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Das Publikationsprojekt wurde in vom Zentrum für historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung in Warschau realisiert.
Ein großer Pole, Europäer und Freund Deutschlands
Am 19. Februar 2022 wäre Prof. Władysław Bartoszewski hundert Jahre alt geworden. Mit immerhin 93 Jahren ist der polnische Publizist, Historiker und Politiker, der so viel für die Verständigung zwischen Polen und Deutschen geleistet hat, gestorben.
Als Warschauer Junge wurde er mit 18. Jahren von September 1940 bis April 1941 ins KZ-Stammlager Ausschwitz verschleppt. Auf Interention des Roten Kreuzes kam er schwer erkrankt frei und schloss sich wenig später in Warschau dem polnischen Widerstand im Untergrund an. Als junger Journalist verbrachte er von 1946 bis 1954 erneut insgesamt über sechs Jahre in der stalinisischen Zeit im Gefängnis. Danach konnte er als Publist und Historiker arbeiten und pflegte auch ob seiner guten Deutschkenntnisse viele Kontakte nach Deutschland.
Nach der Verhängung des Kriegsrechts durch die Kommunisten in Polen wurde er 1981 erneut viereinhalb Monate in einem Internierungslager in Hinterpommern inhaftiert. In den Folgejahren war er auf Initiative des Bayerischen Kultusministers Prof. Hans Maier, hier kamen die katholischen Kontakte zum Tragen, unter anderem Gastprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Katholischen Universität Eichstätt und der Universität Augsburg, wo er viele junge Studenten mit seiner klaren Haltung beeindruckte.
Am 5. Oktober 1986 erhielt er in der Frankfurter Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Zu diesem Anlass erschienen seine Lebenserinnerungen in Deutschland unter dem sprechenden Titel: "Es lohnt sich, anständig zu sein". Im August 1989 gehörte er zu den Unterzeichnern einer Erklärung deutscher und polnischer Katholiken, die sich anlässlich des 50. Jahrestages des Beginns des Zweiten Weltkriegs und der politischen Veränderungen in Polen für die schlussendliche Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze durch Deutschland und der deutschen Minderheit durch Polen aussprach.
Nach der friedlichen Revolution 1989 war er von 1990 bis 1995 polnischer Botschafter in Wien. 1995 übernahm er in der Regierung von erstmals das Amt des Außenministers, trat jedoch Ende des Jahres wegen der Wahl des ehemaligen kommunistischen Jugendführers, Aleksander Kwaśniewski zum Staatspräsidenten zurück.
In dieser Amtszeit hielt er am 28. April 1995 eine vielbeachtete große Rede im Deutschen Bundestag zum 50. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges, in der er einerseits "das Augenmerk auf eine gänzlich neue Etappe in den Beziehungen zwischen Deutschen und Polen im Rahmen der sich neu gestaltenden Gemeinschaft der Völker und Staaten Europas" richtete, andererseits aber auch eine Bilanz der Anstrengungen zog, die Folgen des von Deutschland geführten Zweiten Weltkrieges zu überwinden. In diesem Kontext räumte er erstmals als staatlicher Vertreter eines Volkes, das vom Krieg besonders heimgesucht wurde und die Tragödie der Zwangsumsiedlungen sowie die damit verbundenen Gewalttaten und Verbrechen selbst kennengelernt hat, ein: "Wir erinnern uns daran, daß davon auch unzählige Menschen der deutschen Bevölkerung betroffen waren und daß zu den Tätern auch Polen gehörten." Zehn Jahre später sprach er sich allerdings vehement gegen die Pläne aus, in Berlin ein "Zentrum gegen Vertreibungen" zu errichten.
2000/01 war Władysław Bartoszewski erneut Außenminister Polens. Danach engagierte er sich zivilgesellschaftlich auch in Zusammenarbeit mit der Konkrad-Adenauer-Stiftung. Ab November 2007 wurde er trotz seiner 85 Jahre Staatssekretär und außenpolitischer Berater des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk für "schwierige Fälle", wie er selbst halb im Spaß öfter sagte. Dazu gehörten die Beziehungen zu Deutschland und Israel. In dieser Position blieb er bis zu seinem Tod 2015 öffentlich aktiv. Über sein langes Leben hat er über 40 Bücher veröffentlicht, unzählige Artikel verfasst und Reden gehalten und sich dabei bleibende Verdienste um die deutsch-polnischen Beziehungen erworben.
Programm
85. Geburtstag von Władysław Bartoszewski, 19. Februar 2007 im Stadtschloss Warschau: Der Büroleiter der KAS übergibt ein Gemälde des Jubilars
Veranstaltung am 18. Februar 2022, 18.00 - 20.00 Uhr:
Gesprächsrunde auf dem Internetportal Zoom mit:
- Anita Baranowska-Koch, Vorsitzende der Bartoszewski-Initiative der Dt.-Pl. Gesellschaft Berlin;
- Marcin Barcz, ehem. Mitarbeiter Bartoszewskis, Warschau;
- Prof. Dr. Igor Kąkolewski; Direktor des polnischen Zentrums für Historische Forschung Berlin;
- Michael Lingenthal, ehm. Geschäftsführer des Deutsch-Polnischen Jugendwerks;
- Stephan Raabe, ehm. Direktor des Büros der KAS in Warschau (2004 - 2011);
Moderation: Benjamin Voelkel, Übersetzer
Texte aus fünfzig Jahren sind in dem vorliegenden Buch versammelt. Die ersten Beiträge sind Mitte der 60er Jahre entstanden, der letzte Text buchstäblich wenige Stunden vor dem Tod des Autors. Und die hier beschriebenen Erfahrungen umfassen seine gesamte 93jährige Biografie. Es ist also – ohne zu übertreiben – die Zusammenfassung eines Lebens und eines jahrzehntelangen Engagements: fürr die Dokumentation der dramatischen Geschichte; für die Aufarbeitung der (auch eigenen) schmerzlichen Erfahrungen; für das Schaffen einer Begegnungs- und Verständigungsbasis vor allem zwischen jungen und von Belastungen der Generation ihrer Eltern oder Großeltern freien Menschen; für eine normale Nachbarschaft und Partnerschaft im gemeinsamen europäischen Kultur- und Identitätskreis. Wie man mit dem Buch umgehen sollte, das überlassen die Herausgeber den Lesern. Sie können sich beliebige Kapitel aus einer konkreten Zeit oder zu einem bestimmten Anlass auswählen oder auch den Versuch unternehmen, der gesamten chronologisch angeordneten Auswahl zu folgen.
Mehrere Menschen und Institutionen haben zur Publikation der deutschen Ausgabe dieses Buches beigetragen. Der Anstoß und die Idee ist aber vor allem von dem Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaft und von der Bartoszewski-Initiative der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Berlin ausgegangen. Beide widmeten ein ganzes Jahr für die Redaktionsarbeiten - mit nicht viel weniger Engagement und Leidenschaft als der Autor selbst.