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Veranstaltungsberichte

ENERGIEPOLITISCHE INTEGRATION IN LATEINAMERIKA

von Karina Marzano Franco

GEOPOLITISCHE HERAUSFORDERUNGEN IN ZEITEN DES KLIMAWANDELS

Am 1. und 2. Juni 2015 fand in Brasilia die Konferenz „Energiepolitische Integration in Lateinamerika: Herausforderungen für die Geopolitik in Zeiten des Klimawandels" statt. Die Veranstaltung wurde zusammen von EKLA-KAS (Regional-Programm Energiesicherheit und Klimawandel in Lateinamerika der Konrad-Adenauer Stiftung) und CEBRI (brasilianisches Zentrum für Internationale Beziehungen) sowie mit Unterstützung von ACEP (argentinische Bürgervereinigung für Volksstudien) organisiert.

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Mit Blick auf die vorhandenen Energieressourcen dürfte es in Lateinamerika eigentlich keine Energieknappheit geben. Dafür bräuchte es jedoch ausreichend Investitionen in multilaterale Projekte und den langatmigen Willen, diese auch umzusetzen. Bisher finden jedoch fast ausschließlich bilaterale Projekte statt, wie das Wasserkraftwerk Itaipu zwischen Brasilien und Paraguay, der Energieaustausch im Rahmen des Wasserkraftprojektes „Guanambi und Panambi“ und des Wärmekraftwerk in Uruguaiana zwischen Brasilien und Argentinien, und die von Eletrosul/Eletrobrás über Kabel sichergestellte Stromverbindung zwischen Brasilien und Uruguay. All diese Projekte sind Teil des energiepolitischen Integrationspuzzles der Region.

Die energiepolitische Integration ist jedoch keine einfache Aufgabe, da sie von den Bedürfnissen und Forderungen der Nationalstaaten Lateinamerikas abhängt. Das zeigt auch die aktuelle Diskussion in der Europäischen Union, wo der Aufbau eines gemeinsamen Energiebinnenmarktes auch eine besondere Aufgabe darstellt.

In Lateinamerika gibt es verschiedene Institutionen, die sich mit dem Thema Energieintegration befassen. Zum Beispiel die Lateinamerikanische Energieorganisation OLADE, die älteste regionale Agentur in diesem Bereich, die in den letzten Jahren eine immer bedeutendere Rolle bei den Integrationsbemühungen übernommen hat. Ferner finden bereits Treffen der Energieminister im Rahmen des Mercosur, dem Südamerikanischen Energierat (CES) und dem Südamerikanischen Rat für Infrastruktur und Planung (COSIPLAN) der Union Südamerikanischer Staaten UNASUR) statt, die sich alle für das Thema einsetzen. Ein Fokus aller Organisationen liegt auf der Entwicklung des erforderlichen rechtlichen Rahmens, wie z.B. durch den südamerikanischen Energievertrag, als gesetzliches Fundament zur Sicherstellung des Austauschs zwischen den Ländern. Hierbei vertritt Brasilien einen Energiemarkt mit freiem Verkehr und dem Prinzip der Nicht-Diskriminierung.

Die Veranstaltung begann zunächst am 1. Juni mit einem geschlossen Workshop, den die Botschafterin Mariângela Rebuá, Leiterin des Energieressorts des brasilianischen Außenministeriums als Keynote Speaker einleitete. Die Botschafterin verdeutlichte die Bedeutung Lateinamerikas als Energieexporteur, der nun vor der Herausforderung steht, seinen Energieressourcen zu einem tatsächlichen lokalen Mehrwert zu verhelfen. In diesem Zusammenhang stellte sie verschiedene Konzepte für eine regionale Integration vor. Hervorzuheben ist hier die tatsächliche und bewusste Energievernetzung, bei der Umweltaspekte und verantwortliche Nutzungsformen berücksichtigt werden müssen. Die Botschafterin forderte alle auf, sich gemeinsam den Herausforderungen zu stellen, um die rationale Nutzung der Energieträger in einem integrierten Ansatz zu optimieren und allen Bürgern Zugang zu Energie zu sichern.

Der zweite Tag der Veranstaltung begann mit einer Begrüßung durch Dr. Christian Hübner, Leiter des Regional-Programms EKLA-KAS und Roberto Fendt, geschäftsführender Direktor CEBRI. Beide verglichen den lateinamerikanischen Ansatz mit anderen internationalen Integrationsmodellen. In diesem Zusammenhang wurde vor allem auf die Europäische Union, deren Ursprung auf die Montanunion, also die Zusammenarbeit im Energiebereich zurückgeht, verwiesen. Des Weiteren wurde unterstrichen, dass Energiesicherheit ein wichtiger Bestandteil der Integrationsdiskussion darstellt und daran erinnert, dass ohne Energie keine Entwicklung möglich ist.

Im ersten Panel des Tages wurde das Thema „Energiepolitischen Integration in Lateinamerika“ zunächst sehr grundsätzlich durch Davi Monteiro, Dozent an der Universität für Lateinamerikanische Integration (UNILA), Lennys Rivera, Leiterin der Abteilung Integration der OLADE und Sonia González, hochrangige Expertin des Fonds für strukturelle Konvergenz des Mercosur (FOCEM) erörtert.

Die Panelisten vertraten den Standpunkt, dass der Integrationsprozess durch Wissensaustausch und -bildung beginnt. Wissen werde hierbei vor allem durch die Zusammenarbeit der verschiedenen Internationalen Organisationen, die sich mit dem Thema befassen, geschaffen. Obwohl in der Region die Debatte zum Thema Energie erst im Jahr 2000 begonnen hätte, sei aber bereits eine beachtliche Integration zu verzeichnen. In Südamerika geschehe dies beispielsweise über bilaterale Abkommen und in Mittelamerika würden Kooperationsmechanismen zwischen den Ländern entwickelt, um den Erdgasbedarf zu decken.

Das Fehlen eines gemeinsamen rechtlichen Rahmens zählt zu den größten Hindernissen des Integrationsprozesses. Vor allem angesichts der Tatsache, dass die Integration der Energiemärkte eng mit der wirtschaftlichen Integration verbunden ist. In diesem Sinne, lud das 2. Panel des Tages zur Diskussion ein: „wie der regionale Energiemix entwickelt werden kann“. An der Diskussion nahmen Liliana Díaz, freiberufliche Wissenschaftlerin bei CEBRI und der John Hopkins Universität, Miguel García Reyes, Vorsitzender des Zentrums für Geopolitische Energie- und Umweltforschung Mexikos und Fiorella Molinelli Aristondo, Ökonomin und Beraterin der Peruanischen Kohlenwasserstoff Gesellschaft (SPH) zu Energiefragen.

In Lateinamerika geht man von einem Anstieg des Energiekonsums in den nächsten Jahren aus, so dass die Überwindung der Versorgungskrise die Nutzung erneuerbarer Energien und die Steigerung der Energieeffizienz sowie die energiepolitische Integration der Region voraussetzt. Die bereits gesammelten Erfahrungen zeigten aus Sicht der Panelisten, welche Vorteile die Energieintegration den Kommunen gebracht habe und dass das bisherige Integrationsmodell von mehreren Aspekten wie den institutionellen und ordnungspolitischen Gegebenheiten bestimmt werde. Dennoch hängt die Integration in erster Linie vom politischen Willen ab und erfordere Kompromisslösungen, bei welchen die Vorteile für die Region vor den nationalen Interessen stehen müssten, um das Spannungsfeld zwischen Integration und Souveränität zu überwinden. Wenn man auf die Wirkungskraft der Ideen vertraue, um einen Paradigmenwechsel zu beflügeln, müssten zur Überwindung dieser Herausforderungen, Debatten sattfinden und Wissen generiert werden.

Da die Sicherheit bei Energieerzeugung- und -versorgung von grundlegender Bedeutung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Länder sei, sei die Energiefrage auf jeden Fall als eine strategische Aufgabe der nationalen und regionalen Wirtschaft zu betrachten. Hierfür müssten die Länder eine spezifische Politik und rechtliche Strukturen zur Nutzung des Potenzials erneuerbarer Energien (EE) schaffen. Dies müsste durch Maßnahmen sozialer Einbindung, jedoch ohne dabei zusätzliche Kosten für die Bevölkerung zu erzeugen, geschehen. Außerdem sollte diese Politik den Technologietransfer und die Nutzung der lokal vorhandenen menschlichen Ressourcen und Rohstoffe in jedem Land fördern. Diese Fortschritte seien durch die energiepolitische Integration auf internationaler Ebene möglich, da sie das Entstehen größerer Energiemärkte gestatte, was wiederum günstigere Bedingungen für EE-Projekte, Investitionen in Infrastruktur und Reduzierung der Produktionskosten durch Größeneffekte kreiere.

Am Nachmittag wurde die Diskussionen mit einem 3. Panel zum Thema „die Herausforderungen der Energieversorgung: bi- oder multilaterale Energieintegration“ fortgesetzt. Am Panel nahmen Nivalde de Castro, Dozent und Koordinator der Studiengruppe Energiesektor (GESEL) der Bundesuniversität von Rio de Janeiro (UFRJ), Sybille Röhrkasten, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institute for Advanced Sustainability Studies e.V. (IASS Potsdam) und CEBRI, und Igor Fuser, Dozent der Bundesuniversität Santo André, São Bernardo und São Caetano (UFABC) teil.

Die Panelisten waren sich darin einig, dass sich Lateinamerika im Vergleich zu Europa bei der Energieversorgung in einer privilegierten Situation befinde. Europa als großer Energieimporteur sei hingegen stets von der globalen geopolitischen Lage abhängig. Jedoch stellten die Probleme der Marktasymmetrie eine beträchtliche Herausforderung für die energiepolitische Integration Lateinamerikas dar. Brasilien komme hierbei eine besondere Rolle zu, da es über das größte integrierte Übertragungsnetz der Welt, den drittgrößten EE-Anteil und ein extrem effizientes Energieintegrationssystem verfüge. Des Weiteren sei aufgrund der Souveränitätsaspekte der Länder und der Herausforderung, die Energiethematik im Rahmen der multilateralen Zusammenarbeit zu behandeln, die Global Governance im Bereich Energie noch unterentwickelt. Es herrsche zwar globaler Konsens über die Bedeutung der Bekämpfungen der Folgen des Klimawandels, es gebe jedoch noch immer Fragen zur Umsetzung der Mitigation, hinzukommen Finanzierungsprobleme. Feststehe, dass Entscheidungen über die zukünftigen Energiesysteme in den Entwicklungsländern, die Diskussionen zum Klimawandel vorangetrieben hätten.

Das letzte Panel des Tages war der Diskussion über „die Auswirkungen des Klimawandels auf Wasserversorgung und Wasserkraft“ gewidmet. Senator Luis Alberto Lacalle Pou aus Uruguay, Präsidentschaftskandidat der Nationalpartei bei den Wahlen 2014, Gustavo Codas, ehemaliger Leiter von Itaipu und Wissenschaftler an der Lateinamerikanischen Fakultät für Sozialwissenschaften (FLACSO) und Luis Carlos Jemio, Senior Researcher am Institute for Advanced Development Studies (INESAD) in Bolivien waren die Vortragenden dieses Panels.

Hier wurde die Aufgabe der Politiker bei Nachhaltigkeitsthemen diskutiert und die starke Präsenz der Jugend bei der Konferenz begrüßt, da sie eine wichtige Rolle bei der öffentlichen Meinungsbildung inne habe und die zukünftigen Verantwortungsträger seien. Als Beispiel für die Herausforderungen bei internationalen Projekten in diesem Bereich wurde das Verhandlungsverfahren zu Itaipu aus dem Jahr 2008 angesprochen. Damals seien die Positionen der verhandelnden Länder völlig unterschiedlich gewesen. Paraguay trat für seine Souveränität im Bereich Energie ein, Basilien zeigte sich offen für Verhandlungen. Das neue Szenarium der regionalen Energieintegration wurde schließlich zum Annäherungspunkt, was damals, als 1973 der Vertrag zu Itaipu unterzeichnet wurde, noch nicht auf der Tagesordnung stand. Nach den Verhandlungen erhielt Paraguay günstigere wirtschaftliche und finanzielle Bedingungen für den Verkauf seiner überschüssigen Energie und konnte seine Energieinfrastruktur verbessern; Brasilien dagegen, erweiterte den regionalen Tätigkeitsbereich seiner Unternehmen.

Die Panelisten und Teilnehmer kamen zu dem Schluss, dass die Energiepolitik ein Kapitel der Entwicklungspolitik sei. Es obliege der Gesellschaft zu entscheiden, welche Art von Entwicklung sie wolle. Für die Bürger bedeute dies, sich zu beteiligen und ihre Meinung gegenüber den Entscheidungsträgern zu vertreten.

Nach einem langen und produktiven Konferenztag, wurde die Veranstaltung von Dr. Christian Hübner (EKLA-KAS), Botschafter José Botafogo Gonçalves, stellvertretender Vorsitzender von CEBRI, und Carlos Rizzuti, stellvertretender Vorsitzender der Bürgervereinigung für Volksstudien (ACEP) aus Argentinien, als Vertreter der drei für die Organisation zuständigen Institutionen abgeschlossen. Sie bedanken sich bei allen für die gute Diskussion und äußerten den Wunsch, dass dies lediglich die erste von vielen von den drei Partnern organisierten Konferenzen sei, um bei der Energiekooperation in Lateinamerika weiterzukommen.

Den PODCAST der Konferenz finden Sie hier.

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Karina Marzano Franco

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