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Muslimische Minderheiten in Staaten mit nicht-muslimischer Mehrheit – gemeinsame Herausforderungen in Israel und Europa

Die muslimische Minderheit stellt eine der größten Herausforderungen der westlichen Demokratie dar. In Deutschland und generell in Europa geht es meist um sozio-kulturelle Fragen, die mit dem Lebensstil dieser Minderheit in Europa verbunden sind. In Israel trägt dieses Thema mehr religiös-nationalen Charakter, da im Gegensatz zu Europa die muslimische Bevölkerung in Israel eine eingeborene und nicht immigrierte Gruppe ist. Die Art ihrer Ansprüche ist mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt untrennbar verbunden.

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Ungeachtet dieser Unterschiede ist es eine Tatsache, dass der Islam heute die zweitgrößte Religion in Europa und in Israel ist. Beide sind dazu verpflichtet, mit dieser Herausforderung sowohl auf staatlicher als auch auf gesellschaftlicher Ebene vernünftig umzugehen.

Was aber ist vernünftig? In welchem Verhältnis stehen säkularer und religiöser Rechstaat, Verfassung und Sharia? Wo liegen die staatlichen Prioritäten? Was versteht man unter Integration? Sollen die westlichen Staaten auf ihre Werte und ihre Identität verzichten, um Platz für die muslimische Identität zu schaffen? Darf man der Toleranz Grenzen setzen? Und was verbirgt sich eigentlich hinter den Forderungen der muslimischen Minderheiten in diesen Ländern?

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Mit all diesen schwierigen, doch unvermeidlichen Fragen setzte sich die Konferenz „Muslimische Minderheiten in Staaten mit nicht-muslimischer Mehrheit” auseinander, welche die Konrad-Adenauer-Stiftung Israel in Zusammenarbeit mit ihrem Konrad-Adenauer-Programm für jüdisch-arabische Zusammenarbeit an der Universität Tel Aviv veranstaltete. Der erste Konferenzteil befasste sich mit den vergleichbaren Aspekten der muslimischen Identität in Israel und Europa. Des Weiteren analysierte die Konferenz die Situation in Israel, besonders anhand des Beispiels der radikalen islamischen Bewegung, welche in den letzten Jahren innerhalb der muslimischen Gesellschaft in Israel besonders dominant geworden ist.

Das Phänomen der Immigration aus muslimischen Ländern nach Europa hält bereits seit drei Generationen an. Erst seit einiger Zeit wird die Frage zunehmend in der Öffentlichkeit diskutiert.

Dr. Lars Hänsel betonte in seinem Grußwort, dass sich angesichts der muslimischen Minderheiten in Europa die Frage nach der europäischen Identität erneut stellt. Gemäß des Menschenbildes nach westlichem Verständnis steht der Mensch in seiner individuellen Freiheit und Verantwortung im Mittelpunkt.

In Israel steht vor allem die Frage der Beziehungen zwischen muslimisch-arabischen Bevölkerung und dem jüdisch-demokratischen Charakter des Staates im Vordergrund.

Dr. Uriah Shavit von der Universität Tel Aviv erklärte, dass das Thema der Identität bei den muslimischen Minderheiten sowohl in Israel als auch in Europa sehr brisant und nur bedingt vergleichbar ist. Wichtig sei nach Shavit, zwischen muslimischer und islamischer Identität zu unterscheiden. Ein Moslem sei jene Person, die in dieser Religion geboren wurde. Dagegen stellt der Islamismus eine religiös-politische Weltanschauung dar, welche den Islam als die einzige Rahmenbedingung für das Leben akzeptiert.

Interessant sei, so Shavit, dass die Immigration von Muslimen in westliche Länder ursprünglich verboten war. Im Laufe der Zeit jedoch wurde eine eher konformistische Einstellung von den islamischen Führungskräften entwickelt: Die Sichtweise der Immigration nach Europa wurde an die islamische Weltanschauung angepasst und wird nun als „Mission” betrachtet, welche dem Ziel der Stärkung und Verbreitung des Islams in der Welt dient. Dr. Sagie Polka von der Hebräischen Universität in Jerusalem, der die „Fatwa” – die islamische Gesetzgebung – wichtiger Scheichs in Europa erforscht, gab mehre Beispiele für die Widersprüche und Dilemmata, mit welchen sich die muslimischen Gesetzgeber in der alltäglichen europäischen Realität beschäftigen müssen, darunter Fragen der Einbürgerung, Berufstätigkeit, oder Familienangelegenheiten.

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Dr. Uriah Shavit bei seinem Vortrag

Die Situation in Israel stellt sich besonders schwierig dar. Es gibt in Israel zunehmend fundamental-islamistische Kreise, die Israel nicht als jüdischen Staat anerkennen. Sie entwickelten im Laufe der Jahre eine anti-staatliche Politik, die innerhalb der arabischen Gemeinden in Israel populistisch vertreten wird. Die islamische Bewegung in Israel beeinflusst nicht nur das religiöse Leben der muslimischen Bevölkerung in Israel, sondern nimmt auch großen Einfluss auf das nationale Bewusstsein. Diese Erscheinung bezeichnet Dr. Elie Rekhess, Vorsitzender des Konrad-Adenauer-Programms für jüdisch-arabische Zusammenarbeit als „Islamisierung des Nationalismus und Nationalisierung des Islam”.

Ein anderes wichtiges Thema, das in den letzten Jahren bezüglich der muslimischen Minderheit in Europa, aber auch in Israel im Mittelpunkt steht, ist die Integration dieser Gruppe in den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft: Heutzutage übt nur ein sehr geringer Teil der Immigranten in Europa einen Erwerbsberuf aus. Prognosen zeigen, dass bis 2050 Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt fehlen werden. Dr. Uria Shavit sah darin eine Chance für die Integration von Minderheiten, die vor allem die junge Generation ermuntern soll, in Bildung und Ausbildung zu investieren.

Dr. Harold Rhode, ehemaliger Vertreter des U.S.-Verteidigungsministeriums brachte die amerikanische Perspektive in das Konferenzthema ein. Für ihn sei die Frage, wie Integration im alltäglichen leben funktioniert wichtiger als die Frage, wie sich die muslimischen Minderheiten öffentlich äußern.

Mit dieser Konferenz thematisierte die KAS ein aktuelles Thema, welches nicht nur für Israel, sondern auch für Deutschland und Europa von zentraler Bedeutung ist. Auch wenn die Situation in Europa und in Israel nicht in allen Punkten vergleichbar ist, so ist es doch ein wichtiges Dialogthema. In der Zukunft können beide Seiten noch mehr von ihren jeweiligen Erfahrungen lernen.

Wie sehr dieses Thema die israelische Öffentlichkeit angeht, zeigte das Format der Veranstaltung, die mit ca. 200 Teilnehmern gut besucht war. Nicht nur interessierte Bürger waren anwesend. Die Konferenz zog auch viele internationale Einrichtungen, vor allem Vertreter verschiedener Botschaften in Israel, darunter auch der aus Jordanien und Ägypten an. Anwesend waren auch Akademiker und Studenten, die sich mit dem Thema auf akademischer Ebene beschäftigen. Nicht zuletzt nahmen aber auch Sprecher der radikalen islamischen Bewegung aus dem Norden Israels teil, die zusammen mit einer Gruppe von leidenschaftlichen Anhängern für eine aufgeregte Atmosphäre im Saal sorgten.

Die Konferenz fand darüber hinaus auch große Aufmerksamkeit seitens der israelischen Medien. Um dieses wichtige Thema voranzubringen und auch breiterem Publikum zugänglich zu machen, wird demnächst eine Publikation zur Konferenz erscheinen.

Palina Kedem

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