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Fachkonferenz

Die Einrichtung eines Internationalen Verfassungsgerichtshofs – Folge III

Am 16. und 17. Juni 2015 hat die KAS Marokko und Libanon in Zusammenarbeit mit der FSJES, der ARTD und dem ICIRL ein internationales Fachkolloquium zum Thema „Die Einrichtung eines Internationalen Verfassungsgerichtshofs – Folge III“ veranstaltet.

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Am 16. und 17. Juni 2015 fand in dem Räumlichkeiten der Universität Mohammed V in Rabat ein internationales Kolloquium statt, das die Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Marokko und dem Libanon in Zusammenarbeit mit der „Faculté des Sciences Juridiques, Économiques et Sociales“, der „Association pour la Recherche sur la Transition Démocratique“ und dem „International Centre for Interdisciplinary Research in Law“ der Laurentian University als Fortsetzung zweier vorheriger Konferenzen zur Thematik eines Internationalen Verfassungsgerichtshofs (ICC) organisierten. Referenten und Teilnehmer aus verschiedensten Ländern – darunter Brasilien, Mexiko, Kanada, Tunesien, Libanon, Algerien, Marokko, Kamerun, Deutschland, Frankreich, Finnland und Portugal – bereicherten das Kolloquium und sorgten dafür, dass das internationale Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden konnte.

Die Referenten vertraten sowohl Wissenschaft als auch Praxis: Von unterschiedlichen Universitäten und Forschungseinrichtungen waren vor allem Rechtswissenschaftler und Politikwissenschaftler zu Gast, mit Mitgliedern des marokkanischen und des libanesischen Verfassungsrates waren aber auch Praktiker vor Ort. Studenten der Universität Mohammed V hatten die Gelegenheit, den Reden zuzuhören und, ebenso wie die Experten, spannende Fragen zu stellen. Die vielfältige Fragestellungen, die sich im Zusammenhang mit einem Internationalen Verfassungsgerichtshof ergeben, wurden auf dieser Konferenz tiefergehend erörtert, nachdem erste Grundsteine auf den vorhergehenden zwei Kolloquien gelegt worden waren.

In ihren Eröffnungsvorträgen begrüßten Elhabib Eddaqqaq, Dekan der FSJES, Yadh Ben Achour, Präsident der ARTD, Henri Pallard, Direktor des ICIRL, Peter Rimmele, Leiter des Rechtsstaatsprogramms Naher Osten/Nordafrika der KAS, sowie Helmut Reifeld, Leiter des KAS-Auslandsbüros in Marokko, alle Teilnehmer und betonten die Wichtigkeit des bevorstehenden Kolloquiums.

Internationales Verfassungsrecht muss das Produkt der Willen der Einzelstaaten sein - doch welche Staaten wollen einen ICC?

In der ersten Sitzung unter Leitung von Mohammed Amine Benabdallah, Mitglied des marokkanischen Verfassungsrates, wurde allgemein über das Verfassungsrecht diskutiert. Dabei bildeten die Vorträge der Juraprofessoren Dominique Rousseau, Christian Tomuschat und Maxime Saint-Hilaire wichtige Anknüpfungspunkte für die folgende Diskussion sowie anschließende Sitzungen. Von der Frage, ob es überhaupt ein globales Verfassungsrecht geben kann, über die Suche nach gemeinsamen Prinzipien für einen Internationalen Verfassungsgerichtshof, die auf dem Erbe der internationale Gemeinschaft beruhen, bis zu der Epistemologie und der Methodologie der weltweiten Standards im Verfassungsrecht erstreckte sich die Bandbreite der Vorträge. In den Vorträgen und der Debatte kam zur Sprache, dass ein internationales Verfassungsrecht das Produkt der Willen der Einzelstaaten sein müsse und dass es eine koordinierende Funktion übernehmen sowie Harmonie bringen könne. Für das Aufblühen der Demokratie wurde zudem die verfassungsrechtliche Gleichstellung von Frauen als notwendige Bedingung genannt.

In der zweiten und dritten Sitzung, deren Vorsitz die Vizedekane der FSJES Toufiq Yahyaoui bzw. Zakaria Abouddahab innehatten, sprachen die Professoren Marcelo Lamy, Michel Rousset, David Melloni, Ariane Vidal-Naquet sowie Ammar Belhimer jeweils über die Entwicklung eines globalen Verfassungsrechts, die Realisierbarkeit eines Internationalen Verfassungsgerichtshofs, die Konventionalität der Verfassungen, die Frage, inwiefern ein Internationaler Verfassungsgerichtshof nationale Verfassungen kontrollieren würde, und verfassungsmäßige Dispositionen bezüglich der Konventionalität und des internationalen Rechts. Michel Rousset nannte als ein wesentliches Hindernis für einen Internationalen Verfassungsgerichtshof, dass nicht alle Staaten liberale und demokratische Werte akzeptieren würden und es daher fraglich sei, ob sie der Bildung eines solchen Gerichtshofs zustimmen und danach seine Urteile vollstrecken würden. Es gebe mehrere Gruppen von Staaten: Solche, die einen ICC ohne Einschränkung akzeptierten, solche, die das Konzept annehmen würden, aber die Vollstreckung nicht garantieren könnten, und solche, die grundlegende Rechte ihrer Bürger nicht akzeptieren, sondern verletzen und daher keinem ICC zustimmen würden. Das Konzept eines ICC sei nur dann sinnvoll, wenn wirklich alle Staaten der Erde daran teilhätten. David Melloni brachte zur Sprache, dass eine Verfassung essentiell für die öffentliche Ordnung in Europa ist und dass ein nationaler Richter teils über nationale Grenzen hinausgeht. Ariane Vidal-Naquet warf unter anderem die Frage auf, ob nationale Richter in einem ICC effizient urteilen könnten.

Einwände und Widerstände: Wie steht es um die staatliche Souveränität?

Die Einwände und Widerstände gegen einen ICC wurden in der vierten und fünften Sitzung thematisiert, durch die Sanae Kasmi bzw. Miloud Loukili führten. Der Präsident des libanesischen Verfassungsrates, Issam Sleiman, ging zunächst auf die Einwände ein, die sich aus dem nationalen Recht ergäben. Paulo Ferreira da Cunha sprach über die Souveränisten, die ein grundlegendes Hindernis für die Etablierung eines internationalen Verfassungsrechts darstellten. Ahmed Ouerfelli, Anwalt und ehemaliger juristischer Berater des tunesischen Präsidenten, hielt einen Vortrag zu den Hindernissen, die sich aus dem internationalen und nationalen Recht ergäben. Mahrez Bouiche, Vizepräsident der algerischen Liga zur Verteidigung der Menschenrechte, äußerte sich zu den politischen und juristischen Grenzen des Nationalstaats, bis zu denen die Verteidigung und Förderung der Menschenrechte vorgenommen werden könne. Patrick Juvet Lowe Gnintedem ging in seinem Vortrag näher darauf ein, ob ein ICC mit Grundrechten und staatlicher Souveränität vereinbar sei, während Khaled Mejri der Frage nachging, ob es eine internationale öffentliche Ordnung gibt. Schließlich referierte Ahmed Mahiou über den ICC in der internationalen Rechtsordnung.

Konkrete Fragestellungen in Bezug auf einen ICC wurden in der sechsten Sitzung erörtert: Mohamed Madani leitete diesen Teil der Konferenz, in dem João Relvão Caetano über unterschiedliche Optionen für die Ausgestaltung eines ICC sprach, in dem sich Nadia Akacha von der Universität Tunis El Manar und Gustavo Ferraz de Campos Monaco mit dem vom ICC anzuwendenden Recht beschäftigten und Najib Ba Mohamed über dessen Legitimität referierte. João Relvão Caetano ging in seinem Vortrag insbesondere darauf ein, dass eine Verfassung vom Volk akzeptiert werden und einen langlebigen Kern haben müsse, der eine Balance zwischen liberalen und konservativen Werten aufweisen müsse. Najib Ba Mohamed betonte nochmals, dass die Menschenwürde global Bedeutung hat.

Im vorletzten Abschnitt des Kolloquiums unter Leitung von Boutaïna Bensalem wurden weiterhin praktische Fragen der Umsetzbarkeit angerissen. So hielt Henri Pallard einen Vortrag zu möglichen Wahl- und Kontrollprozessen für einen ICC; André Ramos Tavares ging auf demokratische Prinzipien und Prozesse ein, indem er das Konzept eines ICC mit dem Konzept des bereits existierenden Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof verglich und dabei betonte, dass die Etablierung eines ICC die Anpassung nationaler Gerichtsbarkeiten zur Folge hätte; Yadh Ben Achour stellte die Unterschiede zwischen einem Internationalen Menschenrechtsgerichtshof und einem Internationalen Verfassungsgerichtshof heraus. Er formulierte dabei eindeutig, dass es unmöglich sei, einen ICC zu gründen, der die Ambitionen aller Verfassungen vereine. Seiner Meinung nach seien die global gültigen Menschenrechte bereits ausreichend, denn sie seien fundamentaler und weniger breit als ein internationales Verfassungsrecht und hätten somit einen stärkeren Imperativ.

Die öffentliche Meinung darf nicht ignoriert werden

Anknüpfungspunkte an bereits existierende Phänomene waren das Thema der abschließenden achten Sitzung. Thiago Matsuchita ging vor allem auf die Situation Brasiliens vor und nach Etablierung des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofs ein und Juan Pablo Pampillo Baliño beschrieb die Rolle des lateinamerikansichen Verfassungsrechts für die Entwicklung eines ICC. Er erläuterte dabei auch die Bemühungen in Lateinamerika und Europa, verschiedene Ebenen der Legislative und Judikative mithilfe des Subsidiaritätsprinzips zu integrieren und bekräftigte, dass ein gemeinsames Recht nötig sei, um ein effizientes System zu etablieren. Stephen Croucher beschrieb seine Forschung zu der Frage, wie Bürger verschiedener europäischer Staaten zu einer EU Verfassung stehen. Als Ergebnis konnte er festhalten, dass viele Befragte die Legitimität der EU kritisierten, weil sie sich dort nicht repräsentiert sähen. Zudem herrsche häufig die Meinung vor, dass die EU die Menschenrechte nicht schütze und – sofern es um Wirtschaftsthemen ginge – die nationale Souveränität verletze. Politiker würden als die Elite wahrgenommen, die die Bedürfnisse der Bevölkerung nicht nachvollziehen könne. Croucher hob besonders hervor, dass diese öffentliche Meinung nicht ignoriert werden dürfe, da die Bevölkerung die öffentliche Agenda setze und damit den Staat forme. In der lebhaften Diskussion im Anschluss kam zur Sprache, dass für eine effektive supranationale Organisation auch die nationalen Ebenen gefestigt sein müssen. Diese praktischen Ergebnisse könnten bei der Etablierung eines ICC sinnvoll angewendet werden.

Im Abschlussbericht von Asma Ghachem und der Abschlussrede von Henri Pallard kam zum Ausdruck, wie vielfältig die unterschiedlichen Vorträge, Referenten, Meinungen, Vorschläge und Kontexte waren: Anknüpfungspunkte finden sich sowohl in rechtlichen Strukturen in Europa als auch in Lateinamerika; ein Internationaler Verfassungsgerichtshof ist eine Zukunftsvision, die teils sehr real, teils wie eine Utopie wirkt, je nachdem, welche Annahmen man trifft und wie man die Herangehensweise an neuartige internationale Normen und Herausforderungen lösen will.

Die zweitägige Konferenz hat die Vorstellungen von einem ICC konkretisiert und um diesen Prozess weiter fortzusetzen, erfolgte in der Deklaration von Rabat der Aufruf, ein Expertengremium zu gründen, das die Ideen der Konferenz weiter spezifiziert. Ein solches Gremium könnte die Fortsetzung der Diskussion über einen Internationalen Verfassungsgerichtshof erleichtern, die von Vielen erhofft wird. In den zahlreichen qualifizierten Beiträgen wurde immer wieder deutlich, dass die einzelnen Aspekte der Thematik viele Anknüpfungspunkte bieten und weiteren Diskussionsbedarf schaffen – damit die Vision eines ICC vielleicht bald Realität werden kann.

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