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Veranstaltungsberichte

Spanien und Europa - Die Ergebnisse der Europawahlen 2019

Auswirkungen auf die Agenda der EU

Am 5. Juni organisierte die Konrad-Adenauer-Stiftung in Zusammenarbeit mit der Vertretung der Europäischen Kommission in Spanien und der Europäischen Bewegung in Spanien die internationale Konferenz "Spanien und Europa: Die Ergebnisse der Europawahlen 2019: Auswirkungen auf die Agenda der EU nach den Wahlen". Die Konferenz fand in der Vertretung der Europäischen Kommission in Spanien statt.

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Laut María Andrés Marín, Leiterin der Vertretung des Europäischen Parlaments in Spanien; Francisco Aldecoa, Vorsitzender der Europäischen Bewegung in Spanien und Wilhelm Hofmeister, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Spanien und Portugal, sind die europäischen Bürger die größten Gewinner der Europawahlen. Insbesondere in Spanien stieg die Wahlbeteiligung von 45,8% im Jahr 2014 auf 64,3% im Jahr 2019. Das neue Europäische Parlament zeichne sich dabei durch seinen pluralen, pro-europäischen Charakter aus. Gegenüber der bisherigen Zusammensetzung der Kammer sei nun die Zustimmung von mindestens drei Parteien erforderlich, um die absolute Mehrheit zu erreichen. Dies bedeute, dass die Anforderungen an die Abgeordneten, Kompromisse zu finden und sich unter den verschiedenen Fraktionen über bestimmte Politiken zu einigen, wichtiger denn je seien; insbesondere, wenn man bedenke, dass die Europäische Union großen Herausforderungen gegenüberstehe wie bspw. dem Brexit, dem Klimawandel und institutionellen Reformen. Die Referenten betonten die Zersplitterung und das Fehlen eines gemeinsamen Programms der euroskeptischen Parteien und wiesen darauf hin, dass die Mandatsverluste bei der Europäischen Volkspartei (EVP) und den Sozialisten (S & D) weitgehend durch die Liberalen (ALDE) und die Grünen (Greens-EFA) aufgefangen wurden, die in jeder Hinsicht pro-europäisch seien.

Die Perspektiven für die Demokratie in der Europäischen Union

Der ehemalige Stellvertretende Kabinettschef und Minister der italienischen Regierung, Angelino Alfano (Mailand/ Rom, Italien), unterschied zwei Gruppen, die sich durch eine grundlegend entgegengesetzte Vorstellung von Europa auszeichneten: diejenigen, die Europa als Problem sehen, und diejenigen, die Europa als Chance und Lösung wahrnehmen. Ohne die Europäische Union wären die Europäer laut Alfano ärmer, isolierter und weniger frei, als dies heute der Fall sei. Allerdings sind jedoch wichtige Reformen erforderlich, um ein sozialeres Europa zu schaffen, das die Schwächsten schützt, und die Chancen unseres europäischen Binnenmarkts nutzt, um die Gefahr einer internationalen Marginalisierung Europas zu vermeiden. "Der anhaltende Erfolg Europas wird davon abhängen, ob wir angesichts der großen Herausforderungen der unmittelbaren Zukunft wieder eine klare konstruktive Vision entwickeln können", unterstrich Alfano unter Bezugnahme auf die großen Visionäre Europas, Alcide De Gasperi, Konrad Adenauer und Robert Schuman, dessen Inspirationen den Grundstein für die Errungenschaften der Europäischen Union nach dem Zweiten Weltkrieg legten.

Er forderte das Publikum auf, niemals zu vergessen, dass die Europäische Union in erster Linie ein Friedensprojekt ist und bleibt. Ihm zufolge sei die Europäische Union nach wie vor ein Gebäude, das den Europäern viel Hoffnung und Sicherheit gebe, welches aber durch die Politik weiterhin in regelmäßigen Abständen vervollständigt und reformiert werden müsse.

Die zukünftige Rolle der Europäischen Union in der internationalen Politik

Sven Biscop, Direktor des Programms „Europa in der Welt“ des Königlichen Egmont Instituts für Internationale Beziehungen (Brüssel, Belgien), konzentrierte sich in seiner Rede auf die geopolitischen und sicherheitspolitischen Herausforderungen, die die Europäische Union in dieser Legislaturperiode angehen müsse. In diesem Zusammenhang steht der neue Hohe Vertreter für Auswärtige Angelegenheiten der Europäischen Union vor der Herausforderung, mit den Mitgliedstaaten einen Konsens zu vereinbaren, der drei Dimensionen beinhaltet. Erstens muss die EU eine dauerhafte gemeinsame strategische Positionierung gegenüber den beiden Weltmächten USA und China erreichen. Zweitens hat die EU die Fähigkeit und die Verantwortung, ihre Handelsbeziehungen mit Drittländern zu diversifizieren, um die wirtschaftpolitische Abhängigkeit von einer der beiden Weltmächte zu vermeiden. Drittens muss die Europäische Union die strategische Integration innerhalb ihrer eigenen Grenzen vorantreiben. Wenn europäische Politiker ernsthaft diese Herausforderung annehmen, würde dies Debatten zur Folge haben wie bspw. die Begrenzung von außer-europäischer Einmischung in Fragen der europäischen Sicherheit und die Vertiefung der Integration einer gemeinsamen Verteidigungspolitik.

Politische und institutionelle Reformen und die Rolle Spaniens

Ramón Jáuregui, ehemaliger Sprecher der spanischen Sozialisten im Europäischen Parlament (von 2016 bis 2017, Madrid, Spanien) und José María Lassalle, ehemaliger Staatssekretär für die Informationsgesellschaft und die Digitale Agenda Spaniens (von 2016 bis 2018, Madrid, Spanien) sowie der Moderator Jochen Müller, Stellvertretender Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Spanien, untersuchten die Auswirkungen der neuen Zusammensetzung des Europäischen Parlaments auf Spanien.

Ramón Jáuregui betonte, dass die europhoben Parteien nur 15% der Sitze im neuen Europäischen Parlament erreichten. Obwohl EVP und S&D weiterhin die wichtigsten Kräfte im Plenum sind, wird eine Koalition von drei oder vier Parteien erforderlich sein, um stabile Mehrheiten zu erhalten. Trotz der relativen Mehrheit der euroskeptischen Parteien in einigen Ländern zeigt das Eurobarometer, dass mehr als zwei Drittel der europäischen Bürger für die Europäische Union sind. Er betonte, dass es von entscheidender Bedeutung sei, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs ein intelligentes Gleichgewicht bei der Verteilung wichtiger Positionen in der Europäischen Union erreichten. Darüber hinaus sieht Herr Jáuregui die Notwendigkeit, die Schaffung der einheitlichen europäischen Währung abzuschließen, Normen und Arbeitsgesetze zu harmonisieren sowie die Migrationsfrage und die Fortschritte im Bereich der gemeinsamen Verteidigung zu vereinbaren. Ihm zufolge muss sich die Europäische Union angesichts eines offen anti-europäischen US-Präsidenten auf alle Eventualitäten des Brexit vorbereiten.

Jose Maria Lassalle griff in seiner Rede das Phänomen der kollektiven Angst im 21. Jahrhundert wieder auf. Seiner Meinung nach zeichneten sich weite Teile der Bevölkerung dadurch aus, dass sie Sorge und Angst vor der digitalen Revolution empfänden. Die neuen Technologien und die Digitalisierung würden dabei insbesondere als Bedrohung des Mittelstandes und des Arbeitsmarktes wahrgenomen. Diese Zukunftsangst befördere einen neuen Populismus, der gegenwärtig die in allen europäischen Gesellschaften beobachtet werden könne. China und die Vereinigten Staaten kämpften dabei einen einen technologischen Krieg zwischen den „digital mandarines“, die alle politische Macht in den Händen einiger weniger politischen Führer vereinten, und eines „digital calvinism“, für den die mächtige technologische corporate governance des silicon valleys stehe. In diesem technologischen Krieg sei Europa eines von mehreren attraktiven Schlachtfeldern zwischen den beiden Mächten, da die EU große Mengen an big data erzeuge, einem Gut, welches viele Experten für das Gold oder das Öl des 21. Jahrhunderts hielten. Daher empfiehlt Lassalle, die Rolle der Europäischen Union in diesem Zusammenhang neu zu interpretieren und sich als unabhängiger Akteur zwischen den beiden Mächten zu positionieren. Dabei könne Europa der globalen Gesellschaft einen Dritten Weg anbieten, der den technischen Fortschritt für das Wohlbefinden der Menschen nutze, jedoch zugleich die europäischen Werte gleichermaßen berücksichtige und damit die Freiheit der Bürger vor einem Missbrauch der Technologie schütze. Laut Lassalle seien es diese Werte und deren Potential, im Technologiezeitalter die Freiheiten der Bürger zu schützen, die die weltweite Attraktivität Europas als Modell ausmachten.

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