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Veranstaltungsberichte

Das „Fünf-Jahre-Programm” zur Entwicklung der arabischen und drusischen Ortschaften in Israel

Neue Wege in der Regierungspolitik?

Im November 2009, bei einer Konferenz zur „Regierungspolitik gegenüber den Arabischen Bürgern Israels”, welche die KAS mit ihrem Konrad Adenauer Programm für jüdisch-arabische Zusammenarbeit an der Tel Aviv Universität veranstaltete, hielt der Minister für Minderheitenangelegenheiten – Prof. Avishai Braverman – eine Grundsatzrede.

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Braverman nutzte die Bühne um seine zukünftigen Visionen für die Stärkung der Beziehungen zwischen dem Staat und seinen arabischen Bürgern zu verkündigen und versprach an dieser Stelle, der Regierung bald ein Programm vorzulegen, welches zur wesentlichen Verbesserung der Lebensbedingungen in arabischen und drusischen Städten und Dörfern in Israel führen solle.

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Sausan Zaher (2.v.r.) bei ihren Ausführungen

In der Zwischenzeit wurde das versprochene Programm tatsächlich vom Büro Bravermans und dem Premierministerbüro der Regierung vorgelegt. Am 21. März 2010 akzeptierte die Regierung offiziell das sogenannte „Fünf-Jahre-Programm”, das während der nächsten fünf Jahre (2010–2014) in 12 ausgewählten arabischen und drusischen Ortschaften umgesetzt werden soll. Gemäß des Programms weist die israelische Regierung diesen Ortschaften 800 Millionen Schekel für wirtschaftliche Entwicklung zu, um die grundlegenden Lebensaspekte der arabischen Bevölkerung – wie Erweiterung der Möglichkeiten zur Erwerbstätigkeit, Wohnlösungen, Verbesserung der Verkehrswege sowie Stärkung des Humankapitals und persönliche Sicherheit – zu unterstützen.

Kurz vor Inkrafttreten des Programms veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung und das Konrad Adenauer Programm für jüdisch-arabische Zusammenarbeit eine Konferenz, um die Akzeptanz des Programms bei den betreffenden Kreisen der Gesellschaft auszuloten und um zu prüfen, inwiefern dieses Programm – das von Seiten einer rechtsorientierten Regierung kommt – als ein positiver Wendepunkt in den Beziehungen zwischen dem Staat und seinen arabischen Bürgern angesehen werden könnte.

Aiman Saif, Leiter der Behörde für wirtschaftliche Entwicklung der Minderheitssektoren beim israelischen Premierministerbüro und einer der Haupt-Gestalter dieses Programms, präsentierte die Inhalte des Programms und erklärte, wie sich dieses Programm von früheren Regierungsprogrammen unterscheidet und daher bessere Erfolgschancen habe. Saif betonte, dass es bei diesem Programm ausschließlich um eine wirtschaftliche Entwicklung in den arabischen Ortschaften gehe. Mit dem Programm beabsichtige man nicht – wie bei vorangegangenen Programmen oftmals der Fall gewesen –, Probleme in allen Lebensbereichen gleichzeitig zu lösen. Deswegen wurden bei diesem Programm Rahmenbedingungen klar definiert, welche die Handlungsbereiche als auch die Anzahl der beteiligten Ortschaften begrenzen. Die zwölf betreffenden Städte und Dörfer wurden nach hoher Bevölkerungsdichte ausgewählt, um so viele Menschen wie möglich erreicht werden, aber auch nach Stabilität ihrer Stadtverwaltungen, auf welche man sich auch künftig verlassen könne, die Reformen durchzusetzen und voranzutreiben.

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Aiman Saif erläutert die Inhalte des Programms

Darüber hinaus, erklärte Saif, wurde das Programm „von unten nach oben” entwickelt, d.h. nicht wie gewöhnlich, von der Regierung bestimmt und dann vor Ort impliziert. Diesmal entstand das Programm durch gemeinsame Feldforschung arabischer und jüdischer Fachleute aus wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen, welche die Situation in der arabischen Bevölkerung und deren Bedürfnisse aus der Nähe kennen. Die Fachleute identifizierten die akuten Probleme in den arabischen Ortschaften und die Hindernisse, welche ihrer Entwicklung immer im Wege standen. Erst nachdem alle Befunde zusammengestellt wurden, durften die politischen Akteure das Programm erhalten und der Regierung zur Abstimmung vorlegen. Da in der Vergangenheit bereits viele gute Pläne noch während des Prozesses gescheitert waren, wurden diesmal auch Implementierung und Durchführungskomitees erstellt, die den Verlauf der Programmimplementierung in Zusammenarbeit mit den Kommunalverwaltungen der ausgewählten Ortschaften begleiten sollen.

Aber trotz der vielversprechenden Absichten betrachten die Vertreter arabischer zivilgesellschaftlicher Organisationen, aber auch einige Akademiker, das „Fünf-Jahre-Programm” eher skeptisch. Die zentralen Argumente dafür beziehen sich vor allem auf die Enttäuschung aus vergangenen Erfahrungen. Dr. Aziz Hader vom Truman-Institut an der Hebräischen Universität stellte fest, dass nach seinen Berechnungen die Summe von 800 Millionen Schekel kein realistischer Betrag sei, um allein die infrastrukturellen Problemen zu lösen. Seiner Meinung nach seien auch die geplanten fünf Jahre ein zu kurzer Zeitraum, um die verschiedenen Probleme ernsthaft anzugehen. Ähnlich wie Rechtsanwältin Sausan Zaher aus dem „Adalla”-Zentrum oder Jaffer Farah, Vertreter des Mussawa-Zentrum (beide arabische zivilgesellschaftliche NGOs), befürchtet auch Hader, dass die 800 Millionen Schekel anstelle derjenigen Budgets eingesetzt werde, die ohnehin für die arabischen Ortschaften vorgesehen seien. Aiman Saif erwiderte daraufhin, dass 85% des Geldes aus einem völlig neuen Budget kämen, welches das Finanzministerium eigens für dieses Programm zur Verfügung gestellt habe.

Um die Situation in diesen Ortschaften zu verbessern, so Hader, müsse eine allgemeine Reform in der Struktur der Kommunalverwaltungen durchgeführt werden, sowohl in jüdischen als auch in arabischen Ortschaften. Mit einer solchen Reform meint Hader, sollten die Lokalverwaltungen mehr Autorität bekommen und unabhängiger von der staatlichen Bürokratie werden.

Dennoch blieben die arabischen Redner nicht ohne Kritik gegenüber der Korruption innerhalb der arabischen Kommunalverwaltungen, insbesondere wegen der verbreiteten Hamula-Verhältnisse in der Gesellschaft. Auch mehrere Bürgermeister und andere Vertreter der Kommunalverwaltungen wichtiger arabischer Städte wie Umm El Fahm, Rahat, Tamra und Kafer Kassem aus dem Publikum nahmen aktiv an der Diskussion teil. Sie beschwerten sich beispielsweise über den Mangel an Grundstücken, sowohl für Industrie- und Gewerbegebiete als auch für junge Familien. Problematisch seien nicht nur die bestehenden bürokratischen Schwierigkeiten, diese Grundstücke vom Staat überhaupt zu erhalten. Vielmehr werden selbst Grundstücke, die bereits zur Verfügung stehen, sofort von einer mächtigen Hamula für ihre Mitglieder übernommen. So gelänge es fast nie, die freien Grundstücke für die Schaffung von Wohnraum für junge oder arme Familien zu nutzen.

Trotz der Kritik waren sich alle Teilnehmer einig, dass man das neue Programm als eine positive Erscheinung ansehen sollte und man ihm eine Chance geben werde.

Dass eine ausgewogene Diskussion über bürgerschaftliche Angelegenheiten auch in Zeiten politischer Spannung möglich ist – die Loyalität der israelischen Araber wurde angesichts der „Flottille” nochmals in Frage gestellt, da sich arabische Knesset-Abgeordnete und andere öffentliche Personen befanden –, bedeutet, dass letztendlich der Wunsch von beiden Arabern und Juden in Israel für ein stabiles alltägliches Leben viel stärker ist.

Im Rahmen des Konrad Adenauer Programms wird die KAS auch weiterhin die Fortschritte der Implizierung des „Fünf-Jahre-Programms” verfolgen und der Öffentlichkeit zur Diskussion bereitstellen.

Palina Kedem

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