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Transatlantischer Dialog: Cyberwar als Konfliktform in den internationalen Beziehungen

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Die Machtverteilung im internationalen System der Staaten hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Vor allem der rasante Aufstieg Chinas zur Weltmacht und die neue Art der Konfliktführung durch Technologien standen im Mittelpunkt der Diskussion bei dem Transatlantischen Dialog mit dem Titel „Cyberwar als Konfliktform in den Internationalen Beziehungen“ am 27. November 2019 im Hotel Lindenhof in Gotha. Das Politische Bildungsforum Thüringen der Konrad-Adenauer-Stiftung lud den US-Amerikanischen Sicherheitsexperten Bradley Bowman, der als Senior Director des Centers on Military and Political Power (CMPP) der Foundation for Defense of Democracy tätig ist, als auch Dr. Julian Voje, den Programmleiter der Münchner Sicherheitskonferenz, als Referenten zu der Veranstaltung ein. Bradley Bowmans Expertise wurde von der Dolmetscherin Dr. Viola Klein aus dem Englischen übersetzt.

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Nach zwei kurzen Begrüßungsreden durch den wissenschaftlichen Mitarbeiter des Politischen Bildungsforum Thüringen, Steven Bickel, und der Repräsentantin des US-Generalkonsulats Leipzig, Anika Kreller, begann Herr Bowman mit dem ersten Impulsvortrag des Abends. Er erzählte, dass vor vier bis fünf Jahren die Sicherheitssorgen sowohl von Demokraten als auch von Republikanern in den USA vor allem auf den Irak, Afghanistan und die Gefahr des Terrorismus ausgerichtet waren, während China bei den meisten nur als wirtschaftlicher Mitbewerber angesehen wurde. Laut Bowman habe sich dies jedoch zwischenzeitlich verändert und China werde heutzutage, genauso wie Russland, von den beiden großen politischen Parteien der USA als politischer Gegner und Gefahr für die USA angesehen. Die Gefahr dieser Länder gehe, laut Bowman, nicht nur von ihrer Größe und ihrem wirtschaftlichen Aufschwung aus, sondern auch von der neuen Art der Konfliktmittel, die sie anwenden. Diese Art der Konfliktführung könne mit den Begriffen „Hybrid Warfare“ (Hybride Kriegsführung) und „Grey Zone Conflict“ (Grauzonenkonflikt) benannt werden. Dies bedeute, dass Länder wie China und Russland stückweise westliche Demokratien durch neue nicht-traditionelle Mittel der Kriegsführung– wie Desinformations- und Propaganda-Kampagnen im Netz oder Cyberattacken – angreifen, aber immer nur bis zu einer gewissen Schwelle, sodass knapp keine militärische Retaliation provoziert wird. Bowman kritisierte, dass US-Amerikaner aber auch Deutsche häufig in einer klaren Unterscheidung zwischen Krieg und Frieden denken würden, dies aber eine falsche Dichotomie sei, weil politische Zustände und Interaktionen mit anderen Staaten heutzutage nicht mehr so schwarz-weiß und eindeutig seien.

 

In chinesischen Strategiedokumenten ist von einer „military-civil fusion“ (chin. 军民融合; dt. Militar-zivile Fusion) die Rede, die Bowman als die Machtergreifungsstrategie Chinas ansieht und die durch Verbindung von militärischen Zielen mit kommerziellen Entwicklungen vor allem im Bereich von künstlicher Intelligenz und anderen neuen Technologien realisiert werde. Laut ihm, gäbe es keine privaten chinesischen Firmen; alle seien der kommunistischen Partei und deren Interessen unterstellt. In diesem Zusammenhang, wolle er Deutschland vor einer möglichen Kooperation mit dem chinesischem Telekommunikationsausrüster Huawei zum Ausbau des deutschen 5G Netzwerkes warnen. Seiner Meinung nach, würde eine derartige Zusammenarbeit im Bereich sensibler technologischer Systeme und kritischer Infrastruktur dazu führen, dass persönliche und sensible Daten aus Deutschland direkt bei der kommunistischen Partei Chinas landen und zur Erweiterung derer autoritären Kontrolle verwendet werden würden. In einer solchen Situation würden US-Nachrichtendienste die Zusammenarbeit mit Deutschland aus Sicherheitsbedenken reduzieren müssen.

 

Anschließend identifizierte Dr. Voje die drei größten Herausforderungen der westlichen Sicherheitspolitik. Die erste Herausforderung sei die Krise des seit dem Zweiten Weltkrieg aufgebauten internationalen Systems, dessen Spielregeln zunehmend von den Großmächten gebrochen werden würden. Ein Beispiel dafür sei die Aufkündigung des INF-Abrüstungsvertrages durch Russland und die USA im August 2019. Auch die Krise des liberalen Gesellschaftsmodels, charakterisiert durch eine Erosion des Vertrauen der Bevölkerung in das politische System und die Verbreitung von Fake News, setze die liberale Demokratie unter Druck. Drittens stände auch die europäisch-atlantische Gemeinschaft vor großen Herausforderungen, da sie sich nicht immer einig über das gemeinsame Handeln sei und auch durch innereuropäische Krisen unter Druck gesetzt werde. Diese Herausforderungen gehen laut Dr. Voje mit fünf weiteren sicherheitsrelevanten Entwicklungen einher. Die erste davon sei die Machtverschiebung auf der internationalen Ebene zugunsten Chinas, die mit einem relativen Verlust des Machtanteils von der EU und den USA einhergehe. Außerdem sehe er eine Gefahr in dem Verlust einer gemeinsamen Wahrheit durch Desinformation und Manipulation im Netz durch Akteure, die negativen Einfluss auf die Politik eines Landes nehmen wollen. Von politischen Akteuren und Wissenschaftlern größtenteils nicht vorhergesehene Ereignisse wie Brexit, die Wahl von Trump und Russlands Annexion der Krim würden auch zeigen, dass die Prognosefähigkeit von politischen Geschehnissen abhandengekommen sei und dadurch vorrausschauende Sicherheitspolitik erschwere. Die letzten zwei nicht zu unterschätzenden Entwicklungen seien der Verlust des staatlichen Monopols von militärischer Macht und die damit einhergehende fundamentale Veränderung der Natur von Konflikten, die zunehmend nicht mehr zwischen Staaten, sondern zwischen Bevölkerungsgruppen, terroristischen Gruppierungen und anderen nicht-staatlichen Akteuren ausgetragen werden. 

 

Bevor das Publikum ihre Fragen an die zwei Referenten richteten, ging Bowman noch näher auf den Cyber-Aspekt der heutigen sicherheitspolitischen Bedenken ein. Er berichtete, dass es im Jahr 2017 35.000 Cyberangriffe auf die US-Regierung gab und diese Zahl ständig dramatisch ansteige. Auch in Deutschland würde die Zahl der Cyberattacken steigen. Ein großer Teil dieser Angriffe komme laut Bowman aus China und Nordkorea, denn die militärische Strategie dieser Staaten sei der Ausbau ihrer technologischen Entwicklung, auch durch unrechtsmäßige Maßnahmen, und das Sammeln und Verwerten digitaler Daten. Dadurch würden die Souveränität und Werte der westlichen Staaten angegriffen werden und sie müssten Grenzen ziehen, bevor die Einwohner der westlichen Welt zu „durchsichtigen Menschen“ werden und, wie durch Chinas Sozialkredit System, ständiger Überwachung und Bewertung durch neue Technologien ausgesetzt werden. Deswegen sei die USA in den letzen Jahren sehr aktiv im Cyberspace geworden und hätte neben defensiver Abwehr von Cyberangriffen auch schon zu offensiven Gegenattacken angesetzt. Laut Bowman, würde die Kriegsführung der Zukunft im Internet stattfinden – angetrieben durch künstliche Intelligenz, die auf gesammelten Daten basiert. Die Herausforderung dabei bestehe darin, dass man, anders als bei herkömmlicher Kriegsführung, noch nicht genau wüsste wie ein Kriegsakt im Cyberspace aussieht und auch die Täter nur schwer feststellbar seien, sodass man teilweise nicht einmal wüsste, ob eine Cyberattacke staatlich gesteuert sei oder von Privatakteuren ausgehe.

 

Gegen Ende der Veranstaltung hatte das Publikum die Möglichkeit ihre Fragen an die Referenten zu richten und mit ihnen zu diskutieren. Dabei wurden unter anderem die sicherheitspolitische Aktionsfähigkeit Deutschlands, die Haltung der NATO gegenüber Russlands Aggression an der Krim und das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump angesprochen. Laut Dr. Voje, sei in Deutschland aus sicherheitspolitischer Sicht noch Luft nach oben, allerdings wäre das Land auf dem Weg zu mehr Aktionsfähigkeit. Bowman sieht Russlands Darstellung der NATO als eine offensive Allianz gegen Russland als lächerlich an und kritisierte die schwache Reaktion der USA bezüglich der Krim, denn diese Haltung würde von Putin als grünes Licht für weitere Aggressionen in der Region interpretiert werden. Das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump schätzte er als realen und signifikanten Push-Back gegen Trumps Exzesse ein und prognostizierte, dass das Repräsentantenhaus, die untere Kammer des US-Kongresses, dem Amtsenthebungsverfahren zustimmen wird, es jedoch schlussendlich an der erforderlichen zweidrittel Mehrheit in der oberen Kammer, dem Senat, scheitern werde. Trotzdem würde die Einleitung dieses Verfahrens ein klares Zeichen setzen, dass die Amerikaner bereit sind gegen Trumps Exzesse Stellung zu beziehen und etwas dagegen zu unternehmen.

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