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SOE-Medienforum im hybriden Format: Qualitätsjournalismus ist in Krisenzeiten wichtiger denn je

von Ivanina Georgieva

Die größte Medienkonferenz in Südosteuropa fand am 22. Oktober online und vor Ort in Belgrad, Fažana, Podgorica, Sarajevo, Sofia und Tirana statt.

Das XIV. „South East Europe Media Forum“ (SEEMF), das dieses Jahr zum ersten Mal in einem hybriden Format an sechs Standorten in ganz Südosteuropa stattfand, diskutierte die durch die COVID-19 Pandemie entstandenen wirtschaftlichen Herausforderungen für die Medien, die Entwicklungen in Bezug auf nachhaltige digitale Übergänge sowie die Glaubwürdigkeit der Medien im Kontext einer globalen Krisenlage.

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Daran nahmen vor Ort und über digitale Wege rund 300 Journalisten, Medienexperten, Rundfunkratsmitglieder, Politiker, Journalismus-Studierende und NGO-Vertreter teil. Das KAS-Medienprogramm Südosteuropa veranstaltet das Medienforum jährlich gemeinsam mit der Südosteuropäischen Medienorganisation (SEEMO) und der Zentraleuropäischen Initiative (CEI).

Das diesjährige hybride SEEMF zum Thema „(Re)Think the Digital: Reliability of the media, economic aspects of the pandemic, sustainable digital transitions in South East and Central Europe" wurde von Oliver Vujović, SEEMO-Generalsekretär, Nina Kodelja, stellvertretende CEI-Generalsekretärin, und Hendrik Sittig, Leiter des KAS-Medienprogramms Südosteuropa, eröffnet. „Medien sind nach wie vor am Leben. Sie sind sogar lebendiger als je zuvor“, sagte Hendrik Sittig. „Gerade in diesen Krisen-Zeiten ist es wichtig, dass Menschen korrekte Informationen bekommen.“ Der deutsche Botschafter in Bulgarien Christoph Eichhorn, der das Publikum in Sofia vor Ort begrüßte, plädierte für transparentes Medieneigentum, planbare Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Radio und Fernsehens, eine redaktionelle Unabhängigkeit sowie für professionelle und verantwortungsvolle ethische Grundsätze des journalistischen Berufs.

Das hybride Format der Konferenz bestand aus digital verbundenen Konferenz-Hubs - Expertengruppen, die sich in den oben erwähnten sechs Städten Südosteuropas vor Ort versammelt hatten. Zwischen diesen Hubs wurden die Themen des diesjährigen Medienforums diskutiert und über die Online-Konferenz-Plattform Zoom live ausgestrahlt. Das Publikum vor Ort konnte Fragen stellen und sich aktiv an den Online-Diskussionen beteiligen. „COVID-19 hat unser ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Weltweit erleben wir seit Monaten eine Situation, wie wir sie noch nie zuvor erlebt haben. […] Aber hinter jedem Problem steckt auch eine Herausforderung“, so Hendrik Sittig. „Unsere diesjährige Konferenz ist ein großes digitales Experiment.“

Thema des ersten Panels war das Vertrauen in die Medien während der sogenannten, durch die Pandemie ausgelösten „Infodemie“ – eine Flut an Desinformationen über das Virus etc. Dies war und ist nach wie vor eine große Herausforderung für Journalisten und Mediennutzer gleichermaßen. Unter dem Motto „Trust me, I am a journalist!“ teilten die Panelisten ihre professionellen, aber auch privaten Erfahrungen, Bedenken und gelernte Lektionen. Moderiert wurde das Panel von Maja Sever, Journalistin beim Kroatischen Rundfunk (HRT), Zagreb. Alle vier Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass die Arbeitsbedingungen für Medienschaffende und der Zugang zu Informationen in der Pandemie erschwert sind. Andon Baltakov, Generaldirektor des bulgarischen Nationalradios (BNR), beschrieb sogar die aktuelle Situation als „wahrscheinlich herausforderndste Periode in der Geschichte für den journalistischen Beruf“. Und weiter: „Jeder kann sich gerade als Analyst und Journalist ausgeben. Journalisten müssen nun die Standards des professionellen Journalismus aufrechterhalten. Das ist eine Herausforderung.“ Journalisten müssten daher kämpfen und das gehe nicht spurlos an ihnen vorbei. Milorad Ivanovic, Chefredakteur des Balkan Investigative Reporting Network (BIRN) Serbien, aber auch Mihailo Jovovic, Editor-at-Large beim montenegrinischen Nachrichtenportal „Vijesti“, machten auf die psychische Gesundheit von Journalisten aufmerksam sowie auf die Tatsache, dass dieser Aspekt in der öffentlichen Debatte untergehe: „Wir sind nicht auf diese Art von Belastung vorbereitet. Ich hoffe, dass wir in Zukunft mehr Geld in die psychische Gesundheit von Journalisten investieren“, so Ivanovic. Auch aus finanzieller Sicht sind Medien und Medienschaffende herausgefordert und stoßen an ihre Grenzen. Aus diesem Grund ist für Cecilia Anesi, investigative Journalistin und Vorstandsmitglied des Investigative Reporting Project Italy (IRPI), ein funktionierendes Netzwerk ausschlaggebend für die Informationsbeschaffung in Krisenzeiten: „Das erworbene Wissen und unsere bereits existierenden Quellen, die wir seit langem pflegen, waren für unsere Arbeit und unsere investigativen Recherchen von entscheidender Bedeutung.“

Im zweiten Panel „I will survive!“ ging es um neue Partnerschaften und Kooperationsmöglichkeiten, finanzielle Herausforderungen, Umstrukturierungen und alternative digitale Formate. Moderator war Ali Aslan, internationaler TV-Moderator und Journalist aus Berlin. Es wurde klar, dass der journalistische Beruf, besonders in Krisenzeiten eine extrem wichtige Rolle einnimmt und von besonderer Bedeutung für die Gesellschaft ist. „Ich bin mir nicht sicher, ob wir hundertprozentiges Vertrauen genießen, aber die Arbeit von Journalisten gewinnt mehr an Bedeutung“, so Francesco Martino, Korrespondent für das Think-Tank „Transeuropa Observatorium für den Balkan und Kaukasus“. „Es besteht ein erhöhter Bedarf an Qualitätsjournalismus. Die Medien sollten für und im Sinne der Gesellschaft arbeiten, aber auch die Gesellschaft sollte die Medien und deren Arbeit schätzen und unterstützen.“ Auf die Frage, ob die Pandemie als Anstoß für einen Erneuerungsprozess innerhalb der Medienlandschaft betrachtet werden kann, waren sich die Medienexperten des Panels nicht ganz einig. Ihr Konsens: Trotz Herausforderungen, Verlusten und Niederlagen müssen sich die Medien auf die eine oder andere Art und Weise an die neue Situation anpassen. „Anpassung ist das Schlüsselwort. Anpassung oder Scheitern“ – Alfred Lela, Chefredakteur des albanischen Nachrichtenportals „Politiko.al“.

Durch die Pandemie hat sich die Digitalisierung in den Medien beschleunigt. Hier waren sich die Panelisten einig. Die Digitalisierung sei Segen und Fluch zugleich. Sie sei mit viel Zeitaufwand und auch mit Investitionen finanzieller Mittel verbunden und doch könne man nicht darauf verzichten oder sich dem Trend entgegensetzen. Sie bringe auch viele Vorteile.

In Hinblick auf die finanziellen Herausforderungen für die Medien wurde klar, dass diese auch vor dem Coronavirus in den meisten Ländern der Region existierten. „Wirtschaftliche Probleme sind für uns nichts Neues. Diese hatten wir schon immer, besonders, wenn man unabhängig ist“, kommentierte Jovana Gligorijević, stellvertretende Chefredakteurin des serbischen Wochenblatts „Vreme“. „Aber wegen COVID-19 haben wir jetzt ein größeres Publikum. Das Problem sind nun die fehlenden Kapazitäten. Wir müssen ständig umstrukturieren.“  

Doch besonders in schwierigen Zeiten sei es wichtig, sich an die journalistischen Grundsätze zu halten. Daran erinnerte die Redakteurin der Slowenischen Presseagentur (STA) Nadja Podobnik: „Lasst uns der Öffentlichkeit dienen und lasst uns alle Werkzeuge, die uns zur Verfügung stehen, nutzen. Seien Sie Profis, seien Sie gute Journalisten!“

Das dritte Panel mit dem Titel „We are young!“ widmete sich den Ansprüchen und Wünschen des jüngeren Publikums. Eine neue Generation von Medienkonsumenten wächst heran und fordert die traditionellen Medien heraus. Diskutiert wurden u.a. Strategien für öffentlich-rechtliche Medien mit denen sie junges Publikum gezielt ansprechen. Das Konsumverhalten von jungen Menschen verändert sich laufend, stellten alle vier Panelisten fest. „Öffentliche Medien sollten die aktuelle Situation für sich nutzen, um Fortschritte zu machen, um an sich zu arbeiten“, appellierte Ivan Lovreček, der Direktor von der digitalen Agentur „Videoklick“. Es sei schwierig, eine Finanzierung für speziell auf ein junges Publikum abgestimmte Formate zu finden. Ein weiterer Faktor seien sogenannte Influencer – Privatpersonen, die z.B. auf YouTube Inhalte produzierten. Zum Teil stellten sie eine nicht zu unterschätzende Konkurrenz für traditionelle Medien dar. Sie hätten weitreichende Netzwerke und erreichten ein weites und vor allem junges Publikum. Lorik Arifaj, Programmdirektor des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders RTK im Kosovo, sieht in Influencern eine Chance: „Wir arbeiten mit ihnen zusammen. Wir laden gerade Influencer mit vielen Followern in unsere Shows ein. Wir bitten sie für uns zu werben. So erreicht man auch junges Publikum.“

Auch Felicia Reinstädt, Leiterin des öffentlich-rechtlichen Jugendangebots „Bremen NEXT“, ist der Meinung, dass eine Zusammenarbeit nötig ist. Und nicht nur das: „Unsere Journalisten sind meistens jung. Für sie ist es selbstverständlich, mit und in sozialen Netzwerken zu arbeiten. Sie bringen das Know-how mit. Das ist wichtig. Junges Publikum muss man auf eine angemessene Art und Weise ansprechen, mit der sie sich identifizieren können.“ Auch Petar Karaboev, stellvertretender Chefredakteur des bulgarischen Nachrichtenprotals „Dnevnik“, stellte fest, dass ein junges Publikum, die Ansprüche an die journalistische Arbeit erhöht.

Moderatorin Maida Muminović, Geschäftsführerin der bosnischen NGOs „Mediacentar Sarajevo“, fasste zusammen, dass die soziale Medienpräsenz ein Muss sei, dass die Anpassung von Inhalten an die junge Generation immer wichtiger werde und dass die Einbindung junger Menschen eine Schlüsselstrategie zu sein scheint. Die Berichterstattung über die Pandemien sei eine Gelegenheit, um das Vertrauen des jungen Publikums zu gewinnen oder wieder Vertrauen aufzubauen.

Zum Abschluss des Forums dankten die Veranstalter Nina Kodelja, Oliver Vujović und Hendrik Sittig allen Panelisten, Moderatoren und Gästen für ihre Teilnahme, ihr Engagement und für ihre Flexibilität in Bezug auf das hybride Format, das sich schließlich als ein erfolgreiches, aber auch organisatorisch herausforderndes Experiment herausstellte. Sie gaben ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass sich die Situation im nächsten Jahr verbessert. 

 

 

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Über diese Reihe

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