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Rechtsextremismus aus der Sicht eines Ex-Neonazis

„Ich schäme mich“ – Ex-Neonazi Manuel Bauer will Jugendliche abschrecken

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„Pistole“ war sein Deckname, als er Anführer der Kameradschaft Dommitzsch war. Manuel Bauer (*1979) ist einer der bekanntesten Aussteiger aus der rechtsradikalen Szene. Heute will er Jugendliche mit Geschichten über seine Vergangenheit abschrecken: In Workshops und Vorträgen klärt er sie über die deutschen Rechtsextremisten und ihr Netzwerk auf. Im Interview spricht er über seine Vergangenheit.

 

Herr Bauer, warum wollen Sie Jugendliche vor der rechtsradikalen Szene warnen?

Bauer: „Die rechte Szene versucht mit Malbüchern, Videospielen und mit Musik, Kinder und Jugendliche auf ihre Seite zu ziehen und ihre Ansichten zu vermitteln. Musik ist Informations- und auch Emotionsträger, die löst etwas aus in Menschen. Ich selbst hatte meinen ersten Kontakt zur Szene mit elf Jahren durch eine Musikkassette. Das Gefährlichste an den Rechtsextremisten ist ihr weltweites Netzwerk. Nazis gibt es unter Ärzten, unter Polizisten und auch unter Richtern. Und die helfen sich gegenseitig. Die Öffentlichkeit traut Neonazis so ein komplexes Netzwerk gar nicht zu. Dass sie oft für dumm gehalten und unterschätzt werden, ist ihr Ziel und ihr Potenzial.“

 

Was wollen Sie mit Ihren Vorträgen und Workshops erreichen?

Bauer: „Alles, was ich heute tun kann, ist, Jugendliche von dieser Szene abzuschrecken. Deshalb nehme ich vor den Jugendlichen auch kein Blatt vor den Mund. Ich erzähle ihnen, wie ich einmal einer schwangeren Frau in den Bauch getreten habe und dass ich seit meinem 14. Lebensjahr jedes Jahr vor Gericht stand. Ich fand das damals richtig cool. Mir ist wichtig, die Tricks der rechten Szene zu verraten, wie ein Zauberer, der die Tricks der großen Magier aufdeckt. Das ist das mindeste, was ich tun kann, damit es nicht noch mehr Opfer gibt.“

 

Sind Sie dann auch dafür, dass die rechtsradikale Partei NPD verboten wird?

Bauer: „Ja, absolut, die NPD muss verboten werden. Solange sie nicht verboten ist, dürfen ihre Anhänger auch weiterhin auf öffentlichen Plätzen stehen und Jugendliche ansprechen – und bekommen dafür auch noch Geld vom Staat.“

 

Was ist das gefährliche an der NPD?

Bauer: „Etwa, dass sie ihre Parolen geändert hat. Die Anhänger der NPD rufen heute längst nicht mehr ‚Ausländer raus‘. Ihre Parolen beinhalten heute vielmehr, was ohnehin alle möchten, sie plappern einfach nach, was die Menschen wollen – und zeigen sich etwa als Gegner des Rentenlochs und von Tierquälerei oder als Befürworter von Umweltschutz. Diese Phrasen sprechen inhaltlich eben alle an – gerade Jugendliche, die ansonsten nicht sehr politisch informiert sind.“

 

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie heute einen Rechtsradikalen im Fernsehen sehen?

Bauer: „Ich schäme mich. Ich erkenne mein altes Ich ja immer noch wieder in dem, was ich da sehe.“

 

Was war denn letztendlich der Grund dafür, dass Sie ausgestiegen sind?

Bauer: „Einer meiner Gründe für den endgültigen Ausstieg war, dass ich im Fernsehen, also von außen, zugesehen habe, wie ein Neonazi ein Kind tritt. Plötzlich bin ich ganz kleinlaut geworden, weil ich weiß: Das habe ich selbst einmal getan, viele Male.“

 

Das Interview führte Jenny Kallenbrunnen.

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Felix Neumann

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Extremismus- und Terrorismusbekämpfung

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