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Veranstaltungsberichte

Politische Repräsentation von Minderheiten in der ARK

von Laure-Maïssa Fargelat, Jessy Daccache

Open Think Tank und KAS veranstalten Konferenz in Erbil

Die Region Kurdistan-Irak ist nicht nur Heimat der Kurden, sondern auch einer Vielzahl anderer ethnischer und religiöser Minderheiten wie Chaldo-Assyrer, Turkmenen, Armenier, Araber, Christen, Jesiden, Kakaier, Shabaken, Zoroastrier und Sabier. Mit elf von 111 Sitzen des kurdischen Regionalparlamentes werden nur drei dieser Minderheitengruppen repräsentiert. Andere Minderheiten sind in das Quotensystem nicht integriert.

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Im Hinblick auf die kommenden Wahlen in der Auto-nomen Region Kurdistan (ARK) streben die Jesiden und weitere Gruppen eine bessere Repräsentation im Parlament an. Um die Defizite der aktuellen politi-schen Repräsentation von Minderheiten im Kurdischen Parlament zu diskutieren, veranstalteten der Open Think Tank (OTT) und die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) zu dieser Thematik am 16. August 2018 eine Konferenz in Erbil. Sowohl Mitglieder des Kurdischen Parlamentes, Vertreter des Büros des kurdischen Ministerpräsidenten als auch Vertreter religiöser und ethni-scher Minderheiten, zivilgesellschaftliche Akteure, Akademiker sowie religiöse Führungspersönlichkeiten tauschten sich über Vorschläge und Handlungsempfehlungen, um die Herausforderungen des aktuellen Quotensystems in der ARK zu bewältigen, aus.

Das erste Panel der Konferenz versammelte Mitglieder des Kurdischen Parlaments – unter ihnen einerseits die Nachfahren Mesopo-tamiens, die Caldo-Assyrer, aber auch Armenier und Turkmenen sowie ein jesidisches ehemaliges Mitglied des irakischen Parlamentes. Die Bedeutung der politischen Repräsentanz nicht nur von ethnischen, sondern auch religiösen Minderheiten wurde als eine wegweisende Richtung erkannt, um die vielfältige Bevölkerungszusammensetzung der ARK proportional darzustellen. Eine wirkliche und sachgemäße Repräsentanz im Parlament würde die Rechte der Minderheiten schützen und Chancengleichheit ga-rantieren. Behauptungen, dass die großen Parteien die Minderheitenquote ausnutzen und Wahlen beeinflussen können, da die Wahlen für die Minderheiten nicht separat geregelt sind, resultierten in Vorschläge an das Parlament, eine spezielle Registrierungsliste für Wähler aus Minderheitengrup-pen, eigene Wahlstationen und –Zettel oder sogar einen speziellen Wahltag für Minderheiten einzuführen. Es wurde zusätzlich betont, dass es elementar für die Minderheiten ist, auch in der Exekutive, besonders im Ministerrat vertreten zu sein. Generell wurde das Quotensystem als die einzige Möglichkeit für Minderheiten gepriesen, Sitze im Parlament zu gewinnen und somit ihre Rechte einfordern zu können. Zum aktuellen Zeitpunkt stellt das Quotensystem und die damit einhergehende positive Diskriminierung die einzige Möglichkeit dar, Gruppen zu repräsentieren, die zu klein sind, um das für die Wahl entscheidende Quorum von 20.000 Stimmen zu erreichen. Trotzdem waren sich die Teilnehmer einig, dass die Quote aufgrund ihrer existenten Schwachstellen in der Zukunft überholt werden muss.

Dr. Jaafar Emniki, stellvertretender Sprecher des kurdischen Regionalparlamentes und Mitglied der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) nahm gemeinsam mit Adnan Mufti, dem ehemaligen Sprecher des Kurdischen Parlamentes und Mitglied der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), am zweiten Panel teil. Beide erkannten die Notwendigkeit der politischen Repräsentation von Minderheiten im Parlament und lobten die ARK als ein Vorzeigebild innerhalb der Region, welche das Quotensystem schon seit ihren ersten Wahlen im Jahr 1992 verankert hatte. Dr. Emniki stellte fest, dass das Ziel der Regierung, eine integrative Gesellschaft zu schaffen, noch nicht erreicht wurde. Nichtsdestotrotz versicherte er abermals den Willen der großen politischen Parteien, einen Beitrag zu leisten, um die Sitze für alle „Komponenten“ Kurdistans und deren Repräsentation zu sichern. Er bestand dabei auf den juristischen Terminus der „Komponenten“, da dieser sowohl einen positiven psychologischen Effekt hervorrufe, als auch deren Zugehörigkeitsgefühl stärke. Dr. Emniki pflichtete den vorherigen Standpunkten bei, dass die Notwendigkeit besteht, fortan auch religiöse Minderheiten in das Repräsentationssystem zu integrieren, welches nicht mehr der aktuellen demografische Struktur der Region entspricht. Er konstatierte, dass die Erhöhung der Quote im kurdischen Regionalparlament ein Signal darstellen würde. Es sendet nicht nur ein positives Bild nach außen, sondern unterstützt vielmehr die Reflexion und Integration aller kurdischen „Komponenten“ in das politische System. Einflussnahmen durch größere Parteien oder sogar externer Akteure dürften somit obsolet werden. Adnan Mufti erwähnte die Anerkennung der Kurden nach der irakischen Diktatur als ein Vorzeigeexempel dafür, wie die Kurden selbst mit Minderheiten umgehen sollten, auch im Hinblick darauf, dass diese Minderheiten schon seit über 1.000 Jahren im Irak beheimatet sind. Er erwähnte, dass die Unterstützung der kurdischen Bevölkerung notwendig für die Regierung wäre, um die Integration von Minderheiten voranzutreiben. Obwohl seit 2006 eine Vielzahl von Bemühungen unternommen worden, um die Situation zu verbessern, sind die Spannungen zwischen den verschiedenen Gesellschaften gewachsen. Mufti hielt fest, dass sowohl die politischen Parteien, als auch die Minderheiten für die unzureichende Repräsentation verantwortlich seien. Um das Problem zu lösen, müsse das Wahlrecht novelliert werden und die Repräsentation von Minderheiten fortan internationalen Standards unterliegen. Zudem müssen die großen politischen Parteien mehr in Kandidaten von Minderheitengruppen investieren, indem sie erfahrene Führungspersönlichkeiten der Minderheiten, die von ihren Gemeinden nominiert wurden, in den Wahlkampf für deren Repräsentation schicken.

Das letzte Panel versammelte Vertreter ver-schiedener Minderheiten aus der Zivilgesellschaft. Es wurde festgehalten, dass sich die politische Teilhabe von Minderheiten ver-bessert hat, da nun mehr politische Parteien am Wahlkampf teilgenehmen als noch bei den Wahlen zuvor, wenngleich sie diesen auch primär ausnutzen, um der internationalen Gemeinschaft zu signalisieren, dass die Region voranschreitet. Für die Gemeinde der Jesiden spielt die proportionale Repräsentation nur eine untergeordnete Rolle. Sie legt mehr Wert auf das Recht am politischen Prozess, vor allem auf Ausschuss- und Regierungsebene, teilzuhaben. Für einige der Minderheitengruppen ist auch die Definition ihrer Identität ein entscheidender Faktor. Die offizielle Anerkennung als eigene Gemeinde ist Voraussetzung dafür, als Minderheitengruppe repräsentiert werden zu können und nicht nur als kurdischer Kandidat bei der Wahl anzutreten. Erwähnt wurde auch, dass die Verantwortung für die Sicherstellung von Gerechtigkeit dabei sowohl bei den Institutionen als auch der kurdi-schen Gemeinschaft als Ganze liegt und der Friede zwischen den Gemeinden das oberste Ziel verkörpern sollte.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Meinungen über das Quotensystem überwiegend positiv ausfielen. Es stellt die einzige Möglichkeit für kleine Minderheiten dar, ihre Rechte zu schützen und repräsentiert zu werden; wenngleich sich die Mehrheit auch für eine Reformierung ausspricht, um eine effektive Teilhabe zu erzielen und gesellschaftliche Mitwirkung von Minderheiten zu garantieren.

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