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Veranstaltungsberichte

Die neue NATO

von Greta Koch

Zukunftsperspektiven einer Verteidigungsgemeinschaft in unberechenbaren Zeiten

Die Ukraine Krise, Terrorismus und ein neuer US Präsident – viele Ereignisse der letzten Jahre führten dazu, dass sich die NATO auf ihre ursprüngliche Aufgabe zurückbesinnen musste: die gemeinsame Verteidigung des Westens. Auch Lettland ist vor diesen Veränderungen nicht verschont geblieben. Besonders die aggressive Politik Russlands verschärfte die Sicherheitssituation des Baltikums.

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Auf der NATO Konferenz in Warschau im letzten Jahr wurde als Konsequenz die „Enhanced Forward Presence“ beschlossen, durch welche NATO Truppen in Estland, Lettland, Litauen und Polen stationiert wurden, um diese Gebiete abzusichern und den russischen Nachbarn abzuschrecken. Die Zukunft der NATO und der Enhanced Forward Presence wurden nun bei einer Diskussionsveranstaltung erörtert, organisiert von der Konrad Adenauer Stiftung in Riga, in Kooperation mit dem Latvian Institute for International Affairs, der NATO und den Botschaften Kanadas und Polens in Riga.

 

"Lettlands Sicherheit ist unsere Sicherheit"

Eröffnet wurde die Veranstaltung von den Botschaftern Kanadas und Polens und von Raimonds Vējonis, Präsident der Republik Lettland. Alle drei Redner betonten, wie wichtig die NATO gerade in Zeiten sei, in denen man, wie Ewelina Brudnicka (Botschafterin Polens) sagte, ständig einer Art Test bevorsteht, von denjenigen die der Gemeinschaft Böses wollen. Auch Lettlands Präsident Vējonis stellte heraus, dass man gehofft hatte, sich mit der Mitgliedschaft in der NATO keine Sorgen mehr über Lettlands Sicherheit machen zu müssen. Dies sei nun durch die Auseinandersetzungen mit Russland in Frage gestellt worden und deshalb sei die Solidarität der Mitgliedsstaaten gerade besonders wichtig. Auch die anwesenden Botschafter unterstrichen die Wichtigkeit der Solidarität – „Lettlands Sicherheit ist unsere Sicherheit“.

Der Solidaritätsgedanke und der Umgang mit potenziellen Gefahren, wie sie auch von Russland ausgehen könnten, zogen sich weiter durch die Diskussionen. Im ersten Panel wurde die Zukunft der NATO insgesamt - nicht nur in Lettland - thematisiert. Eric Povel, Program Officer für Lettland bei der NATO, analysierte, wofür die NATO heute noch steht und besann sich hier auf die Grundwerte, auf denen die Verteidigungsgemeinschaft gegründet wurde: die Verteidigung der Menschenrechte, Demokratie und Einhaltung der Internationalen Ordnung. Wichtig sei allerdings nicht nur die Rückkehr zu Artikel 5, der gemeinsamen Verteidigung, sondern eben die Anpassung an neue geopolitische Zustände. Hier wurde zwar auch der gemeinsame Kampf gegen den Islamischen Staat und den Terrorismus angesprochen, allerdings wurde dieser überschattet von den „großen Unberechenbaren“: Donald Trump und Vladimir Putin. Donald Trump habe, wie Anna Wieslander (Director für Nordeuropa im Atlantic Council) herausstellt, die Rolle als Verteidiger der freien Welt abgegeben. Im Bezug auf die NATO ist auch hier sein Motto „America first“ allgegenwärtig: er sei nicht mehr bereit, die Kosten alleine zu tragen. Eine gerechtere Umverteilung müsse geregelt werden, meint Povel. Leo Michel vom Brent Scowcroft Center für Internationale Sicherheit bezieht sich dazu auf das Zitat von Angela Merkel: „Die Zeiten, in denen wir uns auf Andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück weit vorbei.“ Alessandro Scheffler von der Universität Brühl betont allerdings, Europa habe gar keine andere Wahl als sich auf die USA zu verlassen. Europa könne sich eigenständig auf keinen Fall gegen Kräfte wie Russland verteidigen. Ein Wettbewerb zwischen transatlantischer und europäischer Verteidigung wäre in diesem Falle fatal. Russland wird in der Diskussion fast häufiger erwähnt als die NATO selbst, wie eine Gefahr die alles andere überschattet. Es gäbe keinen Grund für die Annahme, dass Russland sein aggressives Verhalten in naher Zukunft ändern würde, meint Michel. Anna Wieslander geht noch einen Schritt weiter und rät, dass die NATO für einen Überraschungsangriff vorbereitet sein müsse. Auch Eric Povel bekräftigt, die Beziehung zu Russland bestehe aus starker Verteidigung, allerdings zusammen mit diplomatischer Kommunikation und Transparenz, um jegliches Risiko einer Auseinandersetzung mit Russland zu vermeiden – „Stärke und Dialog widersprechen sich nicht“.

 

Ein komplizierter Partner

Auch im zweiten Panel, welches sich speziell auf die Enhanced Forward Presence der NATO im Baltikum bezieht, reißt Kritik am Verhalten Russlands nicht ab. Die Mission im Baltikum sei essentiell, um die Stärke der transatlantischen Beziehungen und ein effektives Verteidigungssystem gegen Russland zu demonstrieren, meint Waldemar Ratajczak vom polnischen Verteidigungsministerium. Die Enhanced Forward Presence sichere die Unabhängigkeit Lettlands, betont auch Jānis Kažociņš, Sicherheitsberater des lettischen Präsidenten. Lettland habe aus der Geschichte gelernt: Russland wird immer Lettlands Nachbarland bleiben und immer das Baltikum als eigenes Einflussgebiet betrachten. Deshalb sei die Mitgliedschaft der NATO von Beginn an ein wichtiges Ziel gewesen, um dem entgegenzusteuern. Nachdem Kalev Stoicescu vom Internationalen Zentrum für Verteidigung und Sicherheit in Tallinn herausstellt, man sei sich einig, dass Russland eine Gefahr darstelle und keinerlei Glaubwürdigkeit von Putin ausgehe, kommt auch eine Gegenstimme zu Wort. Albert Zulkharneev, Director am PIR Zentrum in Moskau, kritisiert die aggressive Rhetorik der Diskussionsteilnehmer, die die Beziehungen Russlands mit dem Westen um 25 Jahre zurückwürfen. Durch die verstärkte Präsenz der NATO an Russlands Grenzen seien auch russische Sicherheitsinteressen ignoriert worden. Anstatt ein neues Feindbild auf Russland zu projizieren, solle man sich auf reelle Gefahren wie den internationalen Terrorismus konzentrieren. Stoicescu unterstreicht darauf hin, dass die NATO kein Feindbild brauche: alles, was je unternommen worden sei, diene alleine der Verteidigung, nie des Angriffs. Auch Christian Leuprecht vom Royal Military College in Kanada stellt heraus, dass Truppen besonders seit der Ukrainekrise wichtig seien, einfach zur Verteidigung der Demokratie.

Schlussworte kamen vom Moderator der Veranstaltung vom Latvian Institute for International Affairs und von Elisabeth Bauer, Leiterin der Auslandsbüros der Konrad Adenauer Stiftung im Baltikum und in Skandinavien: Russland müsse weiterhin als Partner der NATO betrachtet werden – ein komplizierter Partner, aber immer noch ein Partner. In solchen Zeiten, in denen die Ereignisse der nächsten Jahre völlig unberechenbar sind, bleibe die NATO ein Pfeiler transatlantischer Sicherheit, denn auch unabhängig von Russland werden Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit immer verteidigt werden müssen.

Video Panel 1: https://www.youtube.com/watch?v=OGFbNYAOUGU

Video Panel 2: https://www.youtube.com/watch?v=eO0UzzAZtWI

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