Im Arbeitsbereich Politische Bildung setzt sich die KAS-Brasilien seit 2007 gemeinsam mit der Jugendorganisation der konservativ-liberalen Democratas für die stärkere politische Partizipation von Nachwuchspolitikern ein. Die Jugend ist im politischen System Brasiliens nur schwach vertreten.

Bei dem Seminar in Itaipava im Bundesstaat Rio de Janeiro steht nach Jahren anhaltender Korruptionsskandale die politische Vertrauenskrise im Mittelpunkt. Welchen Beitrag kann die Jugend bei der politischen Erneuerung im Wahljahr 2018 leisten? Die Trainee Franziska Hübner eröffnet die Veranstaltung

gemeinsam mit dem Bundesvorsitzenden der Jugendorganisation der KAS-Partnerpartei Democratas, Bruno Kazuhiro.

In der aktuellen Legislaturperiode 2015-18 setzt sich der Kongress aus 27 Parteien zusammen. Der Politikwissenschaftler Humberto Dantas betonte, dass sich die starke Zersplitterung des Parlaments negativ auf die Regierbarkeit des Landes auswirke. Bei den Wahlen im Oktober 2018 wird erstmalig bei nationalen Wahlen eine Sperrklausel von 1,5% angewandt.

Die Politikwissenschaftlerin Beatriz Sanchez verdeutlicht, dass nicht nur die Jugend sondern auch die Frauen im politischen System Brasiliens unterrepräsentiert sind: Im weltweiten Vergleich der relativen Anzahl weiblicher Abgeordneter in nationalen Parlamenten belegt Brasilien Platz 152.

Erschüttert vom größten Korruptionsskandal in der Geschichte Brasiliens, von täglich neuen Korruptionsvorwürfen und Nachrichten über Amtsmissbrauch und persönliche Vorteilsnahme überrascht es nicht, dass nur 13% der Brasilianer mit der Demokratie zufrieden sind (Latinobarómetro). Dies ist der niedrigste Wert im lateinamerikanischen Vergleich. Müde und desillusioniert von immer neuen Korruptionsskandalen wenden sich viele Brasilianer von der Politik ab. Weil im Herbst neben dem Staatspräsidenten auch ein neuer Kongress sowie auf bundesstaatlicher Ebene die 27 Gouverneure der Bundesstaaten und die Vertreter der Parlamente der Bundesstaaten gewählt werden, wird 2018 als Superwahljahr bezeichnet. Es bietet Herausforderungen und Risiken – beispielsweise das Erstarken populistischer Kräfte oder noch größere Politikverdrossenheit - aber ebenso die Chance zur politischen Erneuerung.

Vor diesem Panorama debattierte die KAS-Brasilien gemeinsam mit Nachwuchspolitikern der Jugendorganisation der KAS-Partnerpartei Democratas, welchen Beitrag die Jugend bei der politischen Erneuerung des fünftgrößten Landes der Welt leisten kann. Die Teilnehmer kamen darin überein, dass die in Brasilien programmatisch schwach verankerten Parteien ihr Profil schärfen und der Bevölkerung konkrete Lösungsvorschläge anbieten sollten. Indem die Parteien - als Kernelement einer pluralistischen Gesellschaft - ihre Problemlösungsfähigkeit unter Beweis stellten, könne die Glaubwürdigkeit der politischen Akteure und Parteien wiederhergestellt werden. Mit Blick auf die schwach repräsentierte Jugend problematisierten die Teilnehmer vor allem die Dominanz der „velha política“ und ihrer Vertreter; gemeint ist die übermäßig starke Präsenz von Politikern, die die Politik seit Jahren und Jahrzehnten dominieren. Die aktive politische Partizipation aller müsse auch innerhalb der Parteien noch stärker gelebt werden, schlussfolgerten Redner und Teilnehmer. So setzten sich die Nachwuchspolitiker im weiteren Seminarverlauf kritisch mit ihrem Parteistatut und der Organisation der Partei auseinander.

Neben diesen inhaltlichen Schwerpunkten trainierten die Teilnehmer am 18. und 19. Mai in Itaipava im Bundesstaat Rio de Janeiro in konkreten Übungssituationen ihre rhetorischen Fertigkeiten und Argumentationsstrategien.