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Veranstaltungsberichte

Nachwuchspolitiker Seminar in Nikosia

Zusammen mit der Genfer Initiative und der palästinensischen Friedenskoalition, organisierte KAS eine Delegation von israelischen und palästinensischen Nachwuchspolitiker nach Nikosia, Zypern, um an einem Dialog-Seminar teilzunehmen und die Zukunft des israelisch-palästinensischen Konflikts sowie die Zweistaatenlösung zu diskutieren.

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Mit dem Ziel junge israelische und palästinensische Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft zusammen zu bringen, organsierten die Genfer Initiative und die Konrad-Adenauer Stiftung Israel vom 8. bis zum 10. Juni 2018 ein dreitägiges Seminar in der zyprischen Stadt Nicosia. Zweck des Seminars war es, dich sich gegenüberstehenden Positionen zu diskutieren, Herausforderungen konkret zu benennen und sich mit Möglichkeiten der Realisierung einer Zweistaatenlösung auseinander zusetzen. Teilnehmende waren 10 junge Führungskräfte, die je zur Hälfte aus Israel sowie aus Palästina stammen und ferner für jede Gruppe jeweils einen politisch und geschichtlich erfahrenen Sprecher. Der gewählte Ort vermittelte den Teilnehmenden einen Eindruck vom Zyprischen Konflikt und dem Leben in einer geteilten Stadt.

Nach der Ankunft im Hotel in Nicosia eröffnete der Repräsentant der Genfer Initiative das Seminar vor der gesamten Gruppe. Nachdem er auf die jüngsten tragischen Ereignisse im Rahmen des israelisch-palästinensischen Konflikts eingegangen war, betonte er, dass ein Ende gewaltsamer Ausschreitungen vergleichbarer Art, ohne die Vornahme von Verhandlungen zwischen den Beteiligten, ausgeschlossen sei. Der Leiter der KAS Israel, Dr. Alexander Brakel begrüßte die Teilnehmer mit lobenden Worten. Die Bereitschaft sich im Rahmen dieses Seminars aktiv für den Friedensprozess einzusetzen sei vor allem in Zeiten wie diesen, die hoffnungslos erschienen, anerkennenswert. Nachdem sich die beiden Sprecher vorgestellt hatten und über ihre jeweilige langwierige Involvierung in den Friedenprozess berichtet hatten, erhielt jeder einzelne Teilnehmer die Gelegenheit sich der Gruppe kurz vorzustellen und ihre Gründe für die Seminarteilnahme zu erläutern.

Die Sprecher eröffneten nach dem Ende der Vorstellungrunde die Gruppendiskussion zu den aktuellen Entwicklungen des Konflikts und deren Auswirkungen. Obwohl sich der israelische Sprecher überzeugt zeigte, der Auffassung zu sein, dass am Ende des Tunnels der Frieden in Form einer Zweistaatenlösung stehen würde, räumte er ein, eine dahinführende Entwicklung gegenwärtig nicht beobachten zu können. Aus diesem Grund schlage er vor, die Friedensbemühungen darauf zu konzentrieren, die Kommunikationskanäle aufrecht zu erhalten. Er stellte verschiedene mögliche Szenarien vor, die sich durch die gegenwärtige politische Situation erheblich verändern und den Friedensprozess wiederbeleben könnten. Dazu gehörten die kommenden Wahlen in Israel, eine mögliche Erhebung der Anklage gegen Netanjahu oder einen Rücktritt desselbigen, der „American peace deal“ oder eine Sicherheitskrise. Darüber hinaus verdeutlicht er, dass der israelische Staat im Falle eines Friedensvertrages 130.000 Siedler evakuieren müsse. Ein Szenario, dass einen israelischen Bürgerkrieg auslösen könne und daher ein Risiko darstelle, dass keine Führungsperson bereit wäre zu tragen. Demnach könnte es darauf hinauslaufen, dass die Situation künftig unverändert bliebe oder es zur „Einstaatenlösung“ käme. Ein einheitlicher Staat drohe dann entweder demokratisch und nicht jüdisch oder als „Apartheid-Staat“ ausgestaltet zu sein.

Nach 25 Jahren Oslo-Prozess, 15 Jahren Genfer Initiative und dem 30-jährigen Jubiläum der PLO-Anerkennung durch die UN-Resolution, sei ein Frieden noch immer nicht in Sicht, leitete der palästinensische Sprecher seine politische Zusammenfassung ein. Die Besatzung habe sich tiefgreifender und intelligenter weiterentwickelt. Obwohl die Hamas während der Friedensverhandlungen geschwächt worden sei, habe sie nach der Tötung von Yahya Ayyash (1996) mutmaßlich durch den israelischen Staat zunehmend an Stärke zurückgewonnen und in Folge des israelischen Rückzuges aus Gaza (2005) mit dem Slogan „5 Jahre Widerstand schlagen 10 Jahre Verhandlungen“ Kampagnen betrieben. Demgegenüber seien jedoch die guten Neuigkeiten, dass die Hamas sich heute als wesentlich pragmatischer als früher zeige und Israel folglich gehalten sei, die moderaten Strömungen innerhalb der Hamas zu fördern. Er sei außerdem der Auffassung, dass der Frieden auch deshalb in der Vergangenheit nicht erreicht wurde, da Israel immer behauptet habe, dass allein die Palästinenser mit dem jeweiligen Friedens-Angebot der Israelis unzufrieden gewesen sein. Konkrete politische Ziele sollten nun die Beendigung des fortschreitenden Siedlungsbaus und der anhaltenden inner-palästinensischen Zersplitterung sein.

Nach dem Ende einer Kaffee-Pause stellten die Gruppen das jeweilige Mainstream-Narrativ ihres Landes hinsichtlich des Konflikts dar. Nach Auffassung der israelischen Mehrheitsgesellschaft, so die israelische Gruppe, gäbe es auf palästinensischer Seite keinen Verhandlungspartner, darüber hinaus würde das Bedürfnis nach der Lösung des Konflikts nicht als all zu dringlich empfunden. Gründe dafür seien die relativ guten Lebensumstände innerhalb ihrer Heimat und die Tatsache, dass die meisten Israelis weder das Westjordanland noch den Gazastreifen jemals betreten hätten und sich folglich insoweit nur über mediale Kanäle informieren könnten. Viele seien außerdem der Meinung, dass die Palästinenser den israelischen Staat und seine jüdischen Bewohner gänzlich zerstören wollten. Daher stellten die meisten Israelis die Befürwortung einer Zweistaatenlösung unter die Bedingung, dass keinerlei Unterstützung von Terrororganisationen durch die Palästinenser zu erwarten sei.

Die palästinensische Seite porträtierte das allgemeine Narrativ in den palästinensischen Gebieten als folgendes: Die Palästinenser wollten die Rechte zugestanden bekommen, sich frei bewegen zu dürfen und Zugang zu Jerusalem zu erhalten. Darüber hinaus begehrten sie die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Israel. Außerdem sähe die palästinensische Mehrheitsgesellschaft die 6000 inhaftierten Palästinenser in Israel größtenteils als Helden oder bemitleidenswerte Personen, die zu unrecht ihre Leben in Freiheit verloren hätten. Auch den palästinensischen Geflüchteten müsse nach mehrheitlicher Auffassung das Recht zugestanden werden, in ihre Heimat zurückkehren zu dürfen. Dabei sei die Wiedergewinnung Jerusalems das Herzstück des palästinensischen Narratives. Ferner müsse die unzureichende Wasser- und Stromversorgung in Gaza gewährleistet werden. Der israelische Sprecher schloss die Vorträge ab, in dem er betonte, dass jede Seite ihre eigene Auffassung habe und man die Gruppen zwar nicht mit der jeweils anderen übereinstimmen müssten, sie zu kennen sei demgegenüber zwingend. Nach einer Reihe administrativer Besprechungen, kamen die Gruppen erneut zusammen, um sich diesmal auf persönlicher Ebene kennen zu lernen, verbrachten den Abend gemeinsam und gingen anschließend zusammen aus.

Der zweite Tag begann mit einem historischen Überblick über die Entwicklung der Zweistaatenlösung aus palästinensischer Perspektive durch den palästinensischen Sprecher. Er betonte, dass die palästinensische Seite in der Vergangenheit stets nur Zugeständnisse aus der Machtposition heraus machen könnte. Aus seiner Sicht seien die Verhandelnden, indem sie dem Israelischen Staat zu wenig Verantwortung für die Geflüchteten-Problematik zugeschrieben hätten, zu weit gegangen und hätten dadurch maßgeblich zur Schwächung der Friedemsinitiative beigetragen. Dabei sei seiner Auffassung nach die Lösung des Problems, ohne die Anerkennung eigener Verantwortung seitens Israels, nicht zu bewältigen. Als positives Fazit könne jedoch die Tatsache, dass die meisten palästinensischen Fraktionen die Schaffung eines palästinensischen Staates innerhalb der Grenzen von 1967 akzeptieren und befürworten würden.

Der israelische Sprecher folgte mit der Beurteilung der allgemeinen Sicherheitspolitischen Lage sowie den Geschehnissen in Gaza. Seiner Auffassung nach handele es sich bei Israel um den stärksten Akteur im nahen Osten, der nicht einer Existenzbedrohung ausgesetzt sei. Die Kooperationen mit den palästinensischen Autoritäten liefen hervorragend, sodass die meisten terroristischen Aktivitäten von den palästinischen Behörden unterbunden werden könnten. Aus diesem Grund sei die Sicherheitslage positiv zu bewerten. Die Mehrheit der israelischen Sicherheitsexperten verträte außerdem die Auffassung, dass das bestehende Sicherheitsproblem nur im Wege einer Zweistaatenlösung zu bewältigen sei. Ferner seien sie der Meinung, dass die Besatzungspolitik nicht zu Sicherheit Israels beitrage, sondern im Gegenteil ein Risiko für selbige darstellte. Aus sicherheitspolitischer Betrachtungsweise sei auch die Situation in Gaza ohne die Stationierung israelischer Soldaten eine weitaus bessere, als vor Abzug der IDF-Truppen im Jahre 2005. Obwohl der Jordangraben insoweit keine Relevanz innehabe, sei dessen Kontrolle nach Auffassung der israelischen Regierung auch nach Abschluss eines etwaigen Friedensvertrages noch im Interesse des Staates.

Das Interesse der Palästinenser habe sich aus Sicht des palästinensischen Sprechers von einer nationalen zur einer humanitären Frage entwickelt. Ohne eine Klärung der Geflüchteten-Problematik werde es seiner Meinung nach keinen Frieden geben und indem selbige von israelischer Seite aus abgelehnt werde, rücke man weiter von einer friedlichen Konfliktbeilegung ab. Israel müsse sich bei den Palästinensern für die Vertreibung entschuldigen. Die Lage in Gaza, die sich aufgrund der wachsenden Population, des Platzmangels und der schrumpfenden Trinkwasserressourcen zu einer humanitären Katastrophe entwickle, würde auch dem israelischen Staat künftig Sorgen bereiten. Gleichzeitig offenbare die Situation nicht nur israelisches Versagen, sondern auch das der Palästinenser, Ägyptens sowie der internationalen Staatengemeinschaft. Um die Entwicklungen zu stoppen, müssten die Palästinenser geeint handeln und von den anderen Beteiligten unterstützt werden.

Anschließend erläuterte der israelische Sprecher seine Auffassung zur Grenzziehung zwischen den Ländern im Falle einer Zweistaatenlösung. Durch den Bau des israelisch-palästinensischen Grenzzauns seien mittlerweile neue Fakten geschaffen worden, die zugunsten eines etwaigen Friedensvertrages verändert werden müssten. Nichtsdestotrotz seien 40 % der geplanten Grenz-Route noch nicht bebaut worden und mit Beendigung der Bauarbeiten würden 8,5% des palästinensischen Territoriums zum israelischen Gebiet gehören. Im Rahmen vergangener Verhandlungen hätte der ehemaligen Premier Ehud Olmert dem Mahmud Abbas (Abu-Mazen) 6,5% des Gebietes zum Tausch angeboten. Im Genfer Vertrag sei vereinbart worden 2,7 % des Landes zu tauschen. Unter Zugrundlegung wissenschaftlicher Studien läge die Größe maximal von Israel verhandelbarer Landstriche bei 4,5 %. Auf Grundlage dieser Zahlen müsse ein Kompromiss gefunden werden. Er mutmaße, dass im Zuge eines Friedenvertrages 70% der israelischen Siedlungen auf der Seite Israels verbleiben könnten, was bedeute, dass 130.000 Siedler evakuiert werden müssten, wovon seiner Meinung nach die Hälfte freiwillig zurückkehren würden.

Im Anschluss an das Mittagessen setzten sich die Gruppen zusammen und diskutierten ihre jeweiligen Beiträge. Alle Teilnehmenden kamen zum Ergebnis von der jeweils anderen Gruppe viel gelernt zu haben, obwohl nach allgemeiner Auffassung nicht genug Zeit übrig geblieben wäre, um alle Punkte zu besprechen. Nach Ende der Besprechung erfolgte durch den ein türkischen Promotionsstudierenden Sertac Sonan eine geschichtliche Einführung in den Zyprischen Konflikt.

Nach Ende der Kaffee-Pause gab Dr. Alexander Brakel eine Präsentation der europäischen Perspektive auf den Konflikt, im Rahmen dessen er betonte, dass die EU als Institution zwar die Zweistaatenlösung befürworte, es jedoch unter den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlichen Zuspruch für jeweils die israelische oder palästinensische Seite gäbe. Darüber hinaus machte er darauf aufmerksam, dass die EU die größte monetäre Unterstützerin der palästinensischen Gebiete sei und ihre Bezuschussung der UNRWA nach Kürzung der finanziellen Unterstützung der USA vergrößert habe. Nichtsdestotrotz stelle sich eine Erschöpfung nach 25 Jahren des nicht Friedens ein. Die Zuversicht ein politischen Konsensus zu erreichen sei schwindend. Letzteres sei auch maßgeblich auf hauseigene Problematiken der EU zurückzuführen. Beispielhaft seien die Sorgenkinder Brexit, Euro-Krise, der umstrittene Umgang mit Geflüchteten, die Ukraine-Krise und die Trump-Administration angeführt. Außerdem hätten die letzten 10 bis 15 Jahre gezeigt, dass der israelisch-palästinensische Konflikt nicht das Epizentrum der andauernden nahöstlichen Instabilität sei und es folglich in Europa an einem entsprechendem politischen Willen mangele. Der Fokus Europas läge viel eher im wirtschaftlichen Bereich, insbesondere auf der israelischen High-Tech Industrie.

Am Abend beschäftigten sich die Teilnehmer mit typischen Argumenten die regelmäßig von Seiten der Gegner der Zweistaatenlösung hervorgebracht würden und entwickelten schlagfertige und kurze Antworten zur Erwiderung im Rahmen einer Diskussion. Im Anschluss an das Frühstück am Tag darauf folgte eine Führung durch den türkischen Stadtteil Nicosias mit Sertac Sonan und durch die griechische Hälfte der geteilten Stadt begleitet von Gregoris Ioannou.

Nach Ende der Stadtführung wurde der Gruppe erneut die Möglichkeit eingeräumt das Erlebte zu diskutieren und ihre Meinungen über das Gesehene gemeinsam zu reflektieren. Die Gruppe war einhelliger Auffassung, dass der Fall Nicosia als Vorbild für die Lösung des Israelisch-palästinensischen Konflikt dienen könnte und drückten ihren Willen aus, weiter am Dialog mit der anderen Seite zu arbeiten. Vor allem der stete Kontakt zu Politikern sei aus ihrer Sicht besonders wichtig zur Erreichung des Ziels. Die letzte Einheit des Aufenthalts beschäftigte sich mit der Zukunftsperspektive des Konflikts und worin der Mehrwert der Teilnehmenden bestehen könne. Nachdem die Beteiligten sich auf eine Vorgehensweise geeinigt hatten, wurde die Anti-Normalisierungsbewegung diskutiert, nachdem ein palästinensischer Teilnehmer sich Überzeugt gezeigt hatte, dass jene Bewegung den Friedenprozess bedrohen würde. Einigkeit bestand im Kreise aller Teilnehmenden über die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Kommunikation und der Tatsache, dass die Durchführung von Zusammenkünften dieser Art unverzichtbarer Bestandteil eines konstruktiven Friedenprozesses sein. Konsens bestand ebenso darüber, dass israelisch-palästinensische Treffen vermehrt und mit größerer Teilnehmerzahl auch künftig durchgeführt werden sollten, dafür wollten sich alle Beteiligten persönlich einsetzen.

Dr. Brakel beendete das Seminar mit einer Abschlussrede im Rahmen derer er betonte, dass es eine der größten Herausforderungen im Rahmen dieses Konflikts sei, nicht in eine einseitige Argumentationsstruktur zu verfallen. Trotzdem und gerade aufgrund dessen sei die Kommunikation mit „der anderen Seite“ eine unabdingbare Voraussetzung der Konfliktlösung. Dementsprechend s tehe die Konrad-Adenauer-Stiftung Israel bereit, Initiativen und Projekte, die einen Beitrag zur Annäherung der Beteiligten förderten, unterstützend zu begleiten.

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