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Veranstaltungsberichte

„Ich habe Konrad Adenauer noch persönlich getroffen“

von Nora Marie Zaremba

3. Konferenz: Gute Regierungsführung für die Energiewende

Bei der dritten Konferenz „Good Governance for Energy Transition“ diskutierten Energieexperten aus Lateinamerika und Deutschland nicht nur die politischen Rahmenbedingungen einer erfolgreichen Energiewende, sondern auch über Batteriespeicher und neue Technologien wie Blockchain. Ein Redner begrüßte das Publikum mit einer ganz besonderen Anekdote.

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„Chile verfügt wie viele andere Länder Lateinamerikas über ein breites Spektrum an erneuerbaren Energien. Wir sind auf einem guten Weg, unseren Energiesektor neu und sauber zu gestalten“, sagte Hans Richter, Direktor der Universität Austral de Chile. Mit diesem positiven Blick stimmte Richter das Publikum im Hörsaal der Universität auf die Konferenz „Good Governance for Energy Transition“ ein. Sie wird alljährlich vom Regionalprogramm Energiesicherheit und Klimawandel der Konrad-Adenauer-Stiftung (EKLA KAS) organisiert. 2016 fand sie in Montevideo (Uruguay) statt, 2015 in der peruanischen Hauptstadt Lima. Im diesjährigen Austragungsort Valdivia im Süden Chiles wird saubere Energie beispielsweise aus Minikraftwerken in Flüssen gewonnen. Davon konnten sich die Konferenzteilnehmer auf einer Exkursion während der Konferenz sogar ein eigenes Bild machen.

Christian Hübner, Direktor von EKLA KAS, verdeutlichte gleich zu Beginn das Ziel der Konferenz: „Wir wollen den Austausch zwischen lateinamerikanischen und deutschen Experten im Energiesektor fördern. In einigen Ländern Lateinamerikas sind erneuerbare Energien bereits erfolgreich, in anderen stehen sie in den Startlöchern.“ Deutschland, das seinen Stromsektor zu großen Teilen schon umgebaut hat, könne Erfahrungen weitergeben, so Hübner.

Rheinhardt Studt, CDU-Politiker und Geschäftsführer der HanBao Erneuerbare Energie GmbH, legte in seinem Impulsvortrag einige Thesen zum zukünftigen Energiemarkt dar. Weltweit steige der Energiebedarf so stark, dass er nur durch erneuerbare Energien gedeckt werden könne, lautete eine These. Erneuerbare Energien seien an vielen Standorten mit fossilen Energien wettbewerbsfähig, es sei zudem von einem weiteren Preisverfall auszugehen, lautete eine weitere. Stuth verwies auf die aktuelle die Situation in Deutschland: Dass die Bundesrepublik aus der Braunkohle aussteigen werde, sei absehbar, auch wenn die etablierten Parteien derzeit auf kein konkretes Datum nennen. Kohle schadet Umwelt und Gesundheit massiv. Würden die externen Kosten, die durch Feinstaub-, Quecksilber- und Kohlendioxid-Emissionen bei der Verbrennung von Braunkohle entstehen, berücksichtigt, wäre der Energieträger längst nicht so günstig wie es auf den ersten Blick scheint. Stuth unterstrich, dass Atomenergie bei keiner der etablierten Parteien Unterstützung fände. Er hob auch den Erfolg der internationalen Divestment-Bewegung hervor. Sie zeigt, dass Investoren die Risiken der fossilen Branche zunehmend erkennen und ihr Geld vermehrt in saubere Energie stecken.

Gabriel Blanco von Universidad Nacional Buenos Aires in Argentinien plädierte im ersten Panel unter dem Titel „Politische Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Energiewende“ dafür, erneuerbare Energien nicht ausschließlich an ihren Kosten zu messen. Im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung seien sie unerlässlich und damit auch als langfristige Investition in eine saubere Energiezukunft zu begreifen. Um den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben, sollte die Politik mehr in ihre Erforschung investieren, sagte Blanco. Immerhin hat der konservative Präsident Mauricio Macri angekündigt, durch Steuervergünstigungen für die Installation erneuerbarer Energien sowie niedrige Sonder- und Importzölle für entsprechende Technologien dem Ausbau von Wind- und Solarenergie auf die Sprünge zu helfen. Im nächsten Jahr wird Argentinien die G20-Präsidentschaft innehaben und das Klimathema möglicherweise nach oben auf die Agenda setzen und damit dem Vorbild Deutschlands folgen. Dass Investitionen in saubere Energien in vielen Ländern Lateinamerikas immer noch viel zu gering seien, unterstrich Clarissa Lins, freie Beraterin für erneuerbare Energien in Brasilien. Der dortige Windmarkt wird zurzeit durch chinesische Firmen dominiert. Besonders Investoren aus Europa zögern noch, tätig zu werden. Sie fürchten die politische Instabilität des Landes. „Hier muss die Regierung klüger handeln“, so Lins. Philipp Nießen vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) verwies auf die technischen sowie infrastrukturellen Herausforderungen, mit denen Deutschland bei seiner Energiewende zu kämpfen hat, wie etwa die hohen Energiekosten sowie fehlende Netze. Überschüssiger Strom aus dem Norden kommt derzeit nicht im Süden an. Bei Netzüberlastung werden Windräder im Norden abgeschaltet, sauberer Strom wird damit „verschleudert“. Nießen verwies auch darauf, dass die Erneuerbaren lange massiv subventioniert wurden. „Das hat nicht jedem Gefallen.“In der Vergangenheit wuchsen die Erneuerbaren Energien schnell, aber auch unkontrolliert. Es sei zu begrüßen, dass Ausschreibungen eingeführt wurden, betonte Nießen. Deutschland müsse sich nun entscheiden, ob es eine Energieversorgung aus „Bürgerhand“ haben wolle oder vor allem günstige Energie. In der anschließenden Diskussion wurde hervorgehoben, dass die Einführung eines sektorenübergreifenden CO2-Preises für Lateinamerika sowie Europa sinnvoll wäre. In Europa würde ein solcher Preis immerhin dafür sorgen, dass ineffiziente Kohlekraftwerke aus dem Markt gedrängt werden. Die etablierten Parteien halten sich beim Thema CO2-Preis derzeit aber noch bedeckt. Für Europa bleibt abzuwarten, inwiefern die Reform des EU-Emissionshandels (EU-ETS) greift.

Im zweiten Panel „Neue Geschäftsmodelle im Energiemarkt der Zukunft“ zählte Teodor Kausel von der Universität Chile einige Innovationen im Energiemarkt auf, so beispielsweise den drastischen Preisfall bei Solarenergie. Dieser hätte viel früher kommen können, wenn nur der politische Wille vorhanden gewesen wäre, sagte Kausel. Der damalige Präsident Ronald Reagan ließ 1986 bereits installierte Solarpanele auf dem Dach des Weißen Hauses entfernen, weil er ganz auf fossile Energien setzte. „Daran zeigt sich, dass die Politik leider oftmals hinterher hinkt und so Innovationen verhindert“, schlussfolgerte Kausel. Auch die deutsche Automobilindustrie hat es schlichtweg verschlafen, gute E-Autos auf den Markt zu bringen, auch zwar auch deshalb, weil der politische Druck fehlte. Tim Reutemann, Gründer der RedMorpheus GmBH, ging auf die Anwendung von Blockchain im Energiesektor ein. Durch die Technologie entfällt der Mittelsmann – in diesem Fall der klassische Energieversorger. Der Handel zwischen Produzent und Konsument kann direkt erfolgen. „Blockchain im Energiesektor ist derzeit ein Hype. Es bleibt abzuwarten, inwiefern die Technologie wirklich zur Anwendung kommt“, so Reutemann. Eine mögliche Zukunft der Energieversorgung per Blockchain lässt sich schon im New Yorker Stadtteil Brooklyn bestaunen. In Deutschland probieren sich vor allem Start-ups mit Blockchain-Konzepten im Energiemarkt aus. Jedoch sind die politischen Rahmenbedingungen derzeit noch gar nicht auf solche Technologien ausgelegt. Wie ist rechtlich beispielsweise ein Prosumer zu bewerten? Mit solchen Fragen wird sich die nächste Regierung beschäftigen müssen. Daniel Chacon von der Mexiko Climate Initiative sprach über den mexikanischen Energiemarkt, der in den vergangenen Jahren unter anderem durch die Einführung einer CO2-Steuer eine massive Transformation durchlaufen habe. Zudem soll ab 2018 ein CO2-Handel eingeführt werden. Am Probelauf beteiligen sich derzeit 60 Unternehmen. Der Energieexperte wies allerdings darauf hin, dass die fossile Branche in Mexiko – anders als in Deutschland – kaum daran interessiert sei, den Wandel im Energiemarkt voranzutreiben.

Das dritte Panel widmete sich der Frage, inwiefern erneuerbare Energien auch den Industriesektor abdecken können. Die Industrie Kolumbiens beanspruche für sich 85 Prozent des gesamten Energiebedarfs, erklärte Omar Prias von der Universität in Bogotá. Öl und Gas dominieren den Energiesektor. Eine Förderung erneuerbarer Energien könne dabei helfen, die nationale Wirtschaft zu diversifizieren, so Prias. Julia Badeda von der BatterieIngenieure GmbH sprach über den Stand der Stromspeichertechnologien mit Fokus auf die Marktentwicklung für Batteriespeicher in Deutschland. Speicher sind eine technologische Option, um Flexibilität zum Ausgleich fluktuierender und nur im begrenzten Umfang planbarer Stromquellen zu liefern. Badeda brachte ihren lateinamerikanischen Kollegen das Wort „Dunkelflaute“ bei, eine Situation, in der erneuerbare Energien über einen Zeitraum von Wochen kaum oder gar nicht liefern. „Für diesen Fall stellen vor allem chemische Speicher von z.B. synthetischen Gasen die beste Absicherung dar“, sagte Badeda. Batteriespeicher hingegen dienen dem ausgleich von kurzfristigen Schwankungen. Die Preise für Batterien für Haushalte seien in den vergangen zwei Jahren bereits drastisch gesunken, genauso wie die Preise für Batterien im Industriesegment. Verschiedene Projekte haben bereits Großspeicher im Einsatz, vor allem im Primärregelleistungsmarkt. Badedas lateinamerikanische Kollegen waren vor allem an der Ressourceneffizienz von Batteriespeichern interessiert. Die Ingenieurin verdeutlichte, dass Lithium bei den geplanten zusätzlichen Fördervorhaben und Produktionsmengen von E-Fahrzeugen in naher Zukunft zur Verfügung stehe, es jedoch bei Kobalt, welches in der aktuellen Lithium-Ionen Technologie eingesetzt wird, zu Engpässen kommen könnte. José Mardones von der Universität Austral des Chile gab Einblicke in aktuelle Forschung eines „Smart Grids“ an der Universität. Die Frage, wie Netze intelligenter werden, spielt derzeit in Lateinamerika eine größere Rolle als der Einsatz von Batteriespeichern, so die Meinung Mardones.

Der zweite Tag der Konferenz begann mit einer Rede des renommierten deutsch-chilenischen Ökonomen Manfred Max Artur Neef, die wohl alle Teilnehmer sehr berührte. „Ich bin wohl der einzige, der Konrad Adenauer persönlich getroffen hat. Damals war ich als Student in Deutschland“, begrüßte Neef das Publikum. Neef arbeitete einst für den Ölkonzern Shell, wandte sich aber schnell den Problemen der Entwicklungsländer zu. Er plädierte in seiner Rede dafür, die Probleme dieser Welt nicht eindimensional oder durch die rein ökonomische Brille anzugehen, das Energieproblem eingeschlossen. „Wir stehen gegenüber den kommenden Generationen in der Verantwortung, die Umwelt zu schützen“, sagte Neef.

Im Abschlusspanel der Konferenz präsentierte Pia Molitor, Expertin für Energiepolitik in der Europäischen Union (EU), den Stand des EU-Winterpakets. Das Winterpaket beinhaltet Vorschläge zur besseren Koordinierung nationaler Energiepolitiken, zur Reform der Richtlinien für Energieeffizienz und zur Förderung erneuerbarer Energien sowie zum Strommarktdesign. Das Maßnahmenpaket soll den Rahmen für die Energiepolitik in der EU bis zum Jahr 2030 prägen. „Es ist aber abzuwarten, ob die Ziele für 2030 erreicht werden können“, schloss Molitor ihren Vortrag. Juan Carlos Sanchez stellte die Situation der erneuerbaren Energien in Venezuela dar „Um ehrlich zu sein passiert leider sehr wenig“, sagte Sanchez. Unter Präsident Nicolas Maduro dürfte sich das kaum ändern, er sucht die Nähe zu Russland auch in Energiefragen. Venezuela vereint knapp 90 Prozent der gesamten Ölvorkommen der Region auf sich. Zu Gute halten müsse man dem Land, dass seine CO2-Emissionen zu vernachlässigen seien, so Sanchez.

„In Brasilien boomen fossile Energien nach wie vor“, sagte Matias Francini von der Universität Brasilien. „Doch Windenergie ist eine Erfolgsgeschichte.“ Das Land hatte 2014 Ausschreibungen für Wind eingeführt. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehört es laut Francini nun, Subventionen fossiler Energien abzuschaffen und für ausländische Investoren sichere Rahmenbedingungen zu schaffen. „Die Energiewende wird solange verzögert, solange es keine langfristige, durch die Regierung festgeschriebene Strategie zum Umbau gibt“, schloss Francini seinen Input. Carlos Finat und Roberte Pasten legten nochmals die chilenische Perspektive dar. „Zum Glück hat unsere Regierung längst verstanden, wie wichtig erneuerbare Energien für eine sichere und unabhängige Energieversorgung des Landes sind“, sagte Finat. Der Anteil sauberer Energie betrage derzeit 15 Prozent, anzustreben sei ein Anteil von 20 Prozent in den kommenden drei Jahren.

Die Konferenz zeigte einmal mehr, dass die verschiedenen Länder Lateinamerikas die Energiewende grundsätzlich als wirtschaftliche Chance für mehr Energiesicherheit und – unabhängigkeit begreifen. Jedoch kann die Energiewende nur ein Erfolg werden, wenn die Regierungen selbst das Thema zu einer Priorität und langfristige Strategien verfolgen, was voraussetzt, dass die Regierungen selbst stabil sind. Sonst verpuffen Bemühungen schnell. Brasilien versucht sich derzeit darin ebenso wie Argentinien. In Venezuela sind die erneuerbaren Energien aufgrund der aktuellen politischen Situation ganz nach hinten auf die Agenda gerückt. Eine Besonderheit der diesjährigen Konferenz war es, dass Technologien wie Batteriespeicher sowie das ganze neue Konzept Blockchain diskutiert wurden. In vielen Ländern Lateinamerikas spielen solche Anwendungen noch eine ganz untergeordnete Rolle, ihre Entwicklung in Deutschland wird aber mit Spannung beobachtet. Aus der Energiewende Deutschlands sind neue Geschäftsmodelle und Technologien nicht mehr wegzudenken, auch weil sie die wichtige Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität ermöglichen. Start-ups, die nicht unbedingt aus dem Energiemarkt kommen müssen, beteiligen sich ebenso wie die etablierten Energieversorger und Stadtwerke. Sie wissen, dass in Zukunft mit „Strom erzeugen“ alleine kein Geld mehr zu verdienen ist. Die Weichen für den Umbau des Stromsektors sind in Deutschland zum Großteil gestellt, hingegen ist in der Mobilität und im Wärmebereich noch alles offen. Zum Abschluss sei noch darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des US-Präsidenten Donald Trump, das Klimaabkommen von Paris zu verlassen, auf der Konferenz mit keinem Wort Erwähnung fand. Die Länder Lateinamerikas zeigen sich davon unbeeindruckt und das ist sehr positiv zu bewerten.

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