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Israelis und Palästinenser

(K)eine Zukunft für den Frieden?

„Wer Israel verstehen will, muss das Land für sich allein – nicht nur unter dem Blickwinkel des Konflikts mit den Palästinensern – betrachten.“ Michael Mertes, Leiter des Auslandsbüros Israel der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jerusalem, schilderte im Rahmen der „Dortmunder Montagsgespräche“ am 21. November 2011 seine Einschätzung über die aktuellen Entwicklungen im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern.

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„Wer Israel verstehen will, muss das Land für sich allein – nicht nur unter dem Blickwinkel des Konflikts mit den Palästinensern – betrachten.“ Michael Mertes, Leiter des Auslandsbüros Israel der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jerusalem, schilderte im Rahmen der „Dortmunder Montagsgespräche“ am 21. November 2011 seine Einschätzung über die aktuellen Entwicklungen im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Dabei äußerte er seine Hoffnung, dass Israel – neben der Türkei zurzeit die einzige lebendige Demokratie in der Region(*) – nicht nur die Risiken, sondern auch die Chancen erkennen werde, die sich durch die politischen Umbrüche in seinen Nachbarländern ergeben.

Als eine typisch westliche Herangehensweise bezeichnete Mertes die Neigung, Probleme möglichst schnell klären zu wollen, weil sich immer eine rationale Lösung finden lasse. Im Nahost-Konflikt werde hingegen auf Zeit gespielt: Oft gehe es darum, den Gegner zu zermürben. Hinzu komme, dass die Positionen beider Seiten im israelisch-palästinensischen Konflikt religiös aufgeladen seien; das erschwere Kompromisse. Die Palästinenser betrachteten ihr Recht auf Rückkehr ins heute israelische Gebiet als „heilig“; auf der anderen Seite werde der Anspruch auf den im Westjordanland gelegenen Bezirk Judäa und Samaria biblisch begründet.

Betrachtet man die wirtschaftlichen Kennzahlen des Landes, so wird deutlich, dass Israel nicht nur eine lebendige Demokratie ist, sondern auch wirtschaftlich wesentlich erfolgreicher als seine Nachbarn. Mit rund 30.000 US Dollar hat es das größte BIP pro Kopf in der Region. Und das, obwohl das Land über kaum natürliche Ressourcen wie Erdöl- oder Erdgasvorkommen verfügt. Unter anderem dadurch lasse sich die hohe Zufriedenheit erklären, die im Land herrsche. Bei einer Umfrage des amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Gallup zur Zufriedenheit der Menschen in 124 Staaten der Welt belegte Israel den siebten Platz. Diese berechtigte Zufriedenheit birgt laut Mertes aber auch ein Problem: „Wenn der Status quo zufriedenstellend ist – warum soll man ihn dann verändern?“ Immerhin habe es jahrelang keine Selbstmordattentate mehr gegeben, was nicht zuletzt mit der guten Zusammenarbeit zwischen der israelischen und der palästinensischen Polizei erklärt werden könne.

International habe es Israel zurzeit allerdings nicht so leicht. Der traditionelle Verbündete Türkei entfremde sich zunehmend. Der Einfluss der USA in der Region gehe zurück. Die EU zeige sich bislang unfähig, im Blick auf den Nahen Osten mit einer Stimme zu sprechen. So habe sie sich bislang zu keiner einheitlichen Haltung durchgerungen im Blick auf den palästinensischen Antrag vom September an den Weltsicherheitsrat, Mitglied der Vereinten Nationen zu werden. Als Ende Oktober über den palästinensischen Antrag auf Mitgliedschaft in der UNESCO zu entscheiden war, hätten die Europäer ganz unterschiedlich abgestimmt.

Israel sei immer stärker auf sich allein gestellt, die aktuellen und bevorstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Dabei gebe es zahlreichen Sorgen. Der „Arabische Frühling“ werde von den meisten Israelis skeptisch betrachtet. Man befürchte die Aufkündigung des ägyptisch-israelischen Friedensvertrages durch eine demokratisch gewählte Regierung Ägyptens, eine Gefährdung der ägyptischen Gaslieferungen sowie zunehmenden Waffenschmuggel aus der Sinai-Halbinsel in den Gazastreifen. Ein „klassischer“ zwischenstaatlicher Krieg sei nicht das Szenario, das in Israel Sorgen hervorrufe, sondern der zermürbende Raketenbeschuss aus benachbarten Territorien, in denen das staatliche Gewaltmonopol nicht mehr von den verantwortlichen Zentralregierungen durchgesetzt werden könne.

Eine Zukunft für den Frieden? Mertes bleibt skeptisch und bezweifelt, dass die politisch Handelnden auf beiden Seiten gewillt seien, die inneren Konflikte durchzustehen, die eine Lösung unweigerlich nach sich ziehe. Allein im Westjordanland lebten 250.000 Israelis; auch wenn am Ende die wichtigsten grenznahen Siedlungen Israel zugeschlagen würden, werde es eine gewaltige Kraftanstrengung kosten, einen Teil dieser Menschen umzusiedeln; das habe sich schon 2005 bei der Rücksiedlung von rund 8000 Israelis aus dem Gazastreifen gezeigt. Auf palästinensischer Seite werde mit erheblichen Widerständen unter anderem deswegen zu rechnen sein, weil es mit Sicherheit keine Rückkehr der Flüchtlinge von 1948 und ihrer Nachkommen im großen Stil geben könne; eine solche Rückkehr ins heutige Israel würde die demografische Grundlage für den Charakter Israels als jüdischer Staat unterminieren.

Es gebe jedoch auch Gründe, optimistisch zu sein: Innerhalb der israelischen Bevölkerung befürwortet eine klare Mehrheit eine Zwei-Staaten-Lösung. Die israelische Regierung habe darüber hinaus das demografische Problem erkannt, dass der arabische Bevölkerungsanteil im Gesamtgebiet zwischen Jordan und Mittelmeer in naher Zukunft die Mehrheit darstellen werde. Der „Arabische Frühling“ stelle ebenfalls einen ermutigenden Hoffnungsschimmer dar. In der arabischen Welt setze sich die Einsicht durch, dass die innenpolitischen Probleme hausgemacht seien und man „den Zionisten“ nicht in gewohnter Manier die Schuld an den heimischen Missständen zuschieben könne.

Als mögliche Handlungsoptionen sieht Mertes zum einen ein Konfliktmanagement nach dem Vorbild des Zypern- oder des Balkankonflikts. Der damit verbundene Verzicht auf eine Lösung würde das Problem allerdings „nur verwalten, nicht überwinden“; das sei jedoch langfristig weder sinnvoll noch tragfähig. Die andere Option bestehe darin, dass beide Seiten ihre – in sich jeweils verständlichen – Träume aufgeben und Kompromisse eingehen. Dies bleibe aus seiner Sicht die einzige Möglichkeit, im Friedensprozess nachhaltige Erfolge zu erzielen. Am Ende seines Vortrages formulierte er einen Appell an das Selbstgefühl der politischen Akteure: „Entweder Ihr schreibt Geschichte, oder die Geschichte geht über Euch hinweg!“

Die Veranstalter, Elisabeth Bauer, Leiterin des Bildungswerks Dortmund der Konrad-Adenauer-Stiftung, und Martin Loberg, Geschäftsführer der Auslandsgesellschaft NRW, sowie 130 Teilnehmer an der Veranstaltung zeigten sich gleichermaßen beeindruckt von den Ausführungen des Referenten. Die abschließende Diskussion verdeutlichte aber auch, dass nach wie vor ein großer Informationsbedarf besteht, wenn es darum geht, Themen intensiver zu beleuchten, als es in den Medien möglich ist.

(*) Der Bericht „Freedom in the World 2011“ führt Israel unter den „freien“ Ländern auf (mit einem leichten Abstrich bei den „civil liberties“); die Türkei wird zu den „teilweise freien“ Ländern gezählt (mit Abstrichen sowohl bei den „political rights“ als auch bei den „civil liberties“; siehe auch die von freedomhouse.org veröffentlichte Karte). Nach dem „Democracy Index 2010“ der Economist Intelligence Unit rangieren Israel als „flawed democracy“ auf Platz 37 und die Türkei als „hybrid regime“ auf Platz 89 einer weltweiten Demokratie-Rangliste.

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