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Ségolène Royals Präsidialpakt – die Kandidatin der Sozialisten stellt ihr Präsidentschaftsprogramm vor

Ein „pacte présidentiel“, ein Vertrag mit den Franzosen – unter dieses Motto stellte Ségolène Royal ihr Präsidentschaftsprogramm, das sie am gestrigen Sonntag in einer fast 2-stündigen Rede der Öffentlichkeit präsentierte.

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Zu der Großkundgebung der sozialistischen Partei in einer Messehalle in Villepinte, im Norden von Paris, waren 8000 Parteianhänger erwartet worden. Nach Angaben der Partei sollen es jedoch mehr als 10.000 begeisterte Fans gewesen sein, die der Vorstellung des sozialistischen Präsidentschaftsprogramms beiwohnten. Trotz der großen Anhängerschar war diese Veranstaltung nicht mit der Nominierung von Nicolas Sarkozy zum Präsidentschaftskandidaten der UMP am 14. Januar zu vergleichen – damals hatten ca. 80.000 Anhänger Sarkozy einen triumphalen Erfolg beschert.

Royals „Präsidialpakt“, „einem Pakt der Ehre und des Vertrauens“, „einem Vertrag mit Rechten und Pflichten für jeden Bürger“ besteht aus 100 Vorschlägen und greift eine Idee ihres Mentors Francois Mitterand auf. Dieser hatte 1981 den Wahlkampf mit „110 Ankündigungen“ bestritten. Ihr Programm soll das Ergebnis von über 6000 „partizipativen Debatten“ mit der Bevölkerung sein, sog. Bürgerversammlungen, die sie in allen Landesteilen geführt hat sowie eine Synthese von 135.000 Beiträgen, die ihr die Bürger per Internet zugeschickt haben.

Ihre Methode der „partizipativen Demokratie“ schafft ein Programm, welches auf drei Pfeilern gründet: wirtschaftliche Entwicklung, soziale und umweltpolitische Effizienz. Ihre Kernaussagen bezogen sich auf den Bereich der Sozialpolitik: Erhöhung des Mindestlohns auf 1.500 Euro, Anhebung der niedrigen Renten um 5 Prozent, Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit durch die Garantie eines ersten Arbeitsplatzes, Zusicherung von günstigen Wohnungen, steuerliche Hilfen für Investitionen, Innovation und Forschung. In bezug auf die 35 Stundenwoche blieb sie indes vage. Ebenso fehlten Erklärungen, wie diese Maßnahmen angesichts der hohen Staatsverschuldung finanziert werden sollen. Auch institutionelle Reformen kündigte sie an: So soll die parlamentarische Kontrolle der Exekutive gestärkt werden, der Senat refomiert und der Artikels 49.3 der Verfassung außer Kraft gesetzt werden. Es handelt sich dabei um jenen Artikel, der es der Regierung erlaubt, ohne parlamentarische Debatte Gesetze zu verabschieden. Darüber hinaus fordert Royal, die Kompetenzen der Regionen zu stärken und gleichzeitig das Gewicht der Zentralverwaltung zu reduzieren.

Auch die internationale Politik findet in ihrer Rede Beachtung. Sie wolle ein „Europa, das die Bürger schützt“, und einen kürzeren Verfassungsvertrag, über den die Franzosen erneut per Referendum abstimmen. Sie verwies auch auf die Relvanz der Beziehungen zu China, Russland und den USA. Allerdings kritisierte sie die Irak-Politik der Vereinigten Staaten. So seien die USA zwar ein „solider Partner“, „aber die Größe eines Staates habe nichts mit seinen Prinzipien zu tun“.

Ihr außenpolitischer Schlußtenor war ein schwacher Versuch, ihrem Programm erstmals präsididale Züge zu verleihen: „Frankreichs Stimme wird in Zukunft gerechter klingen, lauter, damit sie weiter trägt“. Dies brachte ihr tosende Beifallsstürme ihrer Anhänger ein.

Mit diesen Versprechen wirkte Madame Royal wie eine gute Fee, die gemäß dem Titel ihres Internetportals „désirs d’avenir“ („Zukunftssehnsüchte“) alle Wünsche der Wähler erfüllt. Sie hat gestern erstmals ihr Oufit geändert und ihre Lieblingsfarbe weiß gegen ein sozialistisch rotes Kostüm eingetauscht. Damit ist sie nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch wieder in den Kampfring gegen Sarkozy gestiegen. Dennoch schreckte sie nicht davor zurück, abermals Vorschläge zu betonen, die in der eigenen Partei und Öffentlichkeit heftig umstritten sind: die militärische Betreuung straffälliger Jugendlicher und die Einführung sog. Bürgerjurys („jurys citoyens“), d.h. die Überwachung gewählter Volksvertreter durch Kontrollgremien der Bürger.

Aus den Reihen der Sozialisten waren große Erwartungen an den gestrigen Sonntag geknüpft. Die sozialistische „Elefantenriege“ saß fast vollständig in der ersten Reihe: Dominique Strauss-Kahn, Laurent Fabius sowie Royals Lebensgefährte Francois Hollande. Nur Lionel Jospin war dem Spektakel ferngeblieben. Die einstige “Madonna der Umfragen“ war in den letzten Wochen in der Gunst der Wähler beträchtlich gefallen. Dies hatte nicht zuletzt mit Sarkozys Triumpfzug vom 14. Januar sowie der überzeugenden und vielbeachteten Vorstellung seines Präsidentschaftsprogramms zu tun. Royals zahlreiche faux-pax zu außenpolitischen Themen, ihre Angriffe gegen die Presse (obwohl die Medien es waren, die Royal einst hochgejubelten), offenkundige Kommunikationsschwierigkeiten zwischen ihrem Wahlkampfbüro und der sozialistischen Parteizentrale, ließen in den eigenen Reihen Zweifel aufkommen, ob sie tatsächlich die geeignete Kandidatin sei. Hinzu kam Sarkozys erfolgreicher Fernsehauftritt am vergangenen Montag beim Fernsehsender TF1. Sarkozy war der erste geladene Präsidentschaftskandidat, der in der neuen Politshow des Senders auftrat und damit den TV-Wahlkampf eröffnete. Eine Rekordeinschaltquote von über 8 Mio. Zuschauern brachte dem UMP-Parteichef und amtierenden Innenminister in anschließenden Umfragen mehrheitlich die Attribute „kompetent“ und „überzeugend“ ein.

Die Umfragergebnisse von letzter Woche ergaben folgendes Bild: im ersten Wahlgang würde Royal mit 26% gegenüber 34% Sarkozy unterliegen; Bayrou hingegen avanciert zur dritten Kraft, gewinnt 3 Prozentpunkte und liegt derzeit bei 14%. Im zweiten Wahlgang ginge Sarkozy mit 52% gegenüber 48 % (Royal) als Sieger hervor.

Bedeutet Madame Royals Präsidentschaftsprogramm nun eine Wende im Wahlkampf und eine Verbesserung ihrer Umfragewerte? Oder handelt es sich nur um leere Versprechungen?

Um daran keinen Zweifel zu lassen, hatte der Konkurrent Sarkozy Madame Royal auch am gestrigen Sonntag nicht das politische Terrain und wie immer nichts dem Zufall überlassen. Während Royal ihre Rede in Villepinte hielt, sprach Sarkozy fast zeitgleich vor 4000 Anhängern, die aus dem ganzen Land nach Paris gekommen waren. In seiner Rede, die einer Neuauflage seiner Ansprache vom 14. Januar gleichkam, betonte er, der „Präsident aller Franzosen, der Präsident der Versöhnung aller sein zu wollen“ („Je veux etre le président de l’union de tous les Francais, je veux etre le président de la réconciliation“ ).

Dies war eine klare Ansage gegen die polarisierenden Sozialisten sowie gegen Royals Sozialdirigismus. Er stehe für die Politik der Erneuerung, seine Schlagworte sind Innovation, Kreation und der Kampf gegen die Ungerechtigkeit. Sein neues Motto lautet „politique d’ouverture“ und auch er möchte einen Pakt mit der Bevölkerung knüpfen, einen „republikanischen Pakt, der auf Vertrauen und Respekt gründet“.

Aber auch Ségoléne Royal hat dazu gelernt. Sie sieht sich als „Präsidentin einer neuen Republik“ und will fast wortgleich mit Sarkozy den „Kampf für die gerechte Ordnung“ aufnehmen. Laut Meinung der Sozialisten habe der Wahlkampf mit der gestrigen Rede von Ségoléne Royal erst richtig begonnen. Wer von beiden der bessere Kämpfer sein wird, entscheiden die Wähler am 22. April und 6. Mai.

Ebenfalls am gestrigen Sonntag hat Staatspräsident Chirac in einem Interview mitgeteilt, „dass es auch ein Leben nach der Politik gäbe“. In dem Vorabdruck einiger Auszüge des in dieser Woche erscheinenden Werk „L’inconnue de l’Elysee“ von Pierre Péan charakterisert Chirac Sarkozy als „aktiven, intelligenten Mann, als erstklassigen Politiker“ („C’est un homme actif, intelligent, un homme politique de premier ordre“). Sind diese Äußerungen Anzeichen für einen Rückzug des amtierenden Präsidenten aus der Politik, will Chirac damit Sarkozy nun doch seine Unterstützung kundtun? Für Nikolas Sarkozy und die französischen Konservativen hängt viel von der Geste Chiracs ab.

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