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Bulgariens Staatspräsident mit überwältigendem Wahlsieg im Amt bestätigt

von Ralf Jaksch

Ergebnis der zweiten Runde bei den Präsidentschaftswahlen in Bulgarien

Der sozialistische Staatspräsident Georgi Parwanov ist am Sonntag in der zweiten Runde der bulgarischen Präsidentschaftswahl mit einem überzeugenden Wahlsieg im Amt bestätigt worden. Für ihn stimmten 2,03 Mio. Bulgaren, das sind 75,9 Prozent der abgegebenen Stimmen.

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Parwanovs Herausforderer, der Nationalpopulist Wolen Siderov, konnte hingegen nur 643 000 Stimmen auf sich verbuchen, das sind 24,1 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 40 Prozent und war damit im zweiten Wahlgang etwas geringer als im ersten.

Der Sozialist Parwanov ist damit der erste Spitzenpolitiker (Ministerpräsident oder Staatspräsident), der in der noch jungen Nachwendegeschichte der bulgarischen Demokratie von den Wählern im Amt bestätigt worden ist. Zudem zeigt eine Analyse der Wählerwanderung, daß die Kampagne Parwanovs, die unter dem Slogan „Präsident aller Bürger“ stand, durchaus Früchte getragen hat. Zwar hat Parwanov natürlich großen Rückhalt in den Reihen der Anhänger der Bulgarischen Sozialistischen Partei (BSP), die zu mehr als 98 Prozent ihm ihre Stimme gegeben haben. Noch größer aber ist der Rückhalt bei der türkischen Minderheit mit 99 Prozent. So war beispielsweise in Kardschali, wo die Region türkisch geprägt ist, die Stimmenverteilung zugunsten des Amtsinhabers noch eindeutiger als im übrigen Land: 91 Prozent der abgegebenen Stimmen entfielen auf Parwanov, nur neun Prozent auf Siderov. Mehrheitlich, nämlich zu 71 Prozent, stimmten auch die Anhänger von Sofias Oberbürgermeister Bojko Borissov für den Amtsinhaber.

Etwas anders verhält es sich mit dem Stimmverhalten der Anhänger des bürgerlichen Lagers. Sowohl die Anhänger der Union der Demokratischen Kräfte (UDK) als auch die der Demokraten für ein starkes Bulgarien (DSB) gaben zu etwa gleichen Teilen ihre Stimme dem Amtsinhaber oder dem Herausforderer – wenn sie nicht frustriert zu Hause geblieben sind, was die meisten, nämlich knapp 60 Prozent, auch taten.

Alles in allem haben Parwanov und sein Wahlkampfteam in der Stichwahl noch 250 000 Stimmen dazugewinnen können, während der Nationalpopulist Siderov sich nur um 50 000 Stimmen verbessern konnte.

Allerdings muß dazu gesagt werden, daß die Medien einhellig Parwanov in der Stichwahl unterstützten. Dies taten sie ganz ohne Zweifel, weil die Alternative des Nationalpopulisten Siderov ihnen kaum eine Wahl ließ. Zum anderen waren die Umstände der Entlassung eines bekannten bulgarischen Moderators einer weithin bekannten politischen Fernsehsendung bei vielen bulgarischen Journalisten Grund zur Sorge. Der Moderator Iwo Indschev hatte in seiner Sendung danach gefragt, ob es zutreffe, daß der Präsident Parwanov eine Maisonette-Wohnung von einem skandalumwitterterten Unternehmer bekommen habe. Nur Tage danach war dem Moderator gekündigt worden. Zwar bestreitet die Präsidialverwaltung entschieden, Einfluß auf den Fernsehsender genommen zu haben, doch wurde in Journalisten- und Intellektuellenkreisen die Sorge laut, daß die Präsidialverwaltung zunehmend versuchen werde, die Medienberichterstattung zu beeinflussen.

Unstrittig ist allerdings, daß dieser Erfolg Parwanov persönlich stärkt, er also im Machtverhältnis gegenüber dem Ministerpräsidenten an Gewicht gewinnt. Es ist offenkundig, daß Parwanovs Einfluß weit größer ist als der all seiner Vorgänger zusammen. Zwar hat der Präsident formell die Entscheidungsbefugnis nur über die Zusammensetzung des Generalstabs (der Präsident ist Oberbefehlshaber der Armee), darüber hinaus hat der Präsident bei der Berufung der Botschafter ein Vetorecht. Doch dieser Präsident ist weit mächtiger. Parwanov war von 1996 bis 2001 Vorsitzender der Bulgarischen Sozialistischen Partei. Der gelernte Historiker hat praktisch sein ganzes Berufsleben in der Partei zugebracht, deren Strukturen er genau kennt. Denn nach dem Abschluß seines Geschichtsstudiums an der Sofioter Universität 1981 hatte er an dem Institut für Geschichte der BKP (Bulgarische Kommunistische Partei), der Vorgängerpartei der Bulgarischen Sozialistischen Partei, als wissenschaftlicher Mitarbeiter gearbeitet. So verfügt der Präsident wie keiner seiner Vorgänger über ein eigenes Netzwerk in der Partei, aber auch in die Verwaltung hinein. Es ist deshalb schlicht nicht vorstellbar, daß diese Regierung an der Präsidialverwaltung vorbei regieren könnte. Denn es ist in Sofia kein Geheimnis, daß es Parwanov war, der bei der Bildung der Regierung aus Sozialisten, Königsbewegung und der Partei der türkischen Minderheit ein gewichtiges Wort mitzureden hatte. Es sei Parwanov gewesen, der sich, so Medienberichte, in besonderem Maße für das Zustandekommen dieser Koalition eingesetzt habe, auch weil er besonderen Wert darauf gelegt habe, die Stimmen der türkischen Minderheit an sich zu binden. Diese Rechnung ist nun ganz offenkundig aufgegangen.

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24. Oktober 2006
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