Asset-Herausgeber

Veranstaltungsberichte

Conference: The Disengagement Plan – What is left?

Der Rückzug Israels vom Gazastreifen im Jahre 2005 scheint uns heute auf den ersten Blick weit weg zu sein. Dennoch sind unilaterale Schritte nicht aus der Politik im Nahen Osten verschwunden: Erst kürzlich kündigte die palästinensische Führung im Westjordanland die einseitige Erklärung eines palästinensischen Staates an; Israel wiederum erwog einen partiellen Siedlungsstopp als „vertrauensbildende Maßnahme”.

Asset-Herausgeber

Vor diesem Hintergrund versuchte die von der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem Jerusalem Institute for Israel Studies organisierte Konferenz über „The Disengagement Plan – what is left?” zu klären, inwiefern unilaterale Schritte eine legitime Möglichkeit der Politik darstellten oder als kontraproduktiv anzusehen seien. Die Konferenz wurde anlässlich einer von beiden Instituten herausgegebenen Publikation veranstaltet, die aus verschiedenen Perspektiven den Rückzug aus Gaza und seine langfristigen Auswirkungen in Nahost untersucht.

http://farm5.static.flickr.com/4010/4173567683_f00ec2cc49.jpg
MK Tzahi Hanegbi

Hauptredner auf der Konferenz war der Knesset-Abgeordnete und Vorsitzende des Auswärtigen- und Verteidigungsausschusses Tzahi Hanegbi. Er hob hervor, dass der Gaza-Abzug die politische Landschaft Israels grundlegend verändert habe. Wegen des Widerstandes gegen den Rückzug habe sich die Likud-Partei gespalten und Ariel Sharon die Kadima-Partei gegründet, um seinen Plan durchzusetzen. Bei den nächsten Wahlen stürzte daraufhin der Likud, traditionell die konservative der zwei großen Parteien Israels, von 40 auf 12 Mandate ab. Hanegbi unterstrich, dass der Gaza-Abzug eine falsche Entscheidung gewesen sei. Die Hoffnung der Israelis, dass die Palästinenser gleichsam im Gegenzug mit dem Aufbau einer Zivilgesellschaft in Gaza beginnen würden, habe sich als falsch erwiesen. Dies habe nicht zuletzt der Sieg der radikal-islamistischen Hamas bei den kurz danach erfolgten Wahlen gezeigt. „Das israelische Volk glaubte an den Rückzug”, schloss Hanegbi, aber bei solchen Ergebnissen gebe es heute kaum noch jemanden, der an einseitige Schritte als konstruktive politische Maßnahme glaube.

Diese Wahrnehmung wurde durch die Ergebnisse der Professorin Anat First bestätigt, die eine Analyse der israelischen Medienberichterstattung über den Gaza-Abzug vorgenommen hatte. Sie unterstrich die grundsätzliche Bedeutung der Medien für die öffentliche (Selbst-)Wahrnehmung. In diesem Falle hätten die Medien stark legitimierend gewirkt und durch den Rekurs auf nationale „wir”-Gefühle den Mythos vom Rückzug als Konfliktlösung geschaffen. Nachdem diese Strategie nicht aufgegangen sei, werde das Thema folgerichtig seither gemieden. Der Psychologe Dr. Baruch Kahana betonte, der zwangsweise Abzug der israelischen Siedler durch die eigene Bevölkerung habe langfristige Spuren auch in der Psyche der Menschen hinterlassen. Die Umsiedlung sei für viele besonders deshalb so schwer zu ertragen gewesen, da sie scheinbar politisch fruchtlos geblieben sei. Auch der Leiter des Jerusalem Institute for Israel Studies und Professor für Internationale Beziehungen und Konfliktmanagement an der Hebräischen Universität Jerusalem Yaakov Bar-Siman-Tov hob hervor, dass der Gaza-Abzug einen Identitätskonflikt berührt habe, vor den Israel seit 1967 die „Palästinenser-Frage” stelle. Diese Frage habe einen territorialen und einen ethnischen Aspekt und werde wohl in Richtung eines territorialen Kompromisses mit den Palästinensern im Sinne einer Zweistaatenlösung und mit der Beibehaltung des jüdisch-demokratischen Charakters Israels zu beantworten sein.

Was also bleibt? Natürlich war die Folgen des Gaza-Rückzugs ein schwerer Schlag für all diejenigen, die hofften, einen Fortschritt bei der Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts zu erreichen, indem Israel auf die Forderungen der Palästinenser eingehe und diese dann wiederum auf Israel zugingen. Leider hat sich gezeigt, dass hehre Hoffnungen in das Gute und Gerechte, in Rationalität und Berechenbarkeit nur begrenzt in gewaltsamen Konflikten helfen, die sich tief in die Seelen der Menschen eingegraben haben und oft eine ganz eigene Dynamik entwickeln, da es nicht die Gemäßigten sind, die die Bildfläche bestimmen, sondern viel zu leicht die Radikalen. Einseitige Schritte als Mittel der Politik sind, trotz der Gaza-Erfahrung, nicht völlig aus der Diskussion verschwunden. Heute sind es die Palästinenser, die Verhandlungen ablehnen und eine einseitige Anerkennung eines palästinensischen Staates betreiben. Die Referenten waren sich jedoch einig, dass ohne Verhandlungen generell keine stabilen Situationen geschaffen werden können – ganz zu Schweigen von einem umfassenden Frieden.

Asset-Herausgeber

comment-portlet

Asset-Herausgeber