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Veranstaltungsberichte

Gemeinsame palästinensisch-israelische Initiativen für den Frieden

In Zusammenarbeit mit dem Israel / Palestine Center for Research and Information (IPCRI) veranstaltete die KAS Israel am 17. Oktober eine Podiumsdiskussion, die sich mit der Bedeutung gemeinsamer palästinensisch-israelischer Friedensinitiativen auseinandersetzte. Es referierten unter anderem Dr. Gershon Baskin und Hanna Siniora, ehemalige Co-Direktoren von IPCRI, über ihre gemeinsamen Erfahrungen im palästinensisch-israelischen Dialog. Anschließend legten Riman Barakat und Dan Goldenblatt, das neue Leitungsgespann, ihre Vision zum Voranbringen einer Friedenslösung im Nahost-Konflikt dar.

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Michael Mertes, Leiter des KAS-Büros in Jerusalem, eröffnete die Veranstaltung und unterstrich in seiner Rede die Bedeutung von IPCRI, einer der wenigen bi-national israelisch-palästinensischen Institutionen und gar dem einzigen bi-national israelisch-palästinensischen Think-tank.

IPCRI wurde im Jahr 1988, also kurz nach Ausbruch der ersten Intifada, von Dr. Gershon Baskin gegründet. Die Partnerschaft zwischen der Konrad-Adenauer-Stiftung und IPCRI habe bereits wenige Jahre danach begonnen. Im Rahmen dieser nun schon Jahrzehnte währenden Zusammenarbeit sei es durch die gemeinsamen Veranstaltungen regelmäßig zum Dialog zwischen Israelis und Palästinenser gekommen.

Ein herausragendes Beispiel der gut funktionierenden Kooperation sei eine Konferenz, die IPCRI und die Konrad-Adenauer-Stiftung im Jahr 1999 in Taba (Ägypten) organisierten und auf welcher die praktischen Herausforderungen des regionalen Agrarhandels diskutiert wurden. Diese Veranstaltung habe Ägypter, Jordanier, Palästinenser und Israelis an einen gemeinsamen Tisch gebracht.

Selbst in den schwierigen Zeiten der Zweiten Intifada sei es IPCRI gelungen, den Dialog zwischen Israelis und Palästinensern aufrechtzuerhalten und einen Gesprächskanal zur Annäherung zu bieten. Zwei Beispiele zeugten davon, dass selbst größte Herausforderungen gemeistert wurden: Zwei Tage nach der Ermordung des israelischen Tourismusministers Rehavam Ze’evi durch die Volksfront zur Befreiung Palästinas habe ein Treffen am Comer See stattgefunden; obwohl die Atmosphäre sehr angespannt gewesen sei, hätten die Teilnehmer an dem Workshop festgehalten. Bei einer anderen Gelegenheit sei die Lagerhalle eines palästinensischen Unternehmers, der an einer IPCRI-Veranstaltung teilnahm, bombardiert worden. Dennoch habe man das Treffen fortgesetzt.

IPCRI stehe als Symbol für Courage und den Willen, am Dialog festzuhalten. Dies gelte besonders in der jüngsten Vergangenheit, in der bi-nationale Initiativen von der einen Seite als Arbeit „linker NGOs“ und von der anderen als „Normalisierung“ diffamiert würden. Die große Vielfalt der Veranstaltungsteilnehmer trage zu einem besonders hohen Wirkungsgrad der Projekte bei. Nicht nur Akademiker, sondern auch Unternehmer, Journalisten und Politiker verschiedener Couleur seien in die Projekte von IPCRI involviert.

Ein Alleinstellungsmerkmal sei der praxisorientierte Ansatz von IPCRI. Die Arbeit der Institution sei nicht auf das Formulieren abstrakter Handlungsempfehlungen beschränkt, sondern beinhalte gleichsam konkrete Projekte.

Weiter sei festzuhalten, dass IPCRI trotz aller Rückschläge an der Zwei-Staaten-Lösung festhalte. In diesem Zusammenhang zitierte Michael Mertes den amerikanischen Präsidenten Barack Obama, der die Zwei-Staaten-Lösung folgendermaßen definierte: “a lasting peace that will involve two states for two peoples: Israel as a Jewish state and the homeland for the Jewish people, and the state of Palestine as the homeland for the Palestinian people, each state enjoying self-determination, mutual recognition, and peace.”

Herr Mertes wies jedoch auch darauf hin, dass sich ein Trend entwickelt habe, die Zwei-Staaten-Lösung als antiquiertes Konstrukt abzutun. So habe es in einem jüngeren Middle East Report der International Crisis Group geheißen: The “reason most often cited for maintaining the existing peace process is the conviction that halting it risks creating a vacuum that would be filled with despair and chaos. The end result is that the peace process, for all its acknowledged shortcomings, over time has become a collective addiction that serves all manner of needs, reaching an agreement no longer being the main one. And so the illusion continues …”

Die Konrad-Adenauer-Stiftung glaube jedoch weiterhin an die Erwünschtheit des Zieles zwei getrennter Staaten, auch wenn klar sei, dass die Realisierbarkeit der Lösung sich schwierig darstelle.

Im Anschluss referierte Dr. Gershon Baskin, der gemeinsam mit seinem Partner Hanna Siniora die Leitung von IPCRI Ende 2011 bzw. Anfang 2012 an das neue Team übergeben hatte. In seiner Rede reflektierte er über die Entwicklungen, die sich über die Jahre seiner Tätigkeit im israelisch-palästinensischen Konflikt ergeben haben. 1976, zu Beginn seines Engagements für die Überwindung des israelisch-palästinensischen Konflikts, habe er auf Nachfrage vom Repräsentanten der PLO in den Vereinigten Staaten die Auskunft erhalten, dass die PLO niemals bereit sein werde, den Staat Israel anzuerkennen. Doch ein gutes Jahrzehnt später habe sich mit dem Ausbruch der ersten Intifada eine Veränderung in der Rhetorik der Palästinenser erkennen lassen. Damals habe nicht mehr die Vertreibung der Juden im Mittelpunkt gestanden, sondern die Forderung nach einem palästinensischen Staat.

Mit Bezug auf die jüngere Vergangenheit berichtete Dr. Baskin jedoch über die enormen Schwierigkeiten, die die Anti-Normalisierungskampagne für gemeinsame palästinensisch-israelische Friedensinitiativen darstelle. So habe es beispielsweise telefonische Drohungen gegenüber dem Hotel gegeben, in dem die Veranstaltung stattfand. Dr. Baskin antwortete auf diese Drohung mit einem deutlichen Statement „Aufgeben ist keine Lösung!“ Ein Abbrechen des Dialogs unter Friedensaktivisten beider Seiten versperre alle Möglichkeiten, die Situation positiv zu verändern. Man dürfe den radikalen Kräften auf beiden Seiten nicht das Feld überlassen.

Auch Hanna Siniora, langjähriger palästinensischer Co-Direktor von IPCRI, zeichnete in seiner Rede die Höhen und Tiefen in der palästinensisch-israelischen Zusammenarbeit nach. Herrn Sinioras Engagement begann mit der Leitung der arabischen Zeitung „Al Fajr“. Zu dieser Zeit wurde er zum Vertreter der PLO im Rahmen von Verhandlungen der palästinensisch-jordanischen Delegation ernannt. Das Ziel des studierten Pharmazeuten sei es damals gewesen, direkte Gespräche zwischen der israelischen Regierung, den USA und der PLO zu vermitteln.

Hanna Siniora betonte die enormen Schwierigkeiten zur Zeit der Zweiten Intifada, erinnerte aber auch daran, dass es IPCRI aufgrund konsequenter Arbeit gelungen sei, Israelis und Palästinenser selbst in diesen Zeiten zusammenzubringen. Ferner erläuterte Herr Siniora, wie er als erster Palästinenser öffentlich gefordert habe, sein Volk müsse die UN-Resolution 242 anerkennen.

Er mahnte die Zuhörer, der Dialog zwischen den beiden Völkern müsse unbedingt aufrechterhalten werden. In diesem Zusammenhang kritisierte er das mangelnde Bewusstsein in der israelischen Bevölkerung für die Problematik des Konfliktes: „Viele Israelis müssen daran erinnert werden, dass noch ein anderes Volk in diesem Land lebt.“ Mit dem Ziel, ein solches Bewusstsein zu fördern, stelle er sich dem Wahlkampf für die Stadtverwaltung Jerusalems. Herr Siniora äußerte jedoch auch Kritik an den in Ost-Jerusalem lebenden Palästinensern. Seiner Ansicht nach könnten diese Palästinenser viel mehr Einfluss auf die Politik nehmen, würden sie bloß „mit einer Stimme sprechen“. Im Anschluss ging er auf die alltäglichen Probleme des Zusammenlebens in Jerusalem ein und schloss mit einem klaren Bekenntnis zu den Osloer Verträgen.

Riman Barakat, die neue palästinensische Co-Direktorin von IPCRI, betonte, dass die Aufgabe einer bi-nationalen Initiative auch darin liegen müsse, sich für die demokratischen Rechte der palästinensischen Bevölkerung einzusetzen. Mit diesem Anliegen müsse man sich sowohl an die israelische Regierung – die wegen der Besetzung des Westjordanlandes eine besondere Verantwortung für die dort lebenden Palästinenser trage – als auch an die palästinensische Autonomiebehörde wenden. Durch die israelische Militärpräsenz sei beispielsweise die Bewegungsfreiheit der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland beeinträchtigt. Von den palästinensischen Vertretern forderte sie ein Ende der Einschränkungen im Bereich der Meinungs- und Pressefreiheit.

Dan Goldenblatt, der israelische Amtskollege Riman Barakats, stellte zudem einige neue Schwerpunkte in der Arbeit der palästinensisch-israelischen Organisation vor. Umweltverschmutzung und Klimawandel seien Themen, die die Menschen auf beiden Seiten beträfen. Luft- oder Wasserverschmutzung verbreiteten sich über Grenzen hinweg und könnten nur durch länderübergreifende Zusammenarbeit effektiv bekämpft werden. Aber auch in Bezug auf Energie- und Wasserversorgung seien Israel und die Palästinensischen Gebiete eng vernetzt und abhängig von Kooperation.

Auch Dan Goldenblatt betonte, dass es keine verantwortbare Alternative zu einer Zwei-Staaten-Lösung gebe. Allerdings sei aktuell ein Zustand der Stagnation erreicht, in welchem es kaum noch direkten Dialog gäbe. In Anbetracht der festgefahrenen Situation und der komplexen Verhandlungsgegenstände müsse als Zwischenschritt eine Lösung in Form einer Konföderation angedacht werden.

Das lebhafte Echo der zahlreichen Teilnehmer bewies, dass die Akteure im israelisch-palästinensischen Dialog trotz aller Schwierigkeiten nicht bereit sind zu resignieren. Es wurde mehrfach ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Konrad-Adenauer-Stiftung dank ihres hervorragenden Rufs auf beiden Seiten des Konflikts in besonderer Weise dazu geignet sei, den Dialog zu fördern. Das klare Bekenntnis aller Beteiligten zur Zwei-Staaten-Lösung im Sinne der Oslo-Verträge war ein wichtiger Impuls, im Engagement für die Schaffung eines demokratischen Palästinenserstaates Seite an Seite mit dem demokratischen jüdischen Staat nicht nachzulassen.

Evelyn Gaiser, Simon Perger

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