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Der Blick auf Belarus aus Russland

von Dr. Wolfgang Sender

Medienspiegel, Folge 5/2018

2018 bietet die KAS Belarus einen Informationsservice zu den Beziehungen zwischen Belarus, Russland und der Region.

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Der ausgewählte Blickwinkel – Belarus „mit russischen Augen“ anzusehen – bietet Informationen über die teils impliziten Spannungen in den Beziehungen zwischen Belarus und seinem engsten Verbündeten Russland. Diese Spannungsfelder bestimmen häufig den außen- und innenpolitischen Spielraum für Belarus.

Im April kam die Unzufriedenheit der russischen Medien mit der „fehlenden „Folgsamkeit“ der belarussischen Außen- und Außenwirtschaftspolitik zum Ausdruck. So beschuldigt die russische Internetressource „Swobodnaja Sfera“ Belarus des Wiederaufbaus der ukrainischen Luftstreitkräfte. Von 2014 bis 2017 solle Belarus maßgeblich dazu beigetragen haben, dass sich der Bestand der ukrainischen kampffähigen Jagdflugzeuge von 19 auf 36 steigerte. Auch sonst sei Minsk längst zu einem Umschlagplatz zur Belieferung der ukrainischen Streitkräfte mit all Erforderlichem aus Russland geworden.

Die griff auch die propagandistische Ressource TsargradTV auf. Hier ist man unzufrieden mit dem Waffenhandel zwischen Belarus und Aserbaidschan. Auch die aktiven Kontakte des belarussischen Außenministeriums mit dem Westen werden gerade vor dem Hintergrund der diplomatischen Krise zwischen Russland und dem Westen der Kritik ausgesetzt.

Die russische Stiftung für strategische Kultur greift das Thema der mangelnden Solidarisierung von Belarus mit Russland auf und stuft vor allem den belarussischen Außenminister Makei als „Hauptwestler“ und Träger der prowestlichen Ausrichtung der belarussischen Politik ein. Der rote Faden der Berichterstattung: Belarus habe zwar das Recht auf eigenständige Entscheidungen selbst mit “antirussischem” Charakter, warum sollte aber Russland in diesem Falle die belarussische Wirtschaft unterhalten?

Der Medienbericht hierzu.

Einschätzung des Leiters des Büros Belarus der Konrad-Adenauer-Stiftung, Dr. Wolfgang Sender: Belarus versucht aus historischen Gründen und der Staatsräson jede Einbeziehung in eine wirtschaftliche und militärische Konfrontation zwischen Russland und der Ukraine sowie zwischen Russland und dem Westen zu vermeiden und dabei gute Beziehungen zu allen Seiten zu erhalten. Dabei genießen die Beziehungen zu Russland dennoch Priorität. Es ist unwahrscheinlich, dass Minsk diese Beziehungen durch Profite aus den Waffengeschäften mit der Ukraine aufs Spiel setzen würde. Laut dem Vorsitzenden des belarussischen Staatlichen Komitees für Verteidigungsindustrie, Herrn Dwigaljow, ist die Zusammenarbeit mit der Ukraine im militärtechnischen Bereich bereits seit zwei Jahren eingestellt. Der Abbau der Kooperation begann noch 2014. Allerdings laufe der bilaterale Handel mit sog. Dual-Use-Gütern nach wie vor weiter. Zur Verbreitung der Gerüchte über die Versorgung der ukrainischen Streitkräfte durch und über Belarus können auch Pläne von ukrainischen und belarussischen Flugzeugherstellern zum Aufbau eines Gemeinschaftsunternehmens in Belarus beigetragen haben. Dank dem neutralen Status des Letzteren dürfte gerade in seinem Staatsgebiet die Wiederherstellung der durch den Krieg zerrissenen Produktionsketten im Flugzeugbau zwischen der Ukraine und Russland möglich sein.

Beim Waffenhandel mit Aserbaidschan ist vor allem die geplante Lieferung von belarussischen Mehrfachraketensalvensystemen „Polonez“ an Aserbaidschan gemeint. Belarus wie auch Russland sind Mitglieder der Collective Security Treaty Organization (CSTO). Der belarussisch-aserbaidschanische Deal scheint aber mit Zustimmung von Moskau abgewickelt zu werden, das selbst vor kurzem Iskander-Raketen an Armenien geliefert hat und nun am Ausgleich des Waffenpotentials Aserbaidschans interessiert zu seien scheint. Für Moskau scheint es am wichtigsten, dass keine der Parteien des Konflikts in Bergkarabach ein militärisches Übergewicht erhält. Außerdem betreibt Moskau selbst einen aktiven Waffenhandel mit Aserbaidschan.

Die Emanzipierung der belarussischen Außenpolitik war bereits am Verhalten gegenüber Südossetien und Abchasien, später gegenüber der Krim und der Ukraine deutlich zum Ausdruck gekommen und findet ihren Niederschlag in beständigen Aussagen von Vertretern des belarussischen Außenministeriums, dass Belarus das falsche Dilemma der Wahl zwischen Europa und Russland vermeiden will und wird. Insbesondere unter Beachtung der früheren heißen Konflikte zwischen Großmächten und ihrer Folgen für Belarus ist es sein existenzielles Interesse, die Spannungen in der Region abzubauen. Nur davon kann Belarus profitieren: Seine Außenwirtschaft konsequent diversifizieren und dadurch die übertriebene Abhängigkeit von Russland überwinden. Daran arbeitet das Land ggf. zu langsam. Paradox in dieser Situation ist, dass jede Beschleunigung auf diesem Wege Belarus sofort scharfen Angriffen seitens der nationalistischen Kräfte in Russland aussetzt - während die westliche Seite deutlich zu zögerlich und ohne ein Engagement auftritt, das der Nachbarschaft, der Bedeutung und der gegenwärtigen Stellung von Belarus gerecht wird.

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Dr. Wolfgang Sender

Bild von Sowetskaja Belorussia zur Bebilderung von Belarus-Beiträge Frei verwendbar

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