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Veranstaltungsberichte

#DemocraciaVirtual

von Friedrich Christian Matthäus

Bahia: Salvador

Am 25. September 2014 veranstaltete die KAS die sechste Veranstaltung aus der Seminarreihe „Democracia Virtual” in Salvador, der Hauptstadt des Bundesstaates Bahia. Der Event fand in Kooperation mit der Katholischen Universität Salvador (UCSAL) sowie der Staatlichen Universität Bahia (UFBA) statt. Erneut standen die Auswirkungen der Sozialen Medien wie Facebook, Twitter und Instagram auf Zivilgesellschaft und die politische Kultur Brasiliens sowie auf das Funktionieren seiner Demokratie im Mittelpunkt der interaktiven Panels und der sich anschließenden Diskussionen.

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Soziale Medien, Bürgerbeteiligung und Staatsoffenheit auf lokaler Ebene waren die prägenden Stichworte der sechsten Edition der Virtuellen Demokratie-Reihe. Nach einladenden Einführungsworten durch die Vertreter der verantwortlichen Organisationen – KAS, UCSAL und UFBA – eröffnete Fabro Steibel, Dozent für Kommunikationswissenschaften an der ESPM-Universität in Rio de Janeiro und Politischer Berater der brasilianischen Regierung zu Angelegenheiten des Offenen Virtuellen Staats, das erste Panel.

Fabro Steibel postulierte, dass eine starke Demokratie stets aktive Bürger brauche, die die Demokratie mit Leben füllen. Dies sei traditionell durch Versammlungen und persönliche Präsenz der Entscheidenden geschehen. Über die Zeit habe sich der Kreis der Entscheider geöffnet – so waren zunächst Frauen von den Entscheidungsprozessen grundsätzlich ausgeschlossen. Nun habe sich im 21. Jahrhundert jedoch der traditionelle Ort der Versammlung diversifiziert. Durch die Digitale Revolution müsse man nun nicht mehr zwingend an einem Ort präsent sein, um Entscheidungen zu treffen. Das Einbringen von Ideen geschehe in Echtzeit von jedem digitalen Endgerät – und schnell stellte sich heraus, dass ohne Ausnahme jeder Anwesende über mindestens ein internetfähiges Mobiltelefon verfügte. Um die Partizipation, von der das demokratische System lebt, interessant und vielfältig mit Leben zu füllen, schlug Steibel vor, durch Gamification-Applikationen insbesondere junge Leute zu Partizipation an lokalen Entscheidungen zu beteiligen. So seien die in allen großen Städten des Landes bekannten Verkehrsstaus in der Stadt Porto Alegre durch Vorschläge der Bürger gemindert worden, die spielerisch über eine Applikation Problemzonen melden und wie in einem Multiple-Choice-Spiel sich für vorgeschriebene Lösungsansätze entscheiden konnten. Eine auf diese Weise erstellte Statistik half letztlich, in ausgewiesenen Stauzonen die Staugefahr zu verringern. Hier kommt das Subsidiaritätsprinzip zum Tragen: Die Bürger wissen meist selbst am besten, auf welchen Lösungswegen sich die Herausforderungen meistern lassen. Hier wurde kollektives Wissen und Zusammenarbeit zum Wohle der Allgemeinheit - verbunden mit einem einfach zu verwendenden Programm - angewandt. Je mehr eine App erstens Spaß mache, desto mehr Menschen würden sich beteiligen, so Steibel. Zweitens sei die einfache wie freundliche Bedienung zielführend. Dies sei auch der Grund für den Siegeszug des Instant-Messengers WhatsApp gegenüber dem Facebook-Messenger gewesen: WhatsApp sei schlicht intuitiver, schneller und beschere somit mehr Freude. Dieser Multistakeholder-Prozess veranlasste Steibel indes zur Postulierung der These, ein solch Offenes Regieren sei „sexy“. Er stellte schließlich drei Hauptherausforderungen für Regierungen im Virtuellen Raum heraus: Diese müssten sich – um Gute Regierungsführung zu erreichen – erstens der Transparenz, zweitens der Bürgerinklusion sowie drittens der Rechenschaftspflicht gegenüber jedem Bürger verschreiben.

Camilla Braga hielt den zweiten Impulsvortrag: Sie ist für die Kommunikation der Stadtverwaltung Curitibas in den Sozialen Medien verantwortlich und richtete sogleich die Frage an das Publikum, wer die Sozialen Medien Facebook, Twitter und Instagram nutze. Die Antwort von 90% der Anwesenden kehrte sich jedoch ins Gegenteil um, als sie fragte, wer einer lokalen Verwaltung oder einer Regierung in diesen Medien folgte. Die Legislative und Exekutive hätten es generell schwerer mit ihren vermeintlich bürokratischen und schwerfälligen Themen in die Interessenswelt der Nutzer Sozialer Medien vorzudringen, in denen sie mit dem Lieblingsmusikinterpreten oder dem bevorzugten Fußballverein des Einzelnen konkurrieren müssen. Dies sei umso verwunderlicher, da gerade die Echtzeitkommunikation mit den lokalen Verwaltungsbehörden für jeden vorteilhaft sei – bei Stromausfall oder jedweder Gefahrensituation könne man so die rasche Kommunikation mit den Bürgern sicherstellen. Gerade in Brasilien, einem Land, dessen Bevölkerung intensiv das Internet über mobile Endgeräte nutzt, bestehe hier großes Potenzial. Braga konkludierte mit der These, dass die klassischen Massenmedien niemals mit der Vielfalt, Quantität und Relevanz der Medien des Volkes – welche sie mit den Sozialen Medien gleichsetzte – konkurrieren würden können.

Die sich anschließende Diskussion unter Leitung von Claudio André (UCSAL) und Christian Matthäus (KAS) drehte sich insbesondere um die Frage, wie sich zivilgesellschaftliche Beteiligung oder digitaler Bürgerprotest mit den klassischen Beteiligungsformen der repräsentativen, föderalen Demokratie Brasiliens komplementieren ließe.

Im zweiten Teil des Seminars lud Camila Braga zu einer Fallstudie über ihre Arbeit als Kommunikationsexpertin der Stadt Curitiba ein. Hier stellte sie ihre tägliche Arbeit vor und zeigte anhand zahlreicher spannender Fallbeispiele auf, wie der Kommunikationsstrang Verwaltungsebene - Bürger funktioniert. Sie hob insbesondere ein Beispiel interaktiven Engagements durch Bürger hervor: Nachdem zunächst eher scherzhaft die Stadtverwaltung Rio de Janeiros auf der Facebook-Seite der Stadtverwaltung Curitibas dieser einen Heiratsantrag machte, begannen sich immer mehr Bürger beider Metropolen für die virtuelle Heirat zu interessieren. Die Kommunikationsexperten beider Städte arrangierten schließlich tatsächlich diese virtuelle Heirat – jedoch mussten sich sowohl Stadtverwaltungsämter als auch Bürger bestimmten Bedingungen unterwerfen, die Hochzeitsgeschenken gleichzusetzen sind: Beide Städte verpflichteten sich unter anderem zur Pflanzung mehrerer Bäume zum Zwecke der „Stadtverwaldung durch die Stadtverwaltung“, sozialen Hilfsprojekten sowie einer großen Blutspendeaktion, die derzeit anläuft. Digitale Kommunikation sollte also Freude bereiten – hier bestätigte sich Fabro Steibels These -, außerdem zeigt sich, dass Initiativen sowohl von den Bürgern als auch von der Lokalverwaltung ausgehen können. In anderen Worten: Eine aktive Demokratie unter direkter digitaler Bürgerbeteiligung. Welchen weiteren Weg die Heirat beider Stadtverwaltungen mit sich bringt, ist indes völlig offen und hängt von der Beteiligung der Bürger über die Sozialen Medien ab. Virtuelle Initiativen transformieren sich also so in tatsächliches staatliches Handeln. Braga postulierte, was im Lokalen umzusetzen sei, habe auch auf nationaler wie internationaler Ebene Chancen auf Erfolg. Dies könne potentiell zu einer Demokratisierung des internationalen Systems führen.

Bereits zum zweiten Mal fand die „Virtuelle Demokratie“ im Nordosten Brasiliens statt. Unter den Hashtags

  1. kas
und
  1. democraciavirtual
können Interessierte die Debatten rund um die Digitale Regierungsführung und Bürgerbeteiligung verfolgen und zu eben dieser durch eigene Ideen und Anregungen beitragen.

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Franziska Hübner

Franziska Hübner bild

Referentin Stabsstelle Evaluierung

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