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1982-1989: Wendezeiten

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Die Partei als Entscheidungszentrum

„Dieser Kölner Parteitag ist ein Höhepunkt in der Geschichte unserer Partei“: So leitete Helmut Kohl am 25. Mai 1983 seine Rede auf dem 31. Parteitag in Köln ein – eine Rede, die der seit zehn Jahren amtierende Parteivorsitzende der CDU zum ersten Mal als Bundeskanzler hielt. Während der 13jährigen Regierungszeit der sozial-liberalen Koalition hatten sich nicht allein fundamentale Änderungen in der Regierungspolitik und damit in Politik und Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland vollzogen, sondern auch innerhalb der Parteien und des Parteiensystems insgesamt. Wesentliche Einschnitte der CDU-Parteigeschichte bilden das Jahr der Regierungsübernahme 1982, das Jahr der Bundestagswahl 1987, das trotz erheblicher Verluste die Weiterführung der Regierung ermöglichte, und schließlich das Jahr der Wiedervereinigung 1990, das nicht allein einen Höhepunkt der Geschichte der Union, sondern der Bundesrepublik Deutschland überhaupt bildet.

Anders als die SPD führte die CDU den Generationswechsel bereits in den 1970er Jahren durch. Die Partei hatte inzwischen zu neuer Stabilität gefunden. Der damals 43jährige Helmut Kohl trat 1973 sein Amt als Parteireformer an, der aus dem „Kanzlerwahlverein“ in wenigen Jahren eine wohlorganisierte Partei machte. Unterstützt von den Generalsekretären Kurt Biedenkopf (1973-1977) und Heiner Geißler (1977-1989) reorganisierte Kohl die Parteizentrale, den gesamten Parteiapparat sowie die innerparteiliche Meinungsbildung. Dadurch gewann die Parteizentrale gegenüber der Fraktion, aber auch den Landesverbänden an Gewicht, wenngleich die CDU eine föderativ organisierte Partei blieb: Die CDU-Ministerpräsidenten spielten weiterhin in der Bundespolitik, auch der ihrer Partei, eine erhebliche Rolle; manche Landesverbände wie der in den 1980er Jahren besonders erfolgreiche Landesverband Hessen oder der den Parteivorsitzenden und den Generalsekretär stellende Landesverband Rheinland-Pfalz gewannen personell an Einfluss. Auch zeigte sich verschiedentlich, dass die Bundespartei nur sehr begrenzt auf die Kandidatenaufstellung für die Bundestagswahl einwirken konnte.

Durch die Reorganisation wurde die Parteizentrale zum politischen Kraft- und Entscheidungszentrum auch gegenüber der Unionsfraktion des Deutschen Bundestages. Die Personalunion von Partei- und Fraktionsvorsitz seit 1976 ließ indessen keinen Gegensatz zwischen beiden aufkommen, zumal auch andere Funktionsträger Doppelrollen in Partei und Fraktion wahrnahmen und die Arbeitsteilung zwischen beiden funktionierte. Die von Geißler 1989 gegen Kohl initiierte Fronde vor dem Bremer Parteitag führte zur Ablösung Geißlers und zur Wahl Volker Rühes zum neuen Generalsekretär.

Programmatik und Lagerbildung

1978 gab sich die CDU in Ludwigshafen – der Heimatstadt des Parteivorsitzenden erstmals ein Grundsatzprogramm, auf dessen Basis auch während der sechs Parteitage der 1980er Jahre immer wieder Programmdiskussionen stattfanden und programmatische Weichenstellungen beschlossen wurden. Es ist eine verbreitete Fehleinschätzung, von einem programmatischen Defizit der CDU dieser Jahre zu sprechen. Eine ganz andere Frage ist es freilich, welche faktische Rolle Programme einer politischen Partei über die grundsätzliche Orientierung hinaus im einzelnen spielen, zumal wenn sie – als Koalitionspartner – die Regierung übernimmt.

Innerhalb der Programmdiskussion der 1980er Jahre nehmen die „Stuttgarter Leitsätze für die 80er Jahre“ (1984) in der Mitte der ersten Legislaturperiode der CDU als Regierungspartei eine prominente Rolle ein. Auch die insgesamt für die Union enttäuschende Bundestagswahl von 1987 provozierte programmatische Überlegungen, wie das Profil der großen „Volkspartei der Mitte“ geschärft werden könne. Aber genau hier lag das Problem: Zum einen konkurrierten auch SPD und FDP mit der Union um die „Mitte“, zum anderen ist diese selbst diffus. Ohne die Stammwähler zu verschrecken, müssen ständig neue Wählergruppen angesprochen, Wechselwähler gehalten oder zurückgewonnen werden.

Die Kölner Parteitagsbeschlüsse von 1983 enthielten einige sozialpolitische Kernforderungen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, Verbesserung des Arbeitsmarktes, Fortentwicklung der Alterssicherung und zum Mutterschaftsgeld. Die Stuttgarter Leitsätze rekurrierten in ihrer Präambel auf das historische Verdienst der CDU, die Soziale Marktwirtschaft durchgesetzt zu haben. Die Folgerung für die aktuelle Situation lautete: Die Soziale Marktwirtschaft sei nach wie vor die optimale Wirtschaftsordnung, aus diesem Grund bleibe sie auch angesichts neuer Herausforderungen wie des Umweltschutzes (die Regierung Kohl führte erstmals 1986 ein Bundesministerium für Umweltschutz unter Leitung von Walter Wallmann ein, das CSU-geführte Bayern verlieh erstmals dem Umweltschutz Verfassungsrang) die maßgebliche Wirtschaftsform der Zukunft, deren grundlegende ordnungspolitische Elemente gesichert werden müssten.

Beim Essener Parteitag 1985 stand hingegen unter anderem die Frage im Mittelpunkt, wie auf die neue parteipolitische Konstellation reagiert werden solle, die durch zwei „Lager“, CDU, CSU und FDP auf der einen, SPD und Grüne auf der anderen Seite, charakterisiert war. Und auch die Essener Leitsätze von 1985 „für eine neue Partnerschaft zwischen Mann und Frau“ reagierten auf eine neue gesellschaftliche Herausforderung, zugleich aber auf den wachsenden Mitgliederanteil von Frauen in der Partei, der bis Ende der 1980er Jahre auf 160.000, etwa 23%, stieg.

Schließlich kondensierte das Mainzer Zukunftsmanifest 1986 die Stuttgarter Leitsätze für die künftigen Aufgaben, unter denen ausdrücklich die Erhaltung der christlich definierten Menschenwürde angesichts der als notwendig bezeichneten Fortschritte von Wissenschaft und Technik genannt wurde. Auch im Mainzer Manifest wurde die schwierige Aufgabe der Volkspartei CDU deutlich, da sie die bundesdeutsche Gesellschaft als eine Gesellschaft verschiedener Lebensformen und -stile sowie Weltanschauungen beschrieb, in der es darauf ankomme, die „Bedeutung der Familie als Gemeinschaft mit Bindungen auf Lebenszeit“ zu sichern.

Soziostruktureller Wandel

Die vorher, also während der Oppositionsjahre programmatisch und organisatorisch erneuerte CDU erzielte schon bald eine Reihe von Erfolgen in Ländern und Kommunen und schlüpfte dadurch – gewissermaßen seitenverkehrt – auf diesem Feld in die frühere Rolle der SPD. Zugleich legte diese fundamentale Reorganisation in den 1970er Jahren den Grundstein für den Wiederaufstieg der Union auf Bundesebene während der 1980er Jahre. Aufgrund der Reorganisation seit 1973 bzw. in ihrem Gefolge wurde die CDU auch stärker als in den ersten Jahrzehnten zur Mitgliederpartei und holte in dieser Beziehung beträchtlich gegenüber der SPD auf: Brachte es die CDU 1972 erst auf 422.968 Mitglieder, so erreichte sie nach einer kontinuierlichen Steigerung bis 1983 ihren Höchststand von 734.555 Mitgliedern, nahm danach allerdings wieder bis auf 655.200 im Jahr der Wiedervereinigung 1990 ab; 1991 wurde aufgrund des Zuwachses aus den neuen Ländern – mit 756.519 ein neuer Höchststand erreicht, bevor auch die CDU am allgemeinen, bisher noch nicht gestoppten Abwärtstrend der Mitgliederzahl der politischen Parteien teilhatte. Für die 1970er und 1980er Jahre insgesamt aber gilt: Die Stärkung der Organisationsstruktur und die Zentralisierung der Parteiführung begünstigten ebenso wie die programmatische Erneuerung einen enormen Mitgliederzuwachs.

Die Veränderungen in der Sozialstruktur der Bevölkerung seit den 1950er Jahren schlugen sich auch in der sozialen Zusammensetzung der CDU nieder, wenngleich sie so wenig wie andere Parteien zum völligen sozialen Spiegelbild der Bevölkerung wurde: Insgesamt entsprach die soziale Zusammensetzung der CDU ihrem Selbstverständnis als „Volkspartei“, in der alle sozialen Schichten ihren Platz fanden, wenngleich Selbständige über-, Arbeiter unterproportional vertreten waren. 1984 waren 24,5% der Mitglieder selbständig, 28% Angestellte, 12,3% Beamte, 10,2% Arbeiter, 4,8% Rentner, 11,1% Hausfrauen, 6,6% in Ausbildung (einschließlich der Studenten) und schließlich 2,6% Sonstige. Diese Anteile veränderten sich bis 1990 nur geringfügig. Trotz des noch immer hohen Anteils der Selbständigen, unter denen sich vor allem Unternehmer, Handwerker und Landwirte befanden, hat sich die Sozialstruktur der Mitgliedschaft der CDU beträchtlich gewandelt, so dass Angestellte und Beamte, die so genannte neue Mittelschicht, bei zunehmender Tendenz mehr als 40% der Mitglieder stellten.

Dieser Strukturwandel ging einher mit fortschreitender Auflösung traditioneller Sozialmilieus, die langfristig den Anteil der Wechselwähler erhöhte. Die CDU ist dieser Problematik in einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft im besonderen ausgesetzt, da seit 1990 – verstärkt durch die Nachwirkungen der kommunistischen, also atheistischen, Indoktrination in den neuen Ländern – die Verbindlichkeit des christlichen Menschenbildes in Teilen der deutschen Gesellschaft an Wirksamkeit eingebüßt hat.

Aber auch schon vorher war es schwierig, die von Helmut Kohl 1981 verkündete „geistig-moralische Wende“ umzusetzen. Allerdings gelang es dem Bundeskanzler – der die aktuelle Politik unter weiter historischer Perspektive betrachtete –, durch eine Reihe von Initiativen zur Stärkung des historischen Bewusstseins beizutragen. So gingen die Gründungen des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, des Deutschen Historischen Museums in Berlin, der Deutschen Historischen Institute in Washington und Warschau, schließlich auch der Deutsch-Russischen Historikerkommission auf ihn zurück.

Entsprechend der programmatisch zentralen Rolle des christlichen Menschenbildes bekannten sich 93% der Mitglieder zu christlichen Konfessionen, wobei der Anteil der Katholiken mit 58,8% gegenüber den Protestanten mit 34,2% überproportional war (Stichjahr 1988). Weit überproportional war zu dieser Zeit (wie bei den übrigen Parteien auch) der Anteil männlicher Parteimitglieder, zu denen im Jahr 1988 77,2% gegenüber einem Frauenanteil von nur 22,8% gehörten (1969 allerdings erst 13%). Das Durchschnittsalter war mit 50,2 Jahren bei den Männern und 51,9 bei den Frauen relativ hoch, entsprach aber den starken Anteilen der mittleren, berufstätigen Altersgruppen zwischen 30 und 59 Jahren, die bei den Frauen 59,8 und bei den Männern sogar 67,2% der Mitgliedschaft stellten.

Die Mitgliederentwicklung der bayerischen Schwesterpartei CSU verlief während der 1980er Jahre weniger stürmisch, nachdem die 1970er Jahre eine enorme Steigerung gebracht hatten: von 74.000 Mitgliedern 1968 stieg die Zahl bis 1980 auf 172.000. Seitdem blieb sie bei leichteren Schwankungen tendenziell steigend und erreichte 1989 eine Zahl von 186.000. Dabei waren die sozialen Schwerpunkte deutlich ausgeprägter als bei der CDU, wenngleich auch die CSU einen klaren volksparteilichen Charakter aufzuweisen hat. Auch ihre Sozialstruktur spiegelte den Wandel der Gesellschaft wider. Besaß die Partei in den 1960er Jahren einen hoh en Anteil von etwa einem Drittel der Mitglieder bei selbständigen Landwirten und Handwerkern, schließlich auch beim besitzenden katholischen Mittelstand, so ergriff die Erhöhung der Mitgliederzahl um mehr als 100% innerhalb eines Jahrzehnts auch in wachsendem Maße Beamte, Angestellte und Arbeiter. Die Anteile der bis dahin unterrepräsentierten Gruppen (Protestanten, Frauen, Arbeiter) stieg seither kontinuierlich.

Der Strukturwandel Bayerns, von einer vorwiegend agrarisch geprägten Gesellschaft zur Verstädterung und stürmischen Industrialisierung, ließ auch die Mitgliederstruktur der CSU nicht unberührt. Doch gelang es ihr nicht allein bei den bayerischen Landtagswahlen die mit weitem Abstand führende große Volks- und Regierungspartei zu bleiben, sondern auch bei den Bundestagswahlen weiterhin Spitzenergebnisse zu erzielen, woran während der 1980erJahre die charismatische Persönlichkeit des Parteivorsitzenden und Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß wesentlichen Anteil hatte. Die Verminderung ihres bundespolitischen Anteils ergab sich aus der Vergrößerung der Bundesrepublik infolge der Wiedervereinigung, da die CSU trotz anfänglicher Förderung der DSU dann doch keine Schwesterpartei in den neuen Ländern gründete.

Die Führungsrolle Helmut Kohls

Helmut Kohl hielt auch nach dem Wechsel in die Bundespolitik und als Bundeskanzler das Netzwerk persönlicher Kontakte auf allen Ebenen seiner Partei aufrecht. Auch dies erklärt seine gewachsene und seit 1980 bald unerschütterliche innerparteiliche Autorität, die mit enormer Durchsetzungsfähigkeit gepaart war. Kohl war nicht allein derjenige CDU-Vorsitzende, der am längsten den Parteivorsitz innehatte, von 1973 bis 1998, sondern nach Strauß, der von 1961 bis 1988 CSU-Vorsitzender war, derjenige Parteivorsitzende in der Bundesrepublik, der vor Willy Brandt als SPD-Vorsitzender (1964-1987) am zweitlängsten amtierte.

Anders als viele Ministerpräsidenten vor und nach ihm, die erst dann in die Bundespolitik wechselten, wenn ein neues Regierungsamt sicher war, vollzog Kohl diesen Schritt konsequent und erwies sich einmal mehr als weitblickender Stratege: 1976 in den Bundestag gewählt, trat er als Ministerpräsident zurück und nahm sein Bundestagsmandat an. Als Kanzlerkandidat der Unionsparteien hatte er durch die vorherige Festlegung der FDP auf die Fortsetzung der sozial-liberalen Koalition trotz eines sehr guten Wahlergebnisses 1976 Bundeskanzler Helmut Schmidt nicht ablösen können. Trotzdem wirkte sich Kohls Wechsel nach Bonn mittelfristig positiv für die Union aus, weil durch die Personalunion von Partei- und Fraktionsführung die Koordination beider Ebenen optimiert werden und eine spätere Regierungsübernahme vorbereitet werden konnte.

Innerhalb des christlich-demokratischen Lagers insgesamt hatte sich 1982/83 die Führung ebenfalls konsolidiert, nachdem es 1980 innerhalb der Union noch zu Querelen um die Kanzlerkandidatur gekommen war. 1980 ging die Union mit der impulsiven, für einen scharfen Konfrontationskurs stehenden bayerischen Kraftnatur Strauß ins Rennen. Gegen die sozial-liberale Koalition unterlag er mit einem deutlich schlechteren Ergebnis als Kohl vier Jahre zuvor: Damit war künftig der ständig erhobene Führungsanspruch von Strauß und seine frühere Drohung mit dem Alleingang der CSU definitiv ins Leere gelaufen, Kohls Position aber innerhalb des christlich-demokratischen Lagers deutlich gestärkt. Der persönlich akzentuierte Dualismus verlor an politischer Bedeutung, die bundespolitische Priorität der CDU gegenüber der CSU war dadurch faktisch geklärt, zumal Strauß seit seiner Wahl zum bayerischen Ministerpräsidenten 1978 und der Bundestagswahl 1980 seinen politischen Schwerpunkt doch nach Bayern verlegt hatte. Nach seinem Tod entschärfte die Wahl Theo Waigels zum Parteivorsitzenden der CSU dieses Problem ohnehin.

Umstände des Regierungswechsels 1982

Der Regierungswechsel zur christlich-liberalen Koalition 1982 erfolgte nicht durch Wahlen, sondern nach dem Auseinanderbrechen der sozial-liberalen Koalition. Hingegen nahmen die Gemeinsamkeiten von Union und FDP zu. Der Übergang von einer Regierung zur anderen gelang 1982 aufgrund des Scheiterns der sozial-liberalen Koalition und der aufgrund sachlicher Übereinstimmung gegebenen koalitionspolitischen Alternative erstmals – und bisher das einzige Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland – durch ein konstruktives Misstrauensvotum. Am 1. Oktober 1982 votierten 256 von 495 Bundestagsabgeordneten für den Kandidaten der Unionsparteien und der FDP, Helmut Kohl, 235 stimmten gegen ihn, vier enthielten sich.

Obwohl das konstruktive Misstrauensvotum keiner zusätzlichen Legitimation, also auch keiner außerplanmäßigen Bundestagswahl bedarf, strebte die neue Bundesregierung diese baldmöglichst an. Dafür existierten mehrere Gründe:

  • In der öffentlichen Diskussion spielten seit den 1970er Jahren basisdemokratische Konzepte, die die repräsentative Komponente der parlamentarischen Demokratie missverstanden, eine zunehmende Rolle. Eine vorgezogene Bundestagswahl konnte – im Falle des Erfolges – einer Diskussion über ein vermeintliches Legitimitätsdefizit den Boden entziehen.
  • Die offizielle Lesart der SPD schob die Schuld für das Scheitern der Koalition ausschließlich der FDP zu, ohne die innerhalb der SPD schwindende Unterstützung für den Kurs ihres Kanzlers zuzugeben.
  • Die FDP war durch den Koalitionswechsel in eine innerparteiliche Zerreißprobe geraten, da der linksliberale Flügel diesen Weg der Partei- und Fraktionsführung nicht mitgehen wollte; eine Neuwahl konnte zumindest bestätigen, dass die Abgeordneten der FDP bereits als Mitglieder der christlich-liberalen Koalition gewählt würden und ihr Kurs somit bestätigt wurde.
  • Die dringend notwendige Haushaltssanierung konnte ohne unpopuläre wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen nicht durchgeführt werden, kaum zwei Jahre der verbleibenden Legislaturperiode waren für eine neue Regierung viel zu knapp, um ihre Politik der Mehrheit plausibel zu machen.

Trotz der verfassungsrechtlichen Problematik dieses Weges strebte die neue Koalition Neuwahlen an. Sie fanden am 6. März 1983 statt. Die von Bundeskanzler Kohl geführte Union gewann gegenüber der Wahl von 1980 insgesamt 4,3% hinzu und gelangte mit 38,2% für die CDU und 10,6% für die CSU dicht an die absolute Mehrheit. Mit 7% hatte die FDP aber andererseits einen Wähleranteil behalten, der die seit Oktober 1982 amtierende christlich-liberale Koalitionsregierung eindeutig bestätigt hatte: Sie besaß nun mit 55,8% der Stimmen eine eindrucksvolle parlamentarische Mehrheit.

Veränderungen im Parteiensystem

Allerdings vollzog sich bei den Wahlen von 1983 auch eine seitdem anhaltende Veränderung des Parteiensystems auf Bundesebene: Nachdem seit 1961 neben den beiden Unionsparteien nur SPD und FDP vertreten waren, gelangte 1983 mit den Grünen nach 1961 erstmals wieder eine vierte Partei in den Bundestag: Obwohl sie 1983 nur 5,6% erhielten, veränderte sich doch dadurch langfristig die Konstellation bei der Koalitionsbildung. Auf der anderen Seite wuchs während der 1980er Jahre sowohl bei den Christlichen Demokraten unter der Führung Helmut Kohls als auch bei den Liberalen unter der Voraussetzung ihrer Entscheidung von 1982 die Geschlossenheit. Wenngleich es Rückschläge gab und die Spitzenwahlergebnisse von 1976 und 1983, bei denen die Union mit 48,6% bzw. 48,8% die absolute Mehrheit jeweils nur knapp verfehlte, nicht wieder erreicht werden konnten, blieben CDU und CSU doch zwischen 1976 und 1998 die stärkste Fraktion des Bundestages.

Da die Union seit ihrem grandiosen Wahlerfolg 1983 regelmäßig Einbrüche erlebte, provozierte dies innerhalb und außerhalb der Union immer wieder heftige Diskussionen über die Ursachen: Auch in der Union ging die Furcht um, aufgrund der Lagerbildung die „strukturelle Mehrheitsfähigkeit“ überhaupt zu verlieren. Besonders 1987 schien sich eine weitere Veränderung des Wahlverhaltens abzuzeichnen: Die Wahlbeteiligung war von 89,1% 1983 auf 84,3% zurückgegangen, die Union hatte stark verloren. Nichtwähler, Wechselwähler, Verluste vor allem bei ländlichen Stammwählern der CDU, andererseits eine absolute Mehrheit der Oppositionsparteien bei Wählern unter 45 Jahren, Rückwanderung eines erheblichen Teils der Facharbeiter zur SPD – dies alles waren alarmierende Anzeichen für die Partei, zumal sie nach einer durchaus erfolgreichen Regierungsbilanz aufrauchten. Sie war umso bemerkenswerter, als die 1982/83 zu lösenden Probleme gravierend waren. Allerdings waren die Erwartungen nach dem Wahlsieg von 1983 hoch und die negative Relation zwischen Bundestags- und Landtagswahlergebnissen bei der führenden Regierungspartei auf Bundesebene ein vielfach bestätigter Erfahrungswert.

Integrationspartei zwischen Erfolg und Krise

Insgesamt zählen die 1980er Jahre zu den erfolgreichsten Phasen der Geschichte der Unionsparteien: Sie stellten mit Karl Carstens (1979-1984) und Richard von Weizsäcker (1984-1994) und danach Roman Herzog (1994-1999) den Bundespräsidenten, mit Helmut Kohl (1982-1998) den Bundeskanzler. Als stärkste Fraktion nominierte die Union von 1976 bis 1998 die Bundestagspräsidenten (Karl Carstens, Richard Stücklen, Rainer Barzel, Philipp Jenninger, Rita Süssmuth). In mehreren Ländern stellte die Union die Ministerpräsidenten, so über den ganzen Zeitraum in Bayern (Strauß 1978-1988, Max Streibl 1988-1993), in Baden-Württemberg (Lothar Späth 1978-1991, Erwin Teufel 1991-2005), Niedersachsen (Ernst Albrecht 1976-1990), Rheinland-Pfalz (Bernhard Vogel 1976-1988, Carl-Ludwig Wagner 1988-1991); überwiegend in Schleswig-Holstein (Gerhard Stoltenberg 1971-1982, Uwe Barschel 1982-1987, Henning Schwarz 1987/88) und Berlin (von Weizsäcker 1981-1984, Eberhard Diepgen 1984-1989), zeitweise in Hessen, wo mit Walter Wallmann (1987-1991) erstmals seit 42 Jahren ein CDU-Ministerpräsident ins Amt gelangte, und im Saarland (Werner Zeyer 1979-1985).

Die Zahl derjenigen Länder, in denen die CDU während dieses Zeitraums keine Chancen auf den Sieg besaß, war demgegenüber kleiner: Nordrhein-Westfalen, sowie Hamburg und Bremen. In den neuen Ländern hingegen gelang es der Union 1990, vier von fünf Ministerpräsidenten zu stellen: In Mecklenburg-Vorpommern wurde Alfred Gomolka (1990-1992) gewählt, in Sachsen-Anhalt Werner Münch (1990-1993), in Sachsen Kurt Biedenkopf (seit 1990) und in Thüringen Josef Duchač (1990-1992). Und auch bei den ersten und einzigen freien Wahlen zur Volkskammer der DDR am 18. März wurde die CDU-geführte „Allianz für Deutschland“ zur stärksten parlamentarischen Gruppierung und Lothar de Maizière (CDU) zum Ministerpräsidenten gewählt. Allerdings blieben auch herbe Rückschläge in den Ländern nicht aus, vor allem der Fall des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Barschel ist hier zu nennen, der 1987 auf dem Höhepunkt der Affäre, die nach ihm benannt ist, unter mysteriösen Umständen in einem Genfer Hotel starb.

Der in diesen äußeren Daten zum Ausdruck kommende rasche Wiederaufstieg der CDU seit den 1970er Jahren beruhte zunächst auf der Reorganisation der Partei, der gezielten und äußerst erfolgreichen Mitgliederwerbung, der programmatischen Erneuerung und schließlich der erfolgreichen Regierungspolitik in den Ländern, während sich zur gleichen Zeit die führende Regierungspartei, die SPD, abnutzte und zunehmend an politischer und personeller Konsistenz verlor. Allerdings ist wiederholt konstatiert worden, dass der enorme Mitgliederzuwachs der CDU nicht allein einen Wandel des Mitgliedertypus bewirkt, sondern die Identifikation mit der Partei vermindert habe. Auch das Sympathisantenumfeld der Partei ist diffuser geworden, während der 1980er Jahre begegneten immer wieder auch Unzufriedenheiten und Krisensymptome.

Krisen gab es zweifellos, sie resultierten zum Teil aus dem sozialen Wandel, der Angleichung der Sozialprofile der Mitgliedschaften der großen Parteien, der Notwendigkeit zum Kompromiss innerhalb einer großen Integrationspartei, in der es beispielsweise die sozialpolitischen Vorstellungen der traditionsreichen und starken Sozialausschüsse (unter Führung des Bundesarbeitsministers Norbert Blüm), den Wirtschaftsrat der CDU und die Mittelstandsvereinigung der Partei – bzw. deren Anhänger- zu integrieren galt. Und ähnliches galt und gilt für andere Interessen und Richtungen, von den konfessionellen bis zu den generationellen – die beispielsweise von der – Jungen Union (JU) über den Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) bis zur Senioren-Union (SU) und Frauen Union (FU) gebündelt werden müssen.

Außen- und Deutschlandpolitik

Unter Führung Kohls war die Union schon in den 1970er Jahren vom starren Konfrontationskurs abgerückt, der vor allem während der Regierung Brandt-Scheel 1969 bis 1974 infolge der heftigen Auseinandersetzungen über die Ostverträge und des gescheiterten Misstrauensvotums gegen Brandt 1972 dominiert hatte. Die neue Führung definierte schon 1973 die CDU konsequent als „Volkspartei der Mitte“ und gab unmissverständlich zu erkennen, dass sie auf dem Gebiet der umstrittenen außenpolitischen Entscheidungen das Prinzip „pacta sunt servanda“ verfolgen würde. Dieser Kurs ermöglichte auch eine Wiederannäherung zwischen Union und FDP. Weder in der Außenpolitik noch in der Sicherheitspolitik und nicht einmal in der Deutschlandpolitik gab es infolgedessen nach der Regierungsübernahme 1982 einen Kurswechsel. Dies lag nicht allein daran, dass der Koalitionspartner mit dem FDP-Vorsitzenden Hans-Dietrich Genscher weiterhin den Außenminister und Vizekanzler stellte, sondern an der Tatsache, dass Helmut Kohl mit seinem Vorgänger Helmut Schmidt insofern übereinstimmte, als er dessen Initiative des NATO-Doppelbeschlusses entschieden unterstützte: Die Regierung Kohl setzte gegen massive Widerstande am 22. November 1983 im Deutschen Bundestag die Annahme des Doppelbeschlusses durch. Wie sich 1989 herausstellen sollte, zählte diese Entscheidung zu den Faktoren des Untergangs des Sowjetimperiums, das dadurch zu einer ökonomisch nicht zu verkraftenden Rüstungsanstrengung gezwungen wurde.

Damit war aber auch klar: Zur politischen Entscheidungsbildung im Rahmen außenpolitischer Kontinuität trat eine politische Durchsetzungskraft, der es der sozial-liberalen Koalition am Ende gemangelt hatte. Überdies wurde die Außen- und Sicherheitspolitik als Konstituens deutsch-französischer Kooperation erkennbar, hatte doch der französische Staatspräsident François Mitterrand den Bundeskanzler durch seine große Rede im Bundestag unterstützt. Die Außenpolitik blieb ein zentrales Arbeitsfeld der neuen Bundesregierung.

Der dritte Bereich der Kontinuität, in dem Außen- und Deutschlandpolitik ineinander griffen, bildeten die innerdeutschen Beziehungen. Führte die neue Regierung auch in diesem Feld die seit den 1970er Jahren betriebene Entspannungs- und Ostpolitik mit der Einhaltung der Verträge fort, so ging Kohl innerparteilich jedoch hier ein größeres Risiko ein, da diese Politik auch innerhalb der Union umstritten war. Dies hatte sich bereits bei dem von Strauß eingefädelten Milliardenkredit für die DDR 1983 gezeigt, verschärfte sich aber 1987 beim Besuch des DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker. Dabei bewies gerade die Rede des Bundeskanzlers am 7. September 1987, dass das Bemühen um innerdeutsche Erleichterungen und ein geregeltes Miteinander für die CDU-Führung keineswegs die Aufgabe der grundgesetzlich gebotenen Forderung nach Wiedervereinigung bedeutete.

Keinen Bruch, aber eine deutliche Akzentuierung gab es in der Europapolitik und in den deutsch-französischen Beziehungen. Seit 1982 vertieften sich relativ rasch die Kontakte zwischen Kohl und Mitterrand, die schließlich bis zum Vorabend der Wiedervereinigung wesentliche Schrille zur europäischen Integration durchsetzten – und damit der so genannten „Eurosklerose“ ein Ende bereiteten. Intensiver wurden auch die deutsch-amerikanischen Beziehungen, wo es Kohl schnell gelang, Verkrampfungen aufzulösen: Hier wie sonst setzte der Bundeskanzler auf enge persönliche Kontakte, die sich nach anfänglicher Distanz auch zum Generalsekretär der KPdSU, bzw. späteren Präsidenten der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, entwickelten. Es ist kein Zweifel, dass die CDU unter Kohl an die große Tradition bundesrepublikanischer Außenpolitik, wie sie Adenauer begründet halle, anknüpfte, ja insofern darüber hinaus gelangte, als es Kohl verstand, alle konstruktiven Ansätze, auch die der Ostpolitik der 1970erJahre, zu bündeln und fortzuentwickeln – übrigens auch zu mittelosteuropäischen Ländern wie Polen und Ungarn: Trotz „schlechter Presse“ erwies er sich schon während der 1980er als äußerst erfolgreicher Außenpolitiker.

Wirtschafts- und Finanzpolitik

Entscheidende Kursänderungen gab es 1982 zunächst in der Haushalts- und Wirtschaftspolitik. Die dringend notwendige Haushaltssanierung besaß oberste Priorität, hier stimmten die beiden Koalitionsparteien völlig überein. Der künftige Finanzminister Stoltenberg sah in der Korrektur der bisherigen Wirtschafts- und Finanzpolitik mit der Eindämmung der explodierenden Neuverschuldung die dringlichste – und durch seine Haushaltspolitik erfolgreich gemeisterte – Aufgabe. Dazu zählte ein Sparkurs, aber auch die Kürzung von Sozialleistungen, die Erhöhung der Steuereinnahmen (Mehrwertsteuer), zugleich aber der Versuch, durch Entlastung der Unternehmen die Konjunktur anzukurbeln.

War die Wirtschafts- und Finanzpolitik durchaus erfolgreich, so gelang trotz einer gewissen Verbesserung die Lösung des Arbeitslosenproblems nicht, da es zum erheblichen Teil strukturelle Ursachen besaß. Trotzdem konnte sich die Bilanz der Regierung am Vorabend der Wiedervereinigung auch in dieser Hinsicht sehen lassen. Die Inflationsrate war von 5,2% 1982 auf 2,7% 1990 gedrückt worden, die Arbeitslosenquote bei geringfügigen Steigerungen während der 1980er Jahre von 7,2% 1982 auf 6,9% 1990 (in absoluter Zahl: 1,883 Millionen) etwa gleich geblieben, die Zahl der Erwerbspersonen aber gestiegen. Die Wachstumsrate betrug 1990 sogar 5,5% gegenüber -1,1% 1982, die Nettoinvestitionen waren im gleichen Zeitraum von 8,5 auf 10,3% gestiegen. Negative Zeichen bildeten hingegen die Verminderung der Produktivität und die Steigerung der Lohnstückkosten. Insgesamt waren die wirtschaftlichen Voraussetzungen zur Meisterung der extremen finanziellen Belastungen, die sich aus der Wiedervereinigung ergeben sollten, hervorragend, hatte es doch in der deutschen Wirtschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts bisher keine vergleichbare, so lange anhaltende konjunkturelle Aufschwungsphase (1983-1990) gegeben, wobei zeitweilig natürlich auch außenwirtschaftliche Gründe – beispielsweise der den Export begünstigende Dollarkurs – beteiligt waren.

Auswirkungen der Wiedervereinigung

Seit Spätherbst des Jahres 1989 wurden die inneren Probleme des Ostblocks und die zunehmende Schwächung der Sowjetunion unübersehbar, nach und nach brachen die kommunistischen Diktaturen zusammen, nachdem die Hegemonialmacht sie nicht mehr stützen wollte oder konnte. Die Flucht- und Protestbewegung; der DDR nahm ein dramatisches Ausmaß an, ihr Kollaps begann sich seit Oktober/November abzuzeichnen. Trotzdem war zu diesem Zeitpunkt völlig offen, wie sich die Situation entwickeln würde und ob nicht Kurzschlussreaktionen der zusammenbrechenden Systeme auch die Nachbarstaaten in den Strudel reißen würden. Zweifellos zählte die konstruktive politische Meisterung der Situation und damit die Wiedervereinigung Deutschlands zu den herausragenden Leistungen der beteiligen Staatsmänner, aber auch der christlich-liberalen Koalitionsregierung insgesamt, in singulärer Weise vor allem Bundeskanzler Kohls unter Mitwirkung Bundesaußenminister Genschers und anderer Beteiligter.

Die Parteien traten dieser sich seit Herbst 1989 abzeichnenden Chance mit unterschiedlicher Disposition gegenüber: Die von Kohl geführte CDU ergriff mit Unterstützung der CSU gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner FDP energisch und geschickt die sich – vermutlich nur kurze Zeit – bietende Chance. Der CSU-Vorsitzende Theo Waigel musste als Bundesfinanzminister dann einen erheblichen Teil der finanzpolitischen Herausforderungen bewältigen, Innenminister Wolfgang Schäuble den Einigungsvertrag aushandeln und Kanzleramtsminister Rudolf Seiters die vielfältigen Aktivitäten koordinieren. Die unterschiedlichen Haltungen der Parteien spielten bei den ersten Bundestagswahlen des wiedervereinigten Deutschland am 3. Dezember 1990 schon deshalb eine Rolle, weil zu diesem Zeitpunkt die überwältigende Mehrheit der West- und noch stärker der Ostdeutschen die Wiedervereinigung wollte. Auf der anderen Seite fiel dieses Wahlerlebnis für die Union doch nicht so eindrucksvoll aus wie erwartet (36,7% für die CDU, 7,1% für die CSU) und lag insgesamt geringfügig unter dem von 1987, während die FDP erheblich hinzugewinnen konnte und auf 11% kam.

Insgesamt war diese Wahl durch erhebliche Veränderungen charakterisiert, die auch alle künftigen Wahlen prägte: die Vergrößerung des Wahlkörpers, der künftig weiter zunehmende Anteil der Wechselwähler, die nachträglich immer wieder schwankende Befürwortung der Wiedervereinigung, deren materielle Lasten zunehmend als drückend galten und von vielen der CDU angelastet wurden, die Wahl einer fünften Partei, der PDS – die als Vertretung ostdeutscher Interessen empfunden wurde –, in den Bundestag, schließlich den sich beschleunigenden Wertewandel mit der weiteren Erosion von Stammwählermilieus. Diesen Tendenzen versuchte die CDU durch intensive Aufbauarbeit und die Reorganisation und Integration der Ost-CDU zu einer demokratischen Partei Rechnung; zu tragen, was naturgemäß nicht ohne Probleme abgehen konnte, da sie bis 1989 Teil des DDR-Systems gewesen war. Der Zusammenschluss der CDU mit der ehemaligen Ost-CDU erfolgte beim 38. Bundesparteitag, der am 1. Oktober 1990 in Hamburg begann. Unter den 1.000 Delegierten befanden sich 250 aus der DDR. Kohl wurde mit 98,5% der Stimmen zum Vorsitzenden gewählt, abweichend von der bis dahin geltenden Regelung; mehrerer Stellvertreter wurde dieses Mal nur ein Stellvertreter gewählt, der letzte – und einzig demokratisch gewählte – DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière, der 97,4% der Stimmen erhielt. Das am 1. Oktober 1990 in Hamburg verabschiedete „Manifest zur Vereinigung“ der beiden Parteien erneuerte den seit den 1970er Jahren immer wieder erhobenen Anspruch: „Die CDU ist die zukunftsoffene, moderne und soziale Volkspartei der Mitte, die am ehesten die mit der Gestaltung der Zukunft verbundenen Probleme lösen kann.“

Es folgten in den neuen Ländern am 14. Oktober 1990 die erwähnten Wahlerfolge. Doch dann machte sich immer wieder auch Resignation breit, die zum nicht geringen Teil aus der Unterschätzung der in 40 Jahren SED-Diktatur angehäuften materiellen und mentalen Erblast resultierten. Trotz erstaunlicher Erfolge braucht es Zeit, sie abzutragen.

Horst Möller

Literatur

  • H. Oberreuter, Parteien – zwischen Nestwärme und Funktionskälte (1983);
  • W. Schönbohm, Die CDU wird moderne Volkspartei. Selbstverständnis, Mitglieder, Organisation und Apparat 1950-1980 (1985);
  • J. Schmid, Die CDU. Organisationsstrukturen, Politiken und Funktionsweisen einer Partei im Föderalismus (1990);
  • P. Haungs, Die CDU: Prototyp einer Volkspartei, in: A. Mintzel / H. Oberreuter (Hg.), Parteien in der Bundesrepublik Deutschland, (2. Auflage, 1992);
  • H.-O. Kleinmann, Geschichte der CDU (1993);
  • Hanns-Seidel-Stiftung (Hg.): Geschichte einer Volkspartei. 50 Jahre CSU 1945-1995 (1995);
  • W. Jäger / M. Walter, Die Allianz für Deutschland (1998);
  • A. Mintzel, Die CSU-Hegemonie in Bayern (1999);
  • S. Fröhlich, „Auf den Kanzler kommt es an“: Helmut Kohl und die deutsche Außenpolitik (2001).

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