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Litauens Demokratie vor einer Bewährungsprobe

von Dr. Andreas von Below

Staatspräsident Paksas im Zwielicht

Der Litauische Staatspräsident Rolandas Paksas ist in einen schweren Skandal verwickelt. Hier ein kurzer Überblick über den Verlauf und einige Hintergründe.

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Litauens Demokratie vor einer Bewährungsprobe

Der Staatspräsident gerät ins Zwielicht

Im Mai dieses Jahres hatte die litauische Bevölkerung mit über 90 Prozent für

den Beitritt zur Europäischen Union gestimmt. Dieses Ergebnis hatte selbst

Optimisten positiv überrascht. Es bestand zu diesem Zeitpunkt kein Zweifel mehr

daran, dass Litauen seinen Weg zu einer stabilen Demokratie geht und den

Beitritt in die westliche Wertegemeinschaft ohne große Schwierigkeiten meistert.

Litauen wurde von vielen Politikern und Beobachtern auf Grund der hohen

Zustimmung für den EU- Beitritt als Vorbild auch für andere Beitrittsländer

herausgestellt.

Doch ein halbes Jahr später fallen Schatten der Vergangenheit auf dieses Land,

das sich eben doch noch nicht vollständig aus alten Strukturen und dubiosen

Verbindungen lösen konnte.

Was ist geschehen?

Rolandas Paksas, zweimaliger Bürgermeister von Vilnius und ebenfalls für zwei

kurze Perioden Ministerpräsident Litauens, trat zu Beginn des Jahres 2003 als

Kandidat für das Amt des Präsidenten gegen den Amtsinhaber Adamkus an. Der

Präsident wird nach der litauischen Verfassung vom Volk gewählt. Zur

Überraschung vieler Beobachter überflügelte Paksas, der einen sehr

populistischen Wahlkampf führte, seinen Konkurrenten und wurde am 5. Januar

2003 mit 54,15 Prozent zum Präsidenten Litauens gewählt.

Paksas trat als Präsident nicht nur in der Außenpolitik sehr aktiv in Erscheinung

sondern er versuchte auch, in der Innenpolitik Akzente zu setzen und seine

Befugnisse zulasten des Ministerpräsidenten Brazauskas auszuweiten.

Während der Kampagne zum EU- Referendum im Frühjahr diesen Jahres setzte

er sich- nach anfänglichem Zögern- vehement für den EU- Beitritt seines Landes

ein und empfing eine Reihe hochrangiger Politiker aus Westeuropa. Aber er stand

auch in gutem Kontakt zu einer Reihe von Politikern aus den Nachbarstaaten der

ehemaligen Sowjetunion.

In den politischen Zirkeln von Vilnius gab es über den Präsidenten und seine

Umgebung aber seit seinem Amtsantritt Gerüchte, Vermutungen und Zweifel.

Diese bezogen sich insbesondere auf die Frage, wie der Präsident seinen sehr

aufwendigen Wahlkampf finanzieren konnte. Außerdem wurde mit Verwunderung

zur Kenntnis genommen, mit welchen Beratern und Freunden sich der Präsident

umgab, so z.B. mit einer Wahrsagerin aus Georgien, Lena Lolischwilli, mit der er

in engen Kontakt stand.

Gut zehn Monate nach seinem Amtsantritt kamen die Fragen zur Finanzierung

seines Präsidentschaftswahlkampfs und zu seinen Kontakten mit dubiosen

Beratern und Geldgebern unerbittlich an die Öffentlichkeit. Offensichtlich ist

soviel belastendes Material zusammen getragen worden, dass eine große

Mehrheit der Abgeordneten des litauischen Parlaments bereit war, ein

Amtsenthebungsverfahren in Gang zu setzen. Sie befürchten eine Bedrohung der

nationalen Sicherheit, wenn der Präsident weiter im Amt bleibt.

Die Ergebnisse der parlamentarischen Untersuchungskommission

Im Einzelnen hat eine vom Parlament eingesetzte Kommission folgende Punkt

aufgelistet:

  1. Die in Russland registrierte Firma Almax, von der vermutet wird, dass sie für den russischen Geheimdienst arbeitet, versucht Einfluss auf das Präsidentenamt zu nehmen, um die Zusammensetzung und die Struktur des Präsidialamtes zu verändern und die politischen Prozesse in Litauen zu beeinflussen.
  2. Der Präsident hat besondere Beziehungen zu dem russischen Unternehmer Yuri Borisov, dem wichtigsten Geldgeber von Paksas während des Präsidentenwahlkampfes. Borisov versuchte für seine eigenen wirtschaftlichen und politischen Ziele und mit Unterstützung der Firma Almax auf die Entscheidungen des Präsidialamtes und des Präsidenten selbst Einfluss zu nehmen.
  3. Personen mit zweifelhaftem Ruf und Verbindungen zu kriminellen Gruppen und zur Schattenwirtschaft nahmen Einfluss auf das Präsidialamt und versuchten, Personalwechsel an der Spitze wichtiger staatlicher Institutionen des Landes herbei zu führen.
  4. Der Präsident und seine Berater versuchten, Privatisierungsmaßnahmen und andere wirtschaftliche Geschäfte in unangemessener Weise mit zu steuern.
  5. Die Berater des Präsidenten dehnten Ihre Machtbefugnisse unangemessen aus, indem sie in die Entscheidungen anderer staatlicher Institutionen eingriffen.Dies wurde vom Präsidenten geduldet.
  6. Vertrauliche Informationen wurden über den Präsidenten und seine Berater an Personen weitergegeben, für die sie nicht bestimmt waren. Es wurde auch solche Personen mit vertraulichen Informationen versorgt, gegen die wegen vermuteter Rechtsvergehen ermittelt wurde.

Rücktritt des Präsidenten gefordert

Dem Präsidenten wurde inzwischen von vielen Seiten der Rücktritt nahe gelegt,

um Schaden vom Land abzuwenden. Inzwischen hat auch Ministerpräsident

Algirdas Brazauskas, der anfangs hinter Paksas stand, seinen Rücktritt gefordert.

„Wenn ich Präsident wäre, würde ich zurücktreten“ (Brazauskas hatte das

Präsidentenamt von 1993- 1998 inne).

Der Präsident weist aber nach wie vor alle Aufforderungen zum Rücktritt zurück.

Er bereist das Land und beteuert beim Volk seine Unschuld, indem er sich als

Opfer eines großangelegten Komplottes ansieht. Hingegen haben mittlerweile

fast alle seine Berater ihren Posten verlassen. Einige wurden von Paksas

entlassen, die meisten aber haben von sich aus ihren Rücktritt erklärt.

Offene Fragen

Zu den offenen Fragen, die noch nicht beantwortet wurden, gehört, warum die

Anschuldigungen gegen Paksas zu diesem Zeitpunkt in die Öffentlichkeit kommen

und wer die Diskussion in Gang gesetzt hat. Zwar ist bekannt, dass der aus

seinem Amt scheidende Chef des Geheimdienstes sich mit einem Dossier an den

Parlamentspräsidenten Paulauskas gewandt hat und damit den Stein ins Rollen

brachte. Aber es bleibt offen, ob er dies aus eigener Verantwortung oder auf

Bitten Dritter getan hat.

In diesem Zusammenhang ist zudem die Frage aufzuwerfen, ob die Methoden,

mit denen die Kontakte des Präsidenten und seiner Mitarbeiter zu dem

russischen Geschäftsmann Borisov und einigen weiteren dubiosen

Persönlichkeiten beobachtet wurden, rechtsstaatlichen Prinzipien entsprachen.

Neben Hausdurchsuchungen in einigen Büro- und Privatwohnungen wurden die

Telefongespräche selbst des Präsidenten vom Geheimdienst abgehört. Sie

wurden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und konnten Wort für Wort in der

Presse nachgelesen werden. In der litauischen Presse wurde darüber diskutiert,

ob damit nicht der Schutz der privaten Sphäre in unangemessener Weise verletzt

wurde.

Die positive Rolle der Medien

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass Presse und Fernsehen ausführlich und

weitgehend unabhängig über den Skandal, seine Hintergründe und seine

Auswirkungen berichten können. Presse und insbesondere das staatliche

Fernsehen berichten fair und journalistisch gut. Dies ist sicherlich ein ganz

wichtiger Baustein für demokratischer Entwicklung in Litauen.

Ein schwieriger Weg steht bevor

Die Mehrheit der Parlamentsabgeordneten hat einem Verfahren zu

Amtsenthebung des Präsidenten zugestimmt. Es wurde eine 12köpfige

Parlamentskommission ins Leben gerufen, die aus sechs Parlamentariern und

sechs Juristen besteht. Sie soll die Vorwürfe gegen Paksas untersuchen und hat

zu Beginn des Jahres mit dem Verfahren zur Amtsenthebung des Präsidenten

begonnen. Allerdings hat sich Paksas bisher geweigert, vor der

Parlamentskommission zu erscheinen. Damit ist ein zusätzlicher

Verfassungskonflikt entstanden.

Litauen hat in diesem Jahr, in dem es in die EU und die NATO aufgenommen wird

und in mit der 1.Europawahl und der Wahl zum nationalen Parlament zwei

wichtige Entscheidungen bevorstehen, einen mühsamen Weg vor sich. Das Land

steht in seiner jungen demokratischen Geschichte vor einer schweren

Bewährungsprobe.

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