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Veröffentlichung der Friedensenzyklika "Pacem in terris" durch Papst Johannes XXIII.

von Markus Lingen
Die Enzyklika, eines "der großen Dokumente des 20. Jahrhunderts" schafft die Grundlage für einen Friedensdialog zwischen Christen und Menschen nichtchristlicher Weltanschauung.

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Der Schwerpunkt der Enzyklika liegt im Frieden unter allen Völkern. Dieser Frieden kann nur gesichert werden in einer Gesellschaft, in der Freiheit, Gerechtigkeit, Liebe und Anerkennung der Menschenrechte herrschen.

Lehre vom gerechten Frieden

„Jedem menschlichen Zusammenleben, das gut geordnet und fruchtbar sein soll, muss das Prinzip zugrundeliegen, dass jeder Mensch seinem Wesen nach Person ist. (PT 9)“.

Kaum ein anderer Papst hat in einer so kurzen Zeit – sein Pontifikat dauerte weniger als fünf Jahre (1958-1963) – so viel angestoßen, geleistet und eine neue Epoche in der Geschichte der katholischen Kirche eingeleitet wie Johannes XXIII. (1881-1963), der wegen seines Alters nur als „Übergangspapst“ gedacht gewesen war.

Was die kirchliche Friedenslehre betrifft, vollzieht er eine völlig neue Akzentuierung: statt einer Erörterung über erlaubten und unerlaubten Gebrauch von Waffen, legt er das Gewicht auf die Wege und Möglichkeiten, mit deren Hilfe Krieg als Mittel der Politik weitgehend gebannt werden soll. Durch die Bemühungen von Johannes XXIII. wird die traditionelle Lehre vom „gerechten Krieg“ endgültig verabschiedet und durch die Lehre vom „gerechten Frieden“ ersetzt. Hinzu kommen sein erfolgreicher Friedensappell während der Kuba-Krise im Oktober 1962. In dem von ihm einberufenen Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) erfährt das Thema „Krieg und Frieden“ besondere Aufmerksamkeit. Mit der Enzyklika Mater et magistra(1961) legt er ein Bekenntnis zu den Anliegen der Entwicklungsländer ab und zeigt die untrennbare Verbindung von sozialer Gerechtigkeit und christlicher Friedensidee auf. In der alsbald einsetzenden Phase der Entspannung zwischen Ost und West erhält seine Friedensenzyklika Pacem in terris internationale Anerkennung.

Eines der großen Dokumente des Jahrhunderts

Obwohl kritische Stimmen behaupten, die Friedensenzyklika habe nichts Neues gebracht, und der ethische Aspekt des Gewaltproblems sei nicht angemessen erörtert, wird sie „zu den wirklich großen Dokumenten des Jahrhunderts“ gezählt. Für alle späteren kirchlichen und lehramtlichen Äußerungen zur Friedensethik ist sie maßgeblich. Denn die Enzyklika gilt als Magna Charta der Menschenrechte und Papst Johannes XXIII. als Wegbereiter einer neuen Haltung der Kirche zu den Menschenrechten.

Die Enzyklika Pacem in terris, die aus einem Vorwort und fünf Hauptteilen besteht, in denen die menschlichen Beziehungen in ihren verschiedenen Ebenen durchleuchtet werden, zeigt sich in vielen Hinsichten als epochal: Während Papst Pius XII. sich meist an das „christliche Europa“ wandte und die christlichen Werte betonte, ist Pacem in terris die erste Enzyklika, die nicht nur an die Katholiken oder Christgläubigen adressiert ist, sondern „an alle Menschen guten Willens“. Auf diese Weise zeigt sie, dass sich die kirchlichen Stellungnahmen zu „Krieg und Frieden“ auch an Menschen nichtchristlicher Weltanschauungen richten wollen. Unter dem Pontifikat seines Vorgängers war ein Dialog zwischen Christen und Marxisten unvorstellbar. Seit dem Pontifikat Johannes XXIII. Ist ein solcher Friedensdialog möglich. Er verschafft der katholischen Kirche eine wachsende Bedeutung in ihrer Eigenschaft als friedensfördernde Institution.

Johannes' XXIII. Friedensverständnis ist nicht auf das drohende Gegenbild des Krieges fixiert, sondern entfaltet die rechtlichen, politischen und moralisch zu gestaltenden Elemente einer Friedensordnung. Der Papst baut seine Lehrverkündigung auf einem radikalen Humanismus auf, für den der christliche Glaube nicht Konkurrenz, sondern letzte Vertiefung bedeutet. Die christliche Interpretation der Gerechtigkeit und der Begründung der Menschenrechte tritt nicht mehr mit dem Anspruch auf, im alleinigen Besitz der absoluten Wahrheit zu sein, sondern wird als Dialogangebot eingebracht.

Ächtung des Krieges

In Pacem in terris fordert der Papst auch nachdrücklich ein Ende des Rüstungswettlaufs, den er als doppelte Ungerechtigkeit betrachtet, weil durch ihn „die Bürger dieser Nationen keine geringen Lasten zu tragen haben und andere Staaten, die sich wirtschaftlich und sozial entwickeln sollten, der notwendigen Hilfeleistungen entbehren.“ (PT 109). Es wird hier in aller Deutlichkeit der Zusammenhang zwischen der Überrüstung der Industrienationen und der ungerechten Verteilung der Wirtschaftsgüter in den Entwicklungsländern hervorgehoben und kritisiert.

Johannes XXIII. dringt zudem auf ein generelles Verbot atomarer Waffen, kontrollierte Abrüstung und den Verzicht auf die militärische Gleichgewichts- und Abschreckungspolitik der Bündnissysteme. Noch entschiedener als Pius XII. schlägt er eine Weltautorität zur Regelung von Konflikten vor. Er betont, dass „der wahre Friede unter den Völkern nicht durch die Gleichheit der militärischen Rüstung, sondern nur durch gegenseitiges Vertrauen fest und sicher bestehen kann.“ (PT 113)

Nicht nur die Ächtung des Angriffskrieges verlangt der Papst, sondern angesichts des Zerstörungspotentials der modernen Waffen, deren Kraft sich 1945 in Hiroschima und Nagasaki zeigte und die Welt in Schrecken stürzte, fordert er die Ächtung überhaupt jedes Krieges. In Art. 127 seiner Enzyklika drückt er dies so aus: „Freilich gestehen Wir, dass diese Überzeugung vor allem von der schrecklichen Zerstörungsgewalt der modernen Waffen herrührt, von der Furcht vor dem Unheil grausamer Vernichtung, die diese Art von Waffen herbeiführen kann. Darum widerstrebt es in unserem Zeitalter, das sich rühmt, Atomzeitalter zu sein, der Vernunft, den Krieg noch als das geeignete Mittel zur Wiederherstellung verletzter Rechte zu betrachten.“ Die allgemeine Friedenssehnsucht erscheint ihm einerseits ein Ergebnis der Furcht, ein Friede aus Angst zu sein, den er als ein Zeichen der Zeit betrachtet; aber noch mehr ist der Friede für ihn ein Gebot der Notwendigkeit und der Vernunft.

In Art. 114 erklärt er: „Zunächst handelt es sich um eine Sache, die die Vernunft gebietet. Denn, wie alle wissen oder wenigstens wissen sollten, sind die Beziehungen der Staaten untereinander, ebenso wie die der einzelnen Menschen, nicht durch Waffengewalt, sondern nach den Gesetzen der gesunden Vernunft, also nach den Gesetzen der Wahrheit, Gerechtigkeit und der tätigen Solidarität zu regeln.“

Nachdem er die Vorstellung einer überstaatlichen Weltgemeinschaft entwickelt hat, hält der Papst folgende Erkenntnis fest: „Der Friede muss jedoch ein leeres Wort bleiben, wenn er sich nicht in jenem Ordnungsgefüge entwickelt, einem Ordnungsgefüge, das in der Wahrheit gegründet, nach den Richtlinien der Gerechtigkeit erbaut, von lebendiger Liebe erfüllt ist und sich schließlich in der Freiheit verwirklicht.“ Der Papst bringt es hier auf den Punkt: Der Friede ist und wird stets eine immerwährende Aufgabe sein, eine hohe und so bedeutende Aufgabe, dass ein Mensch sie nie erfüllen könnte, wenn er sich nur auf seine eigene Kraft verließe. Dass die menschliche Gesellschaft soweit als möglich ein Abbild des Gottesreiches werde, dazu braucht es dringend der Hilfe des göttlichen Geistes.

Literatur

  • Texte zur katholischen Soziallehre. Die sozialen Rundschreiben der Päpste und andere kirchliche Dokumente, Bornheim/Kevelaer, 8. erw. Aufl. 1992, S. 241-290.
  • Alberigo, Guiseppe: Johannes XXIII. Leben und Wirken des Konzilspapstes, Mainz 2000.
  • Fonk, Peter: Frieden schaffen - auch mit Waffen? Theologisch-ethische Überlegungen zum Einsatz Militärischer Gewalt angesichts des internationalen Terrorismus und der Irak-Politik, Stuttgart 2003 (Beiträge zur Friedensethik; 36).
  • Huber, Wolfgang/ Reuter, Hans-Richard (Hrsg.): Friedensethik, Stuttgart/ Berlin/ Köln 1990.
  • Lienemann, Wolfgang: Frieden: vom „gerechten Krieg“ zum „gerechten Frieden“, Göttingen 2000 (Bensheimer Hefte; 92; Ökumenische Hefte; 10).
  • Mader, Hubert (Hrsg.): Quellen zum Friedensverständnis der katholischen Kirche seit Pius IX, Wien/ München 1985.
  • Nagel, Ernst Josef / Oberhem, Harald: Dem Frieden verpflichtet. Konzeptionen und Entwicklungen der katholischen Friedensethik seit dem Zweiten Weltkrieg, München/Mainz 1982 (Entwicklung und Frieden. Dokumente, Berichte, Meinungen; 14).
  • Uertz, Rudolf: Vom Gottesrecht zum Menschenrecht. Das katholische Staatsdenken in Deutschland von der Französischen Revolution bis zum II. Vatikanischen Konzil (1789-1965), Paderborn 2005.

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