Westintegration - Geschichte der CDU
Westintegration
Kennzeichen der Außenpolitik Konrad Adenauers seit 1949, bezeichnet Westintegration zunächst die Politik auf der Ebene von Staat und Regierung, die Bundesrepublik vertraglich irreversibel in eine Allianz mit den westeuropäischen Ländern und den USA einzubinden. Der Ost-West-Konflikt im Kalten Krieg und der Antikommunismus der 1950er Jahre ermöglichten es, diesen Kurs erfolgreich zu verfolgen. Westintegration umfasste sowohl die Wirtschafts- als auch die Außen- und Sicherheitspolitik. Der EGKS vom 18. April 1951 folgten am 26./27. Mai 1952 der Deutschlandvertrag, der die Bundesrepublik zum Bündnispartner des Westens machte, und der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft, welcher 1954 von Frankreich nicht ratifiziert wurde. Dieser Fehlschlag wurde in den Pariser Verträgen vom 23. Oktober 1954 ausgeglichen durch die Revision des Deutschlandvertrags von 1952 mit dem Zugeständnis weitgehender Souveränität und durch die Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO am 9. Mai 1955. Den Ansatz der EGKS fortführend begründeten die Römischen Verträge vom 25. März 1957 die EWG.
Auch auf kultureller Ebene wurde die Westintegration zum politischen Hauptziel der Bundesrepublik in den 1950er und 1960er Jahren. Ein markantes Ereignis bildete der Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit vom 22. Januar 1963, welcher der bilateralen Aussöhnung dienen sollte und neben regelmäßigen politischen Konsultationen auch Kooperation im Bereich von Erziehung, Ausbildung und Jugendaustausch vorsah.
Ergänzend zur politischen Westintegration vollzog sich die ideelle Westorientierung, die von Multiplikatoren in den Parteien und Verbänden, Medien, Kirchen sowie in Wissenschaft und Kunst vorangetrieben wurde. Während der 1950er und 1960er Jahre verlief ein intensiver Ideentransfer aus den westeuropäisch-atlantischen Ländern über die Gestaltung einer freiheitlichen, demokratischen und zivilen Gesellschaft. Hier wirkten deutsche, westeuropäische und amerikanische Intellektuelle zusammen, nicht selten Emigranten vor dem Nationalsozialismus und Remigranten, die nach 1945 nach Deutschland zurückgekehrt waren. Sie brachten soziale und kulturelle Ordnungsvorstellungen aus dem angloatlantischen Liberalismus in der öffentlichen Diskussion zur Geltung, die dazu beitrugen, dass sich die Westdeutschen aus eigenem Willen und dauerhaft in die westliche Wertegemeinschaft eingliederten. Als in der Epoche der Entspannungspolitik seit 1966/69 die Öffnung nach Osten erfolgte, bildete die Westintegration das stabile Fundament für die Deutschland- und Ostpolitik aller Regierungen bis 1990.
Literatur:
- W. F. Hanrieder: Deutschland, Europa, Amerika. Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland 1949–1984 (2. Auflage, 1995);
- A. Doering-Manteuffel: Wie westlich sind die Deutschen? Amerikanisierung und Westernisierung im 20. Jahrhundert (1999);
- B. Neuss: Geburtshelfer Europas? Die Rolle der USA im europäischen Integrationsprozeß 1945–1958 (2000);
- M. Hochgeschwender: Was ist der Westen? Zur Ideengeschichte eines politischen Konstrukts (2004);
- H.-P. Schwarz: Einführung, in: Die Ära Kohl im Gespräch. VII. Die transatlantischen Beziehungen in der Ära Kohl (2007);
- A. Wirsching: Die Beziehungen zu den USA im Kontext der deutschen Außenpolitik 1982-1998, in: Die Ära Kohl im Gespräch. VII. Die transatlantischen Beziehungen in der Ära Kohl (2007);
- K. Larres: Die USA, die europäische Einigung und die Politik Helmut Kohls, in: Die Ära Kohl im Gespräch. VII. Die transatlantischen Beziehungen in der Ära Kohl (2007);
- S. Fröhlich: Die USA-Politik aus amerikanischer Perspektive in der Ära Kohl, in: Die Ära Kohl im Gespräch. VII. Die transatlantischen Beziehungen in der Ära Kohl (2007);
- G. Müller-Brandeck-Bocquet: Wie halten wir es mit Amerika? Die transatlantischen Beziehungen, die Konstruktion Europas und die deutsch-französische Zusammenarbeit in der Ära Kohl, in: Die Ära Kohl im Gespräch. VII. Die transatlantischen Beziehungen in der Ära Kohl (2007);
- W. Link, P. Hermes, J. Bitterlich, B. Witz: Statements, in: Die Ära Kohl im Gespräch. VII. Die transatlantischen Beziehungen in der Ära Kohl (2007);
- H.-G. Pöttering: Begrüßung, in: Die Ära Kohl im Gespräch. XIV. Die deutsch-amerikanische Sicherheitspolitik in den 1980er Jahren (2014).
- J. D. Melville: Grußwort, in: Die Ära Kohl im Gespräch. XIV. Die deutsch-amerikanische Sicherheitspolitik in den 1980er Jahren (2014).
- A. Rödder: Gleichgewicht, Westbindung, Multilateralismus. Der NATO-Doppelbeschluss und die Folgen für die deutschamerikanische Sicherheitspolitik der 1980er Jahre, in: Die Ära Kohl im Gespräch. XIV. Die deutsch-amerikanische Sicherheitspolitik in den 1980er Jahren (2014).
- H. Teltschik: Die deutsch-amerikanische Sicherheitspolitik in den 1980er Jahren aus der Sicht des Bundeskanzleramtes, in: Die Ära Kohl im Gespräch. XIV. Die deutsch-amerikanische Sicherheitspolitik in den 1980er Jahren (2014).
- S. Fröhlich: Das amerikanisch-sowjetische Gipfeltreffen von Reykjavik 1986 und Helmut Kohls Verzicht auf die INF-Waffen, in: Die Ära Kohl im Gespräch. XIV. Die deutsch-amerikanische Sicherheitspolitik in den 1980er Jahren (2014).
- K. Spohr: Die deutsch-amerikanische Sicherheitspolitik in der Phase der Wiedervereinigung 1989/90 or: A Story of German International Emancipation through Political Unification, in: Die Ära Kohl im Gespräch. XIV. Die deutsch-amerikanische Sicherheitspolitik in den 1980er Jahren (2014).
- H. J. Küsters: Zusammenfassung, in: Die Ära Kohl im Gespräch. XIV. Die deutsch-amerikanische Sicherheitspolitik in den 1980er Jahren (2014).