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Veranstaltungsberichte

Umbruch im Nahen Osten - Herausforderung und Chance für die Zukunft

Am 24. und 25. Februar 2011 organisierte das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jerusalem gemeinsam mit seinem Partner dem „Israel-Palestine Center for Research and Information“ (IPCRI) ein weiteres Treffen des „Strategic Thinking and Analysis Teams“ (STAT). Nachdem am ersten Tag politische Themen auf der Tagesordnung standen, wurden am zweiten Tag Möglichkeiten der wirtschaftlichen Kooperation erörtert.

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Bei der Veranstaltung trafen sich Experten, Unternehmer, Journalisten, Akademiker und Repräsentanten der politischen Ebene, um über das israelisch-palästinensische Verhältnis zu diskutieren. Es waren israelische sowie palästinensische Vertreter auch aus Gaza anwesend. Nachdem am ersten Tag politische Themen auf der Tagesordnung standen, wurden am zweiten Tag Möglichkeiten der wirtschaftlichen Kooperation erörtert.

Im Mittelpunkt der Diskussionen des ersten Tages standen die Unruhen in der arabischen Welt und deren Auswirkungen auf das israelisch-palästinensische Verhältnis.

Es wurde deutlich, dass bezüglich der Aufstände in der arabischen Welt zwei verschiedene Ansätze dominieren. Während auf der einen Seite die Ansicht vertreten wird, die Umwälzungen sollten Anlass für eine neue Friedensinitiative geben, ist die andere Strömung der Meinung, dass es unter den aktuellen Bedingungen schwierig ist eine nachhaltige Vereinbarung zu treffen.

Unter den Teilnehmern überwog die Ansicht, dass eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts auf regionaler Ebene gefunden werden muss und dass es keine dauerhafte Lösung geben kann, die nicht auch die arabischen Nachbarstaaten miteinbezieht. Dies sei angesichts der jüngsten Ereignisse im Nahen Osten jedoch schwierig umzusetzen, da die Zukunft zentraler Akteure wie Ägypten momentan schwer vorauszusagen sei. Auch von Washington könne man derzeit wenig Initiative erwarten, da die Kapazitäten dort mit der Bewältigung der aktuellen Entwicklung beschäftigt seien. Deshalb könnten in den nächsten Wochen und Monaten auch keine ernsthaften Versuche unternommen werden, den Friedensprozess auf offizieller Ebene voranzubringen. Die Zwischenzeit könnte jedoch dazu genutzt werden Tatsachen und Voraussetzungen für eine dauerhafte Einigung zu schaffen, die unabhängig von der anderen Seite umgesetzt werden können.

Generell fühlen sich die Analysten durch die jüngsten Ereignisse bestätigt, die immer wieder betonen, dass der israelisch-palästinensische Konflikt nicht im Zentrum aller Geschehnisse im Nahen Osten steht. Die Ereignisse in Ägypten fanden isoliert von diesem Konflikt statt, was sich auch dadurch zeigte, dass bei den ägyptischen Demonstrationen kaum auf Israel Bezug genommen wurde. Der Konflikt sei zwar ein wichtiges Element im Nahen Osten, bleibe jedoch ein Teilaspekt unter vielen.

Des Weiteren betonten die Teilnehmer, dass die weitere Entwicklung Ägyptens momentan schwer vorauszusagen ist. Folglich sei es auch schwierig deren Auswirkungen für Israel zu analysieren. Obwohl demokratische Nachbarstaaten eindeutig im Interesse Israels lägen, stelle sich die Frage wie realistisch diese Erwartung sei. Die Ursachen der Protestbewegungen waren vielmehr sozialen Fragen wie Armut und Arbeitslosigkeit, als politischen Fragen geschuldet. Unklar sei, inwiefern die ägyptische Bevölkerung bereit für eine Demokratie wäre. Zudem sei auch die Rolle des Militärs in Ägypten nicht zu unterschätzen. Dieses könne eine Aufrechterhaltung des Friedensvertrags und der Gaslieferverträge mit Israel garantieren. Entscheidend sei, wie die verschiedenen politischen Akteure in Ägypten die Lösung der sozialen Frage angingen. Die Situation in Ägypten und im gesamten arabischen Raum enthalte viele Komplexitäten, die zur Beurteilung der Situation berücksichtigt werden müssten.

Weiterhin wurde die Frage diskutiert, wie man der israelischen und der palästinensischen Bevölkerung die Vorzüge eines Friedensabkommens vermitteln könnte. Internationale Politiker, die sich im Friedensprozess engagierten, gingen zu selten auf die Zivilbevölkerung ein. Sie richteten sich nur an die politischen Eliten und ließen die Öffentlichkeit als zentrales Element des Friedensprozesses dabei völlig außer Acht. Dabei wurde Angela Merkels Rolle und das Auftreten der deutschen Bundeskanzlerin bei ihrem jüngsten Israelbesuch positiv hervorgehoben. Durch den direkten Kontakt mit der israelischen Öffentlichkeit, bspw. im Rahmen der INSS Sicherheitskonferenz in Tel Aviv, gelinge es ihr, Gehör in der israelischen Gesellschaft zu finden. Dies sollten sich andere internationale Politiker zum Beispiel nehmen.

"Having the Courage to be the Change You Want to See"

Um politische und wirtschaftliche Debatten voneinander zu trennen formierte sich am zweiten Tag des STAT Treffens die ökonomische Arbeitsgruppe unter der Thematik: „Auf dem Weg zur Eigenstaatlichkeit: Die palästinensische Wirtschaft – Entwicklungen und Bedürfnisse.“ Hierbei sollte die politische Komponente im Hintergrund stehen, um konkrete Ergebnisse zu erzielen. Im Zentrum des Austausches stand die aktuelle wirtschaftliche Situation in Gaza. Palästinensische und israelische Vertreter mit vornehmlich wirtschaftlichem Hintergrund wurden zu Beginn durch einen Bericht über die aktuelle Lage in Gaza informiert.

Es wurde deutlich, dass vor allem der Privatwirtschaft eine Schlüsselrolle zugesprochen wird, sie sei Motor der wirtschaftlichen Entwicklung so wie Garant für Eigenständigkeit und Nachhaltigkeit von Lebensgrundlagen. So wurde in diesem Kontext vor allem das Baugewerbe angesprochen, welches nach Meinung vieler den Kern einer erfolgreichen Privatwirtschaft darstelle und auch jetzt im Gazastreifen eine zentrale Rolle spielen könne.

Kontrovers ist hierbei jedoch einerseits die Forderung nach einer Lockerung für den Import von Baumaterialen insbesondere Beton und Stahl, sowie andererseits die Sicherheitsbedenken von israelischer Seite bezüglich der Dual-Use Problematik, also des Imports von Materialien mit doppeltem Verwendungszweck, zu denen auch für das Baugewerbe wichtige Rohstoffe zählen. Von einer Stärkung des Baugewerbes erhofften sich einige Teilnehmer unter Berufung auf eine Studie der Vereinten Nationen die Schaffung von Arbeitsplätzen für 75.000-120.000 Personen sowie die Möglichkeit, der steigenden Nachfrage nach Unterkünften aufgrund des natürlichen Bevölkerungswachstums gerecht zu werden. Der Hamas gelinge es auch jetzt schon umfangreiche Bunkeranlagen zu bauen.

Weiterhin wurde die Import bzw. Export Problematik angesprochen. Insbesondere im Bekleidungssektor seien die Exporte in den letzten Jahren stark gesunken, hier wurden zeitweise bis zu 90% der Güter in erster Linie nach Israel exportiert, heutzutage seien viele exportorientierten Unternehmen geschlossen worden.

Bezüglich der Importe konnte die Lockerung der Blockade Erleichterung verschaffen, Konsumgüter seien leichter erhältlich, dennoch existiere nach wie vor die Schwierigkeit des Grenzübertritts und der geringen Kapazitäten der vorhandenen Grenzübergänge. Hinzu komme eine Verschärfung der Lage der Exportindustrie, die nun an den Grenzübergängen mit den Importgütern konkurriere. Obgleich die Lockerung der Blockade die Tunnelwirtschaft teilweise geschwächt habe und einige Tunnel geschlossen wurden, spiele dieser Teil der Wirtschaft nach wie vor eine große Rolle. Die Besteuerung von Tunnelbetreibern durch die Hamas lasse sie von der Situation profitieren. Diese Tatsache wurde von den Teilnehmern als Ganzes abgelehnt. Viele Vertreter sprachen sich für die Stärkung der Privatwirtschaft aus, um eine Schwächung der Hamas zu erzielen. Insgesamt betreibe die Hamas eine bewusste Abkapselung von Israel und sei an einer Öffnung der Grenzübergänge nach Israel nicht interessiert – umso mehr aber an einer Öffnung zu Ägypten.

Im Verlauf der Diskussion kamen außerdem Möglichkeiten zur Sprache, wie jungen Arbeitslosen in Gaza geholfen werden könne, insbesondere durch die Schaffung von Strukturen, die das Sammeln von Berufserfahrung erleichtern, um so den Einstieg ins Berufsleben zu schaffen.

Auch zu diesem Treffen kamen diverse Vertreter aus offiziellen Kreisen in inoffizieller und privater Eigenschaft. Es fand ein konstruktiver Austausch statt, der neue Erkenntnisse und Denkanstöße brachte, die von den offiziellen Vertretern mit Interesse zur Kenntnis genommen wurden.

Evelyn Gaiser, Nathalie Spath

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