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Veranstaltungsberichte

Die israelisch-jordanischen Beziehungen im regionalen Kontext

von Annika Khano

Ein Workshop des „Generals’ Forum“

In Zusammenarbeit mit dem S. Daniel Abraham Center for Strategic Dialogue am Netanya Academic College and dem Amman Center for Peace and Development (ACPD) veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung Israel vom 20. bis zum 22. September 2012 im Rahmen des israelisch-jordanischen „Generals’ Forum“ einen Workshop zum Thema „The Israel-Jordan Relations within a Regional Context“.

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Gerade angesichts der angespannten Beziehungen zwischen Jordanien und Israel kommt dem Forum eine besondere Bedeutung zu: Dadurch, dass der Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern seit Jahren eingefroren ist, beschränkt sich auch die israelisch-jordanische Zusammenarbeit auf die Kooperation in Sicherheitsfragen. Das Zusammenkommen hochrangiger Armeevertreter beider Ländern sowie von aktiven und ehemaligen Regierungsmitgliedern stellte eine einmalige Gelegenheit zum Austausch über für die Region wichtige Fragen dar.

Regionale Ursachen und Folgen der Entwicklung in Syrien

Der Fokus des ersten Tages lag auf den jüngsten Entwicklungen in der gesamten Region, vor allem jedoch im Blick auf Syrien, dessen Stabilität durch die gemeinsamen Grenzen sowohl mit Israel als auch mit Jordanien für beide Länder von großer Bedeutung ist:

  • Für Jordanien stelle ein instabiles Syrien nicht nur ein Sicherheitsproblem dar, sondern auch ein humanitäres und ökonomisches. Unabhängig von der Grenzsicherheit gebe es in Jordanien mittlerweile an die 200.000 syrische Flüchtlinge, und täglich kämen neue Flüchtlinge über die Grenzen. Jordanien habe Probleme mit deren Aufnahme und könne dies schon finanziell nicht mehr allein bewältigen. Hinzu komme die generelle Wasserknappheit, die alljählich im Sommer besonders hoch sei.

  • Israel habe gegenüber den Entwicklungen in Syrien ein ambivalentes Gefühl. Während die fortdauernden Unruhen eine Schwächung des Assad Regimes und damit auch Syriens in der Region bedeuteten, habe Israel gleichzeitig Angst, dass das Assad-Regime sich der Hizbollah in Südlibanon bedienen könne, um von den eigenen innenpolitischen Problemen abzulenken und das syrische Volk wieder zu vereinen. Der Fall des Assad-Regimes könne auf der einen Seite zu einer Schwächung des iranischen Einflusses in der Region führen; er könne aber auch zu Verhältnissen wie im Irak führen, mit einer in viele verfeindete Gruppen zersplitterten Bevölkerung und erhöhtem Einfluss von Terrororganisationen wie Al Kaida. Dies wiederum könnte zu einem erhöhten Sicherheitsrisiko für alle angrenzenden Länder werden.

  • Die Türkei, einst enger Verbündeter der syrischen Machthaber, habe sich mittlerweile gegen das Assad-Regime gestellt und unterstütze nun die Opposition. Die Türkei, die unter Erdoğan ihren Einfluss im Nahen Osten ausbauen wolle, habe Angst vor einem selbstständigen kurdischen Nordsyrien. Ein Nato-Einsatz könnte türkische Kontrolle über die Kurden bedeuten, auf der anderen Seite aber das Verhältnis zwischen Türkei und Iran schwächen, woran die Türkei wiederum kein Interesse habe.

Ein neuer Machtfaktor: Die Moslembrüder

Der zweite Workshop-Tag begann mit einer Diskussion über die durch den „Arabischen Frühling“ erstarkten Moslembrüder und der damit verbundenen Frage über die sich ändernde Machtbalance in der Region:

Zur Zeit seien islamistische Bewegungen wichtige politische Mitspieler im gesamten Nahen Osten, und es sei damit zu rechnen, dass sie an allen Entwicklungen der politischen Zukunft der Region beteiligt sein werden. Dies gelte vor allem für gemäßigte islamische Gruppen, während radikale Gruppen auf die Formung eines neuen Nahen Osten wenig Einfluss hätten. Dennoch seien sie auf Grund von Terroranschlägen gefährlich für die Stabilität in der Region.

Die Moslembrüder, bisher vor allem als religiöse und soziale Bewegung bekannt, hätten bei den Arabischen Revolutionen eine große Rolle gespielt. Dies werde vor allem mit Blick auf die Ergebnisse der nachrevolutionären Wahlen deutlich. Grund des Erfolges sei vor allem die schlechte wirtschaftliche Situation, deren Verbesserung aber nur längerfristig möglich sei. Zwar hätten die Moslembrüder am meisten von der arabischen Revolution profitiert; sie seien nun aber von der öffentlichen Meinung abhängig. Jetzt stelle sich zudem die Frage, ob die einflussreichen gemäßigten Islamisten bereit seien, demokratische Strukturen auf Dauer zu akzeptieren und zu respektieren.

In Ägypten gehe es zur Zeit darum, wie der zukünftige Charakter des Staates aussehen werde: säkular oder religiös-theokratisch. Während die Salafisten einen religiösen Staat wollten, sähen die gemäßigten Islamisten die Lösung in einer Kombination, die durchaus auch westliche Elemente beinhalte. Die Moslembrüder stünden irgendwo zwischen den moderaten Islamisten und den Salafisten und hätten immerhin das Al-Azhar Dokument mitunterschrieben. Auch daher bestehe Grund zur Annahme, dass die Moslembrüder ein Interesse an der Zusammenarbeit mit den moderaten Parteien hätten. Dennoch sei es sehr wahrscheinlich, dass eine Gesellschaft unter Regierung der Moslembrüder eine islamisch geprägte Gesellschaft werde. Wenn man jedoch bedenke, wie lange Europa gebraucht habe, zur heutigen Trennung von Staat und Kirche zu gelangen, so dürfe man jetzt nicht zu ungeduldig sein, was die Neuformierung der arabischen Länder nach dem „Arabischen Frühling“ angehe.

Aus Sicht Israels könne das Festhalten am Friedensvertrag auch nach der Präsidentenwahl in Ägypten, in deren Folge ein Mitglied der Moslembrüder Präsident geworden sei, eine Chance sein: So könne die Einhaltung des Friedensvertrags mit Israel ein Zeichen an die islamischen Welt sein, dass Frieden mit Israel auch aus islamischer Sicht legitim sei.

Bisher habe die Zusammenarbeit zwischen Israel, Jordanien und Ägypten immer auf gemeinsamen Interessen basiert. Mit den Moslembrüdern käme nun zwar ein neuer Aspekt mit ins Spiel – Religion nehme wahrscheinlich auf Dauer einen höheren Stellenwert ein –, aber ein Dialog mit den Moslembrüder sei möglich und auch sehr wichtig. Israel müsse nun seine Taktik der Zusammenarbeit mit den autokratischen Führungen dieser Länder gegen eine Zusammenarbeit und Annäherung an die Bevölkerungen dieser Länder eintauschen.

Israelisch-jordanische Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich

Das letzte Panel des Workshops befasste sich dem Einfluß der regionalen Entwickungen auf die israelisch-jordanische Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich:

Auch wenn es heiße, dass Demokratien in der Regel keine Kriege gegeneinander führen, so könnten die jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten doch vorerst zu mehr Instabilität führen, auch unter dem Aspekt des Nahost-Konflikts. Hinzu komme, dass auch die jordanische Führung abhängiger von der Meinung der Bevölkerung sei als zuvor, was sich wiederum negativ auf die israelisch-jordanischen Beziehungen auf politischer Ebene auswirken könne.

Hinzu kämen Spannungen zwischen Jordanien und seinen Nachbarländern. Aufgrund seiner geographischen Lage sehe sich Jordanien vor grossen wirtschaftlichen Problemen, bedingt durch die andauernden Flüchtlingsströme aus den benachbarten Ländern. Bisher durchgeführte Reformen seien nicht ausreichend und stellten vor allem die Jugend nicht zufrieden. Hier sei auch das Potenzial für den Zulauf zu terroristischen Organisationen am höchsten.

Israel habe ein grosses Interesse an einem stabilen Jordanien. Dazu gehöre eine sichere israelisch-jordanische Grenze, die im nationalen Interesse beider Länder sei. Daher sei eine verantwortliche Grenzkontrolle beider Länder von großer Bedeutung. Um die Situation in Jordanien zu entschärfen, habe Israel im Blick auf die Flüchtlingsströme aus Syrien bereits seine Wasserlieferungen an Jordanien erhöht. Die Kooperation in den Bereichen Wasser und Strom sei extrem wichtig für die Sicherheit beider Länder, werde aber leider immer wieder auf politischer Ebene behindert.

Aus nationalen Sicherheitsinteressen heraus kümmere sich Jordanien zudem um die Ausbildung palästinensischer Sicherheitskräfte. Die Zusammenarbeit in diesem Bereich sei bisher sehr erfolgreich verlaufen.

Auch auf Grund steigender Spannungen innerhalb der jordanischen Bevölkerung sei es sehr wichtig, weiter gemeinsam an einer Lösung des Nahostkonflikts zu arbeiten, die immer auch eine Fortführung der Grenzstabilität zwischen Israel und Jordanien beinhalten müsse. Beide Länder müssten gemeinsam an einer Lösung des Konflikts arbeiten, um so die Stabilität in der Region gewährleisten zu können.

Fazit

Fazit des Workshops war, dass eine Zusammenarbeit zwischen Jordanien und Israel im vitalen Interesse beider Länder ist – und dass gerade in Zeiten des Umbruchs in der Region eine Fortsetzung dieser Zusammenarbeit unerlässlich für die Stabilität im Nahen Osten bleibt. Klar wurde aber auch, dass die jüngsten Entwicklungen zwar in keinem direkten Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt stehen, die Zukunft der Beziehungen Ägyptens und Jordaniens zu Israel aber unter anderem auch von der Haltung Israels im Nahostkonflikts mitbestimmt wird.

Annika Khano

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