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Veranstaltungsberichte

Mehr als ein Händedruck

von Stefan Burgdörfer, Jeffrey Calderon

Zivilgesellschaftliche Organisationen verweisen im Vorfeld des Amerika-Gipfels in Panama auf Gefahren für die Demokratie

Vom Gipfeltreffen der Organisation Amerikanischer Staaten am 10. und 11. April 2015 wird vor allem der Händedruck zwischen den Präsidenten Barack Obama und Raúl Castro in Erinnerung bleiben. Die teils dramatischen Rückschritte in der demokratischen Entwicklung, vor denen die Betroffenen in vielen Ländern stehen, drohten schon im Vorfeld, in Vergessenheit zu geraten. Darum lud die Konrad-Adenauer-Stiftung zivilgesellschaftliche Organisationen in den Tagen vor dem Gipfel zum Meinungsaustausch ein.

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Ziel war es, in Diskussionsrunden mit Vertretern zivilgesellschaftlicher Organisationen bereits vor dem Gipfel inhaltliche Impulse zu setzen. Am 7. und 8. April trafen sie sich in Panama-Stadt, und am 11. April präsentierten sie die Ergebnisse ihrer Beratungen in einer Pressekonferenz.

Die NGOs – unter ihnen das Instituto Prensa y Sociedad (IPYS) aus Venezuela, der Movimiento Autónomo de Mujeres aus Nicaragua, die Fundación Construir aus Bolivien und Transparency International Kolumbien – analysierten gemeinsam die politische Situation in Lateinamerika und präsentierten abschließend eine Reihe von Empfehlungen. Ihre Einschätzung stützte sich auf Präsentationen von Vertretern der Organisationen Freedom House und Polilat. Für Letztere stellte Direktor Jorge Arias den gemeinsam mit der Konrad-Adenauer-Stiftung erstellten Index IDD-Lat vor, der über die Fortschritte und Rückschritte der demokratischen Entwicklung in Lateinamerika informiert. Die abschließenden Empfehlungen umfassten sieben Bereiche:

1.Bildung und Kultur

2.Gesundheit

3.Umweltschutz, Energiegewinnung und nachhaltige Entwicklung

4.Sicherheit

5.Migration

6.Bürgerbeteiligung

7.Demokratische Regierungsführung

Bildung und Kultur: Die beteiligten Organisationen setzten sich für ein unideologisches und partizipatives Bildungssystem ein, in dem es keine Diskriminierung geben dürfe. Dieses System müsse die Familie in die Erziehung und Bildung einbeziehen und aktiv an der Vermittlung von Werten arbeiten, die ihre plurikulturellen und multiethnischen Staaten teilten. Die NGOs forderten freien Zugang zu Informationen, auch zu nicht-staatlichen Medien, sowie regelmäßige Aktualisierung der Lehrpläne. Damit einher gehe die kontinuierliche Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte.

Gesundheit: Die Organisationen betonten, dass es sich bei der Gesundheit um ein Menschenrecht handle, und leiteten daraus die Forderung nach einem transparenten Gesundheitssystem ab. Durch Monitoring und Evaluierung sollen dessen Fortschritte gemessen werden. In diesem Zusammenhang wurde die Bedeutung internationaler, multisektoraler und interdisziplinärer Zusammenarbeit betont, besonders in Notfällen, etwa nach Umweltkatastrophen, von denen die seismisch aktive Region regelmäßig betroffen ist. Darüber hinaus mahnten die Organisationen den Zugang zu sauberem Trinkwasser und dessen Schutz an.

Umweltschutz, Energiegewinnung und nachhaltige Entwicklung: Unverzichtbar für die Entwicklung der Region sei nachhaltiges Wirtschaften und eine Politik, die hierfür Rahmenbedingungen und Vorschriften schaffe. Das Menschenrecht auf eine gesunde Umwelt sei besonders in ländlichen Regionen, die von der Landwirtschaft leben und häufig von Indigenen bewohnt werden, gefährdet und müsse geschützt werden. Die Aktivisten verwiesen in diesem Zusammenhang auf die zunehmenden Großprojekte zum Abbau von Bodenschätzen, die auf dem Subkontinent zu beobachten sind. Wer sich gegen diese Vorhaben einsetze oder Änderungen verlange, werde von den Staaten und den Konzernen oft kriminalisiert. Dies könne nicht hingenommen werden. Um den Folgen des Klimawandels angemessen zu begegnen, sind die lateinamerikanischen Staaten nach Ansicht der NGOs in der Pflicht, sich aktiv in die Klimaverhandlungen der Vereinten Nationen einzubringen und auf dem kommenden Gipfeltreffen in Paris (COP21) möglichst geschlossen aufzutreten. Nötig hierfür sei ein Konsens, wie die Reduzierung der Treibhausgase, die Anpassung an die Folgen des Klimawandels, ein gemeinsames Risikomanagement und Technologie- und Know-how-Transfer erreicht werden können. Hier bedürfe es der Kooperation, der Aufklärung der Bevölkerung und weiterführender Forschung.

Sicherheit: Die lateinamerikanischen Staaten seien in der Pflicht, ihre Bürger vor Hunger, Krankheit und Gewalt zu schützen. Die Verringerung dieser Gefahren sei möglich durch die Schaffung von Arbeitsplätzen, Verbesserungen im Bildungssystem und eine Kultur des Friedens. In einer Demokratie, die Bürgerbeteiligung ernst nehme, sei die Familie der beste Schutz vor Unsicherheiten, was den Staat jedoch nicht von seiner Verantwortung entbinde.

Migration: Die Organisationen, die in Panama zusammenkamen, forderten eine lateinamerikanische Migrationspolitik auf der Grundlage einer gründlichen Analyse der Ursachen, Folgen, Ziele und Ausgangspunkte der Migration. Entscheidend sei die Integration der Migranten. Kulturelle Unterschiede seien zu respektieren und als Bereicherung anzuerkennen. Entschieden sprachen sich die NGOs gegen Fremdenfeindlichkeit und jede Form der Diskriminierung aus, sei sie gegen die Nationalität, die Ehnie, das Geschlecht, den soziokulturellen Status, Religion und Weltanschauung oder die sexuelle Orientierung gerichtet.

Bürgerbeteiligung: Das Grundrecht der Beteiligung ist nach Ansicht der zivilgesellschaftlichen Organisationen Voraussetzung für die demokratische Entwicklung. Hierzu müssen Staat und Regierung die Voraussetzungen schaffen, zum einen durch einen gewissen Grad der Institutionalisierung, zum anderen aber auch durch ein Bildungssystem, durch das die Bürger von klein auf über Rechte und Pflichten informiert werden, und das sie in die Lage versetzt, sich zu informieren und am Prozess der demokratischen Willensbildung teilzunehmen. Grundvoraussetzung für demokratische Entwicklung und Beteiligung der Bürger seien zudem freie, faire und transparente Wahlen.

Demokratische Regierungsführung: Kernforderung der zivilgesellschaftlichen Kräfte ist die Einführung eines Berichterstatters über die demokratische Entwicklung, der in der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) angesiedelt werden soll. Er soll über die Einhaltung der Prinzipien wachen, auf die sich die Staaten in der Carta Democrática Interamericana verpflichtet haben. Die Organisationen betonten die Notwendigkeit, in jedem Land Mechanismen des ständigen Dialogs zwischen Zivilgesellschaft und Regierung zu etablieren. Proteste dürften nicht länger kriminalisiert werden. Gemeinsam wandten sich die Organisationen gegen Machtmissbrauch, Unterdrückung der Opposition und willkürliche Verhaftungen.

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Kontakt

Stefan Burgdörfer

Head of the KAS office in Costarica

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