spezialkommandos (SOE) organisiert, nicht zuletzt aufgrund der Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen in den besetzten Gebieten. Den geringen Widerstand in der Anfangszeit der Herrschaft führen manche japanische Historiker auf die brutale Politik zurück, womit sie noch heute eine Rechtfertigung dieser Massaker verbinden.

In der Diskussion wurde die japanische Politik mit der Besatzungsherrschaft der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg verglichen. Peter Lieb wies darauf hin, dass sich diese Herrschaft nicht nur in den verschiedenen besetzten Ländern unterschied, sondern auch in der Wehrmacht teilweise konträre Positionen zu finden waren. Im Gegensatz zu Malaya und Singapur, wo die japanische Herrschaft später eine moderatere Politik betrieb, stand im Hintergrund der deutschen Politik allerdings nicht zuletzt Adolf Hitler, der „politische“ Zugeständnisse unterband. Ein Beispiel dafür waren Forderungen nach einer Änderung deutscher Besatzungspolitik, die deutsche Generale im Frühjahr 1942 an der Ostfront vertraten. Es gebe aber viele Fälle, in denen sich die radikalsten Positionen durchsetzen. Doch selbst innerhalb eines Truppenverbandes konnte sich das Verhalten stark unterscheiden. Lieb brachte als Beispiel eine Untersuchung zum unterschiedlichen Vorgehen von vier Kompanien des gleichen Bataillons während eines Einsatzes gegen den französischen Maquis im August 1944.

Warum, so fragte Sönke Neitzel, war im Zweiten Weltkrieg die Akzeptanz für brutale Gewalt deutlich größer als im Ersten Weltkrieg? Peter Lieb verwies auf den Faktor „Ideologie“, man müsse den Zweiten Weltkrieg als Auseinandersetzung zwischen drei Weltanschauungen verstehen, dem Faschismus-Nationalismus, dem Kommunismus und der liberalen Demokratie. Takuma Melber fügte mit Blick auf Japan hinzu, dass sich das Kaiserreich mit dem raschen demographischen Aufwuchs Anfang des 20. Jahrhunderts auf die Suche nach „Lebensraum“ begab, der eine Versorgung und Sicherung der auf der Insel lebenden Japaner gewährleisten sollte. Und auf diese Weise ebenfalls eine „Ideologie“ entwickelt hatte. Abschließend erläuterte Peter Lieb, dass in Frankreich die deutsche Herrschaft auch heute noch eine wichtige Rolle in der Selbstwahrnehmung, vor allem auf dem Gebiet der Debatten um die französische Résistance, den Widerstand, spiele. Anders als in der deutschen Erinnerungskultur, spielten in Japan die eigene Besatzungspolitik und die Verbrechen des Kaiserreichs kaum eine Rolle, denn die Japaner sähen sich vor allem als Opfer und eine kritische Auseinandersetzung fehle: „Es schickt sich nicht, den eigenen Großvater zu hinterfragen.“

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Dr. Takuma Melber, Buchcover, Campus

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