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Workshop

Sozialpartnerschaft und sozialer Dialog

Erfahrungen aus Marokko und Deutschland

Am 26. März veranstaltete der Conseil Economique, Social et Environnemental (CESE) in Kooperation mit der KAS einen Workshop in Rabat zu "Sozialpartnerschaft und sozialer Dialog - Erfahrungen aus Marokko und Deutschland".

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In Kooperation mit dem Conseil Économique, Social et Environnemental (CESE) veranstaltete die KAS am 26.03.2014 in Rabat ein Symposium zum Thema "Sozialpartnerschaft und sozialer Dialog - Erfahrungen aus Marokko und Deutschland". Ziel der Veranstaltung war es, die theoretischen und praktischen Grundlagen einer neuen Sozialcharta für Marokko - auch anhand der deutschen Erfahrung - zu erarbeiten.

 

Der CESE ist eine 2011 von König Mohammed VI. gegründete, unabhängige, verfassungsrechtliche Institution. Er dient als oberstes Beratungsgremium im Königreich Marokko zu ökonomischen, sozialen und ökologischen Fragen und kann sowohl von Regierung als auch vom Parlament zu Beratungszwecken angerufen werden. Mit der KAS besteht eine Partnerschaft zur Eruierung ordnungspolitischer Ansätze und zur Ausarbeitung einer neuen Sozialcharta für Marokko.

 

Nizar BARAKA, Präsident des CESE, hob zu Beginn die Bedeutung einer neuen marokkanischen Sozialcharta als Grundlage für die wirtschaftliche Stabilität sowie für den sozialen Frieden und Zusammenhalt in Marokko hervor. Das deutsche Modell des sozialen Dialogs mit den Prinzipien der Tarifautonomie und einer starken Sozialpartnerschaft sei ein vorbildliches Modell, das für nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Krisenresistenz, Wettbewerbsfähigkeit und sozialen Ausgleich stehe.

Der CESE verfolge das Ziel, zusammen mit Gewerkschaften, Unternehmer- und Berufsverbänden sowie der öffentlichen Verwaltung, neue Etappen auf dem Weg zu einer neuen Sozialcharta einzuschlagen. Der Bericht des CESE von September 2011 zu sozialen Konflikten in Marokko habe bereits eine wichtige Diagnose erstellt. Insbesondere spiele auch die Stärkung und Institutionalisierung des sozialen Dialogs auf regionaler Ebene, wie beispielsweise in Marokkos südlichen Provinzen (Westsahara), eine bedeutende Rolle.

 

SEDDIKI, marokkanischer Minister für Arbeit und Soziales, hob hervor, dass mit der neuen Verfassung von 2011 (Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, sozio-ökonomische Grundrechte), den arbeitsrechtlichen Regelungen im Code de travail (z.B. Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz) sowie mit dem System des Tripartisme (Arbeitgeber- u. Arbeitnehmervertretung sowie öffentliche Hand) bereits eine umfangreiche rechtliche und institutionelle Grundlage für einen fundierten sozialen Dialog in Marokko bestehe.

 

Zudem konnten schon viele Arbeitskonflikte über kollektive, sektorale Verhandlungen erfolgreich beigelegt werden. Die Herausforderung bestehe jedoch, laut des Arbeitsministers, bei der Entwicklung von kohärenten politischen Strategien.

 

Prof. André HABISCH von der Ingolstadt School of Management erläuterte in seinem Vortrag ausführlich die Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft an der Schnittstelle von subsidiär und ohne staatlicher Vorgaben organisierter Sozialpartnerschaft, Wettbewerbs- bzw. Monopolkontrolle und sozialer Verantwortung von Unternehmen.

Ein ausgeglichener Wettbewerb zwischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) seien, nach Habisch, das Kernelement der deutschen sozialen Marktwirtschaft und stehen für den sozialen, subsidiären und demokratischen Charakter der Marktwirtschaft in Deutschland. Während die Zeit der Weimarer Republik von Kartellen und Machtmonopolisierung sowie scharfen Konflikten zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften geprägt war, stehe im Modell der sozialen Marktwirtschaft die Idee von sozialem Dialog und Partnerschaft innerhalb eines fairen Wettbewerbs im Zentrum. Letztendlich biete ein gesunder Wettbewerb zwischen KMUs, das Verhindern von wirtschaftlichen Oligarchien und Kartellen und das Etablieren von Teilhabe und Mitbestimmung nicht nur wirtschaftliches Wachstum, sondern auch soziale Ermächtigung und Chancengleichheit.

Als ein weiteres wichtiges Element des deutschen Modells nannte Habisch die Tarifautonomie als Form eines sozialen Ausgleichs ohne Einmischung des Staates. Die Rolle des Staates sei es lediglich, Aufgaben an die Sozialpartner zu delegieren sowie die Rahmenbedingungen für einen gesunden Wettbewerb zu schaffen.

 

Zudem spiele die soziale Verantwortung und das Engagement von deutschen Unternehmen im Einklang mit Berufsverbänden und örtlichen Handelskammern, beispielsweise im Bereich der Berufsausbildung, eine entscheidende Rolle für den Erfolg des "deutschen Modells". Das duale Ausbildungssystem sei mitunter mitverantwortlich dafür, dass Deutschland die niedrigste Jugendarbeitslosigkeitsrate in Europa aufweisen könne. Das deutsche Ausbildungssystem biete jungen Leuten einen erfolgreichen Bildungs- und Karriereweg außerhalb eines universitären Bildungswegs. Durch den dualen Charakter der Ausbildung innerhalb von Betrieb und Berufsschule werde ein kontinuierlicher Informationsfluss sowie ein Abgleichen zwischen Studium und Praxis sichergestellt. Damit könne die Ausbildung weitgehend an die Anforderungen und die Nachfrage in der Arbeitswelt angepasst werden und verhindere eine "Ausbildung in die Arbeitslosigkeit".

 

Frank GOTTHARDT, Public Affairs Manager bei der Merck Group, schilderte aus Sicht der Privatwirtschaft, wie sich das Modell der sozialen Marktwirtschaft in der Praxis darstellt. So erhöhe beispielsweise die Möglichkeit der betrieblichen Mitbestimmung einerseits den Zeitaufwand und damit die Verhandlungskosten, andererseits sorge sie für eine größere Akzeptanz der betrieblichen Entscheidungen innerhalb des Unternehmens. Insgesamt habe das deutsche Modell des sozialen Dialogs für eine höhere wirtschaftliche Stabilität gesorgt, da Konflikte unter den Sozialpartner schneller und nachhaltiger gelösten werden konnten. Die Jugendarbeitslosigkeitsrate in Deutschland von unter fünf Prozent spreche ebenfalls für den Erfolg des Modells. Gleichzeitig betonte Gotthardt, dass die soziale Marktwirtschaft nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein soziales Modell darstellt, das sozio-ökonomische Stabilität garantieren kann.

Das Rückgrat der deutschen Wirtschaft sei zudem der deutsche Mittelstand mit seinen zahlreichen Familienunternehmen, die durch ihre Einbindung und Erfolgsbeteiligung der Mitarbeiter sowie einer hohen Investitionsrate das Prosperieren der Unternehmen sichern. Das beste Beispiel dafür sei die Merck Group, das älteste pharmazeutisch-chemische Unternehmen der Welt, das 1668, vor über 300 Jahren, als Familienunternehmen in Darmstadt gegründet wurde. Merck ist heute ein DAX-30-Unternehmen mit über 10 Mrd. Euro Umsatz im Jahr. 70 Prozent der Aktienanteile des Unternehmens werden immer noch von der Familie Merck gehalten.

 

Jamal BELAHRACH vom marokkanischen Unternehmerverband CGEM betonte, dass zwar alle nötigen Gesetze für einen sozialen Dialog in Marokko vorhanden seien, dass es jedoch noch bei der Umsetzung und dem Respektieren der Vorschriften hapere. Zudem forderte Belahrach, dass die rechtlichen Vorschriften und institutionellen Mechanismen des sozialen Dialogs nicht auf nationaler Ebene stocken dürfen, sondern vor allem auch auf regionaler Ebene angewendet werden müssen.

 

Mohammed ALAOUI von der Union Marocaine du Travail (UMT) sah die Ursache der Konflikte in Marokko vor allem im Nicht-Respektieren der Gesetze und arbeitsrechtlichen Bestimmungen von Seiten der Arbeitgeber anstelle bei prinzipiellen Interessenkonflikten. Zudem warf er dem marokkanischen Staat vor, sich zu sehr zugunsten der Arbeitgeber und Unternehmer einzumischen, anstatt über das Einhalten von Recht und Gesetz zu wachen. Eine echte Sozialpartnerschaft müsse nach Alaoui unabhängig sein und dürfe nicht von der Politik instrumentalisiert werden. Zudem versicherte er, dass die Gewerkschaften von heute die Bedingungen der Globalisierung anerkennen und ebenfalls ein Interesse an wettbewerbsfähigen und prosperierenden Unternehmen haben. Zudem warnte Alaoui vor der Diabolisierung oder Schwächung des anderen Sozialpartners. Eine funktionierende und nachhaltige Sozialpartnerschaft beruhe auf der Zusammenarbeit zwischen gleichstarken Partnern und nicht auf der vorsätzlichen Schwächung des Gegenübers. Denn nur ein starker und gut etablierter Partner könne seine Rolle ausreichend wahrnehmen und seine Zusagen einhalten.

 

Abdelaziz IOUI von der Fédération Démocratique du Travail (FDT) kritisierte ebenfalls die starke Verankerung der Arbeitgeberinteressen im politischen System, die einen ausgewogenen sozialen Dialog verhindere. Letztendlich sei es eine Verteilungsfrage, welchen sozialen Dialog man wolle. Zudem müsse ein regelmäßiger sozialer Dialog etabliert werden und dürfe nicht nur ad hoc stattfinden. Ebenfalls erinnerte Ioui daran, dass über die Hälfte der Arbeitnehmer informell, d.h. ohne gültigen Arbeitsvertrag arbeiten, und damit über die gesetzlichen Bestimmungen und die Errungenschaften des sozialen Dialogs gar nicht erreicht werden.

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Veranstaltungsort

Conseil Economique, Social et Environnemental (CESE)
Rabat
Marokko
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Rabat

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  • Nizar Baraka
    • (Präsident CESE)
  • Abdesslam Seddiki (Minister für Arbeit und Soziales)
    • Prof. Dr. André Habisch (Ingolstadt School of Management)
      • Frank Gotthardt (Merck Group)
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        Dr. Helmut Reifeld

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        Dr. Ellinor Zeino

        Ellinor Zeino

        Leiterin des Regionalprogramms Südwestasien

        ellinor.zeino@kas.de
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