Politische Parteien und ihre Rolle in den marokkanischen Wahlen - Auslandsbüro Marokko
Symposium
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Am 12. Juni 2014 veranstalte die Konrad-Adenauer-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Observatoire nationale des droits de l’électeur (ONDE) sowie der Association Marocaine de Science Politique (AMSP) ein halbtägiges Kolloquium zum Thema « Politische Parteien und ihre Rolle in den marokkanischen Wahlen ».
Teilnehmer der Veranstaltung waren Vertreter von politischen Parteien und Institutionen, Wissenschaftler und Parteienforscher sowie Studentinnen und Studenten der Universität Mohammed V Rabat-Agdal.
In ihren Eröffnungsreden wiesen Khalid TRABELSI, Präsident des ONDE, und Abderrahim El MASLOUHI, Professor und Generalsekretär des AMSP, darauf hin, dass es ohne Wahlen keine Demokratie gäbe. Die niedrige Wahlbeteiligung sowie die Korruption bezeichneten sie als Hauptdefizite der Demokratie in Marokko. Die politischen Parteien geraten, ihnen zufolge, vermehrt in interne Konflikte und fokussieren sich auf die eigenen Interessen, anstatt sich um das Gemeinwohl zu kümmern. Das heutige Kolloquium stelle somit die Gelegenheit dar, die Vorgehensweise sowohl der politischen Parteien als auch die der Wähler zu analysieren und fachliche Empfehlungen zu entwerfen, damit eine Demokratie im Sinne der neuen Verfassung von 2011 entstehen kann.
Helmut REIFELD, Leiter des KAS-Auslandsbüro in Marokko, machte in seinem Vortrag darauf aufmerksam, dass die Konrad-Adenauer-Stiftung in erster Linie eine politische Stiftung sei, deren wichtigste Aufgabe die Stärkung der Demokratie sei. Insofern dies eine repräsentative Demokratie sein sollte, sei deren Aufbau nur mithilfe eines pluralistischen und demokratisch-strukturierten Parteiensystems möglich.
Danach sprach als erster Hassan ABYABA, Mitglied der Parti de l’Union Constitutionnelle (UC), über die allgemeine Situation des Wahlkampfs in Marokko. Der Zweck der einzelnen Parteien, die beim Wahlkampf antreten, ist es, die Wählerinnen und Wähler von dem Programm und die Entschlossenheit der Partei zu überzeugen. In Marokko hingegen ist der Wahlkampf ein „Markt“, bei welchem Stimmen gegen „Dienstleistungen“ vertauscht bzw. verkauft werden. Insbesondere in den ländlichen Gemeinden ist dieses Phänomen aufgrund der dort vorherrschenden hohen Armuts- und Analphabetenrate weit verbreitet. Demokratische Wahlen müssen frei sein, fügt Abyaba hinzu, und stellte die Frage, ob Freiheit in diesem Zusammenhang überhaupt möglich sei, angesichts der landesweiten Armut.
Mohammed GRINE, Mitglied des Exekutivrates der Parti du progrès et du socialisme (PPS) ging in seinem Vortrag auf die verschiedenen Faktoren ein, von denen Marokkaner bei der Wahlentscheidung beeinflusst werden. Bei den Wahlen können z.B. die Zugehörigkeit zu einem Stamm oder Verwandtschaft ausschlaggebender sein als die Parteizugehörigkeit eines Kandidaten.
Die Wahlbeteiligung in Marokko ist noch immer viel zu niedrig (35 % in 2011), denn die Mehrzahl der Marokkaner hat ein geringes Vertrauen in die Politik und ist stark enttäuscht von den politischen Programmen der Parteien. Diese profitieren oftmals von ihren Versprechungen zur Besserung der miserablen sozialen Lage (beispielsweise Armut, Arbeitslosigkeit, marodes Gesundheitssystem), die jedoch nie eingehalten werden können.
Auf die Frage, ob Wahlboykott eine Lösung sei, reagierte Mohammed Grine ablehnend. Wahlboykott käme für ihn nicht in Frage, denn dies bedeute eine Vernachlässigung seiner Bürger-Pflichten. Man könne nicht die Rolle des Zuschauers übernehmen und sich gleichzeitig über die Politik beschweren. Veränderung kommt nur durch Engagement und Übernahme von Verantwortung zustande. Solange die Bürgerinnen und Bürger die Wahl boykottieren, wird es keine Veränderung geben.
Der Observatoire National des Droits de l'Électeur (ONDE) ist eine 2009 von Juristen, Wissenschaftlern und Politikern gegründete überparteiliche marokkanische Vereinigung zur Stärkung der Rechte der marokkanischen Wähler sowie der politischen Partizipation in Marokko. Seit 2013 arbeiten der ONDE und die KAS zusammen mit dem Ziel, über Partizipationsrechte und -möglichkeiten aufzuklären sowie die jährliche nationale Parlamentsarbeit zu evaluieren.
Die Veranstaltung ist ein Projekt im Rahmen der deutsch-marokkanischen Transformationspartnerschaft des Auswärtigen Amtes.