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Veranstaltungsberichte

Autoren als Brückenbauer zwischen den Kulturen

KAS-Podiumsdiskussion bei Jerusalemer Schriftsteller-Festival

Erstmals fand jetzt im Konrad-Adenauer-Konferenzzentrum in Mishkenot Shaananim in Jerusalem das Internationale Schriftsteller-Festival statt, zu dem zahlreiche prominente Schriftsteller aus Israel, Deutschland und weiteren Ländern zusammenkamen, um ihre Rolle in der Gesellschaft zu diskutieren. Die Konrad-Adenauer-Stiftung organisierte in diesem Rahmen einen Workshop mit dem Titel „Brücken bauen“, in dem die Rolle von Literatur für den Dialog der Kulturen analysiert wurde.

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Angeregte Diskussionen vor der Kulisse der Jerusalemer Altstadtmauern.

“An dem Tag, an dem ich nicht mehr mehr als nur ein Schriftsteller bin, höre ich auf zu schreiben“, sagte einmal Albert Camus, und meinte damit, dass ein Schriftsteller nicht nur Geschichtenerzähler sein sollte, sondern auch ein Mensch, der seine Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft annimmt und die politische Realität beeinflusst. Literatur geht manchmal tiefer als Politik und kann deshalb besonders zu Verständnis, Verständigung und Dialog zwischen Menschen beitragen. Die Literatur kann aber auch die Politik interpretieren und kritisieren und dadurch die öffentliche Meinung bestimmen. Diese Rolle von Literatur hob auch der israelische Staatspräsident Shimon Peres in seiner Eröffnungsrede des Festivals hervor: „Sie dürfen uns kritisieren“, sprach der erfahrener Politiker die Schriftsteller im Publikum an, „Ihre Kritik ist für uns notwendig.“

Der erste Teil des KAS-Workshops stand unter dem Motto „Expressions of Coexistence“ und widmete sich der Interaktion zwischen Juden und Arabern im Nahen Osten. In einer zweiten Diskussionsrunde mit dem Titel „Israel and Germany: Between the Lines” ging es in erster Linie um die besonderen deutsch-israelischen Beziehungen. Die Diskussion mit drei deutschen Schriftstellern aus BRD und ehemaliger DDR erhielt aber auch eine innerdeutsche Dimension.

Vor dem symbolischen Hintergrund der Jerusalemer Alststadtmauern brachte das erste Panel drei bedeutende Literaten aus der Region zusammen: Elie Amir, einen der prominentesten israelischen Schriftsteller, Hussein Serag, einen ägyptischen Journalisten und Schriftsteller, und den israelisch-arabischen Autor Naim Araidi. Alle drei beherrschen und arbeiten trotz ihrer unterschiedlichen Abstammung mit gemeinsamen Sprachen – Hebräisch und Arabisch. Der Ägypter Hussein Serag übersetzte kürzlich Elie Amirs neues Buch „Yasmin“ ins Arabische und sah sich dadurch in Ägypten heftiger Kritik und sogar Bedrohungen ausgesetzt.

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Hussein Serag, Elie Amir und Naim Aradi (von links) im Gespräch.

Trotz möglicher Gefahren für seine Sicherheit zeigte sich Serag überzeugt, dass es sehr wichtig sei, mehr israelische Literatur in der arabischen Welt zu verbreiten. Schließlich müsse man den Nachbarn kennen, selbst wenn er als Feind gesehen werde. Auch ohne dass es teilweise gewünscht werde, sei die Geschichte der Völker in der Region stark miteinander verbunden und jede Seite müsse versuchen, die persönlichen und nationalen Gefühle des Anderen, die die Literatur häufig widerspiegele, zu verstehen.

Das Buch von Elie Amir ist dafür ein sehr passendes Beispiel: Es handelt nicht nur von der unmöglichen Liebesgeschichte zwischen einem Israeli und einer Palästinenserin in Jerusalem unmittelbar nach dem israelischen Sieg im Sechstagekrieg, sondern beinhalt auch eine tiefe Reflexion des israelisch-palästinensischen Konfliktes und seiner Hintergründe.

Leider scheint, dass es selbst in Ägypten, das sich offiziell mit Israel im Frieden befindet, immer noch nicht einfach ist, einen kulturellen Austausch mit Israel durchzuführen. So sagte vor kurzem der ägyptische Kulturminister, er sei so lange gegen kulturelle Beziehungen mit Israel, wie das palästinensische Problem existiere. „Das Palästinensische Problem ist immer noch das größte Hindernis“, stellte auch Hussein Serag fest.

Der Schriftsteller Naim Araidi, ein israelischer Araber, der für sich die hebräische Sprache als Forschungs- und Schreibsprache ausgewählt hat, erklärte, das größte Problem zwischen Juden und Arabern, sogar innerhalb Israels, sei die Abwesenheit einer elementaren Verständigung durch die Sprache. Juden in Israel lernten kaum Arabisch, weswegen arabische Publikationen in Israel von jüdischen Israelis kaum zur Kenntnis genommen würden.

Elie Amir fasste zusammen, dass er nicht davon überzeugt sei, dass die Literatur als eine „Brücke“ zwischen den Völker dienen könne er sei sich aber sicher, dass sie ein „kleines Fenster“ zum Leben des Anderen öffnen könne.

Im zweiten Teil der Veranstaltung wechselte die Sprache vom Hebräischen ins Deutsche. Auf die Bühne traten drei deutsche Schriftsteller: Hans-Ulrich Treichel, Ingo Schulze und Gila Lustiger.

Im Vergleich zum ersten Panel wurde der Ton dieser Schriftsteller untereinander merklich ruhiger und persönlicher. Alle drei konnten über sich und ihre Erfahrungen berichten, ohne das Gefühl haben zu müssen, sie trügen das Gewicht der Konflikte einer ganzen Region auf ihren Schultern.

Die oftmals dramatische Realität des Nahen Ostens wurde aber auch in diesem Diskussionspanel spürbar: Kurz nach Beginn der Diskussion musste der Moderator, der Journalist Ulrich Sahm, das Panel unterbrechen, da er die Nachricht über einen schweren palästinensischen Raketenangriff auf die israelische Stadt Ashkelon erhielt.

Lustiger, Treichel und Schulze repräsentieren allesamt die Generation deutscher Schriftsteller nach dem Zweiten Weltkrieg, doch jeder von ihnen bringt einen ganz anderen Schwerpunkt mit, fast so, als ob sie nicht aus dem selben Land, sondern aus verschiedenen Welten stammten.

Gila Lustiger ist in einer sehr heterogenen Familie aufgewachsen. Sie ist die Tochter des Historikers Arno Lustiger, eines Juden aus Polen, der den Holocaust überlebte und dessen Bruder Jean-Marie Lustiger zum katholischen Glauben konvertierte und Erzbischof von Paris wurde. Ihre Mutter ist Israelin. Die junge Schriftstellerin wuchs in Deutschland auf, zog aber später nach Israel und derzeit lebt und arbeitet sie in Frankreich. In ihren Büchern schreibt sie viel über den Holocaust und wurde besonders durch ihre Familienchronik bekannt.

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Gila Lustiger schilderte sehr persönlich, wie sie zum Schreiben kam. Links: Ulrich Sahm, n-tv-Korrespondent.

Dem Publikum erzählte Lustiger, dass obwohl sie in einer ganz typisch deutschen Umgebung aufgewachsen sei, sie immer die Geschichte ihrer Familie hinter den Kulissen gespürt habe. Diese ungewöhnliche Realität, die sie immer begleitete habe, habe sie irgendwann schriftlich festhalten und erklären müssen.

Auch Hans-Ulrich Treichel fühlte sich verpflichtet, sich mit den Schatten der deutschen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Ingo Schulze, der aus Ost-Deutschland stammt, schilderte die offizielle Haltung der DDR, die so tat, als gebe es lediglich unter den Bürgern der BRD Täter des Holocaust, nicht jedoch in der DDR.

So führte das Gespräch weiter zum Thema Benutzung von Sprache unter verschiedenen politischen und kulturellen Rahmenbedingungen. Schulze berichtete, er habe den Unterschied innerhalb seiner, der deutschen Sprache erst nach der Wende entdeckt, als von „Ossi-Sprache“ gesprochen worden sei. Da die Sprache im Sozialismus als „Waffe“ benutzt worden sei, gehen ostdeutsche Schriftsteller sensibler mit der Sprache um, so Schulze. Alle Panelisten stellten fest, dass es in Deutschland im Allgemeinen als Lehre der Vergangenheit eine starke Sensibilität gegenüber Ideologie- und Verwaltungsausdrücken gebe.

Lustiger sagte, sie sehe sich nicht als „typisch deutsche“ Schriftstellerin. Ihre Sprache sei von der Mehrsprachigkeit in ihre Familie beeinflusst worden und habe so einen ganz eigenen Klang und Rhythmus erhalten.

Bei beiden Podiumsdiskussionen wurde deutlich, dass die Sprache und der Stil eines Schriftstellers nicht nur seine Identität reflektieren, sondern auch die Realität in welcher er lebt und arbeitet. Je stärker das historisch-politische Bewusstsein eines Autoren, desto intensiver verspürt er meist auch eine Pflicht gegenüber der Gesellschaft.

Die gut besuchten und auf hohem intellektuellem Niveau geführten Gespräche im Rahmen des Internationalen Schriftsteller-Festivals lieferten eindrucksvolle Belege dafür, wie sich zeitgenössische Schriftsteller aus der ganzen Welt erfolgreich dafür engagieren, Brücken zwischen Menschen und Kulturen zu bauen.

Palina Kedem

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