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Veranstaltungsberichte

Israelisch-palästinensische Wirtschaftsbeziehungen

Ein unausgeglichenes Verhältnis

Am 14. Juli 2011 veranstaltete das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jerusalem gemeinsam mit seinem Partner, dem Israel Palestine Center for Research and Information (IPCRI), ein weiteres Treffen der Israeli Palestinian Economic Working Group.

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Israelische und palästinensische Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Medien und Nichtregierungsorganisationen erörterten den Zustand der palästinensischen Wirtschaft sowie die Wirkungen der Tätigkeit palästinensischer Arbeitnehmer in Israel auf die palästinensische aber auch die israelische Wirtschaft. Überdies wurden die Perspektiven des palästinensischen Informations- und Kommunikationstechnologiesektors (ITC) sowie Möglichkeiten der israelisch-palästinensischen Zusammenarbeit auf diesem Gebiet besprochen.

Die Veranstaltung begann mit einer Einführung von Herrn Michael Mertes, der sich der Runde als neuer Leiter des Auslandsbüros der KAS in Jerusalem vorstellte. Nach einer kurzen Begrüßung durch das israelisch-palästinensische Führungsteam Dr. Gershon Baskin und Hanna Siniora wendete sich die Arbeitsgruppe dem ersten Thema zu - der Präsenz palästinensischer Arbeitnehmer auf dem israelischen Arbeitsmarkt.

Zum einen sprachen die Teilnehmer über die Problematik, dass den palästinensischen Arbeitnehmern oft nicht der gesetzlich festgeschriebene Mindestlohn ausgezahlt werde. Dies führe zu einer Senkung der Löhne und zu steigender Armut innerhalb der sozial schwächeren Schichten in Israel. Um diesem Missstand entgegenzuwirken und die Zahlung des Mindestlohns an palästinensische Arbeitnehmer zu gewährleisten wurde von israelischer Seite vorgeschlagen, künftig die Arbeitgeber zu verpflichten, Löhne per Banküberweisung zu zahlen. Weiterhin wurde gefordert, dass die israelische Wirtschaft anstatt zunehmend Arbeitskräfte aus osteuropäischen Staaten einzustellen, mehr palästinensische Arbeitskräfte unter Vertrag nehmen solle. Eine Barriere für den Einsatz von Palästinensern auf dem israelischen Arbeitsmarkt stelle jedoch der Grenzübergang dar. So seien die Genehmigungen, die Palästinenser benötigten, um nach Israel zu reisen, aufgrund israelischer Sicherheitsbedenken nur schwer zu erhalten.

In den Palästinensischen Gebieten zeigten sich die Wirkungen der palästinensischen Erwerbstätigkeit in Israel in einem nicht nachhaltigen Wirtschaftswachstum. Da palästinensische Arbeitnehmer in Israel besser bezahlt würden als daheim, steige in den Palästinensergebieten der Durchschnittslohn schneller als die Produktivität. Dies vermindere die Rentabilität von Arbeitsplätzen auf palästinensischer Seite.

Die wirtschaftliche Gesamtsituation in den Palästinensischen Gebieten wurde von den Teilnehmern generell mit Sorge betrachtet. Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) sehe sich zum einen mit einem spürbaren Rückgang internationaler Spendengelder konfrontiert. Viele Geberländer beklagten anhaltende Korruption und das schleppende Reformtempo auf palästinensischer Seite. Zudem sei als Folge der Wirtschaftskrise das Budget der Entwicklungshilfe in nahezu allen Ländern gekürzt worden.

Zum anderen gebe es aber auch kaum Investitionen von Unternehmen aus dem In- und Ausland. Dies sei auf die instabile politische Lage und das Stocken des Friedensprozesses zurückzuführen. Überdies fehlten dem PA-Haushalt zunehmend die Mittel für öffentliche Investitionstätigkeit.

Die Zahlen zur palästinensischen Wirtschaft, die auf ein robustes Wirtschaftswachstum hindeuten, seien auch deshalb problematisch, da sie das Westjordanland und den Gazastreifen als ein Ganzes erfassten. Die beiden Gebiete hätten aber in den vergangenen Jahren sehr unterschiedliche Wirtschaftsentwicklungen durchlaufen. Während der Gazastreifen aufgeholt habe, sei im Westjordanland (aus den oben genannten Gründen) das Wachstum zurückgegangen.

Teilnehmer beider Seiten betonten, dass eine stabile palästinensische Wirtschaft auch in Israels Interesse liege. Die steigende Unzufriedenheit der palästinensischen Bevölkerung könnte besonders im Kontext der aktuellen Um- und Aufbruchbewegungen im arabischen Raum problematische Folgen für Israel haben. Nur die Wiederaufnahme von Verhandlungen könne auch zu einer wirtschaftlichen Stärkung der Palästinensischen Gebiete führen.

Allerdings herrschte auch Einigkeit darüber, dass in wirtschaftlicher Hinsicht von dem für September angekündigten Gang vor die Generalversammlung der Vereinten Nationen kein psychologischer Schub zu erwarten sei. Eine palästinenserfreundliche Entscheidung würde nichts an der wirtschaftlichen Situation der Gebiete ändern. In diesem Zusammenhang wurde vor zu hohen Erwartungen innerhalb der palästinensischen Bevölkerung gewarnt. Diese könnten leicht enttäuscht werden und in Frustration umschlagen. Schon jetzt gebe es vereinzelt Stimmen, die eine Auflösung der PA als denkbare Option in Erwägung zögen.

Im letzten Teil des Workshops wiesen die Referenten auf das enorme Potential des palästinensischen Informations- und Kommunikationstechnologiesektors hin. Dieser könnte sich zum Grundpfeiler der palästinensischen Wirtschaft entwickeln. Hier orientiere man sich am Beispiel Israels, das seinen Mangel an natürlichen Ressourcen stets durch Innovation und Technik ausgeglichen habe. Allerdings könnten die gut ausgebildeten palästinensischen Ingenieure nicht in ausreichender Zahl von der palästinensischen Wirtschaft aufgenommen werden. Daher biete sich besonders dieser Sektor für israelisch-palästinensische Projekte an.

Entwicklungsmöglichkeiten für den palästinensischen ITC-Bereich sahen die Teilnehmer im öffentlichen Sektor und zwar im Bereich des electronic government (e-Government). So sei die Software der Palästinensischen Autonomiebehörde überholt. Eine Erneuerung dieser Programmausstattung könnte von internationalen Gebern finanziert und von palästinensischen IT-Experten durchgeführt werden. Zu viele öffentliche Aufträge würden an ausländische Unternehmen vergeben. Die Teilnehmer berieten über mögliche private Initiativen im Bereich des e-Government, um der Regierung ein Angebot palästinensischer Anbieter zu unterbreiten.

Abschließend wurde die Möglichkeit einer gemeinsamen israelisch-palästinensischen Messe im ITC-Bereich erörtert. Israelische Unternehmen wüssten bisher wenig über das Potential, das auf palästinensischer Seite stecke. Jedoch stellte die gegenseitige Kooperationsverweigerung hier ein großes Hindernis dar. Zudem lasse auch in diesem Aspekt die politische Situation keine langfristige Planung zu, da auch kleinere Zwischenfälle einen solchen Austausch kurzfristig verhindern könnten.

Besonders die Darstellung der palästinensischen Wirtschaftslage durch Experten aus dem direkten Umfeld des palästinensischen Premierministers Fayad war für die Anwesenden von großem Interesse. Es gelang den Teilnehmern der Runde, einen fruchtbaren Dialog über Möglichkeiten der Belebung der palästinensischen Wirtschaft zu entwickeln und auch die israelischen Vertreter für die aktuelle Lage zu sensibilisieren.

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