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Länderberichte

Das Geschäft mit der Wahl

In Indien und auf den Philippinen setzen die Medien im Wahlkampf ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel

Indien und die Philippinen – beides Demokratien, beides Länder mit freien Medien. Indien hat im vergangenen Jahr gewählt, auf den Philippinen steht der Urnengang für Mai bevor.

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Nachträglich und zunächst eher widerwillig im Falle des einen, rechtzeitig zwar, aber praktisch ohne Selbstkritik im Falle des anderen, wird in beiden Ländern seit einigen Wochen über die Rolle der Medien im Wahlkampf diskutiert. Die Ausgangspositionen wirken auf den ersten Blick so unterschiedlich wie die politische Kultur der beiden Länder. Im Kern geht es auf dem Subkontinent und im Inselstaat aber um ein und dieselbe Frage: Wie kann verhindert werden, dass sich die Medien im Wahlkampf an die Politik verkaufen?

Seit gut einem Monat herrscht Wahlkampf auf den Philippinen. „It’s Showtime!“, bemerken dazu trocken Maribel Buenaobra und Steven Rood von der Asia Foundation: „Keine Zeit für Sachthemen“. Politik bedeute auf den Philippinen in erster Linie Unterhaltung und Wahlen seien eine Fiesta. Immer mit dabei: Sänger, Tänzer, bekannte Kolumnisten, Schauspieler und Moderatoren. Die Stars und Sternchen aus Film und Fernsehen bekennen sich vor laufender Kamera zu „ihrem“ politischen Kandidaten, stehen mit ihm oder ihr auf der Bühne und schütteln gemeinsam Wählerhände. Für das philippinische Publikum ist die zur Schau getragene Liaison zwischen den Persönlichkeiten aus Politik und Medien nichts Neues. Der Wahlkampf orientiert sich auch diesmal stark an dem, was die USA vormachen. „Wenn Oprah es für Obama tun konnte, warum sollten sie (die TV-Stars auf den Philippinen) es nicht dürfen?“ Jetzt aber sind dunkle Wolken über der Wahlfiesta heraufgezogen. Laut Buenaobra und Rood wird die Unterhaltungsindustrie im Inselstaat derzeit „bedroht“. Denn unbeeindruckt von den bisherigen Gepflogenheiten, hat die philippinische Wahlkommission (COMELEC) Anfang Februar gefordert, dass sich Kolumnisten, Korrespondenten, Nachrichtensprecher, Reporter und Moderatoren von ihren Medienunternehmen beurlauben lassen sollen, wenn sie als Kandidat oder Unterstützer - bezahlt oder unbezahlt - am Wahlkampf teilnehmen. Notfalls müsse die Beurlaubung vom Arbeitgeber gegen den Willen des betreffenden Mitarbeiters ausgesprochen werden. Auf diese Weise will die Wahlkommission verhindern, dass prominente Medienvertreter vor der Kamera oder am Radiomikrophon „Schleichwerbung“ für die Kandidaten und Parteien betreiben. Zudem will COMELEC mit der Regelung die Chancengleichheit wahren. Politische Werbung und Wahlkampfbotschaften in den Medien müssen nicht nur deutlich als solche erkennbar sein. Auf nationaler Ebene darf jeder Kandidat bis zur Abstimmung im Mai auch nur 120 Minuten im Fernsehen und maximal 180 Minuten im Radio werben. Mit inoffizieller, als persönliche Meinung oder redaktionelle Information getarnter Unterstützung durch befreundete oder bezahlte (oder beides) Medienvertreter werde das allgemeine Zeitlimit umgangen und könnten sich die Kandidaten unlautere Vorteile verschaffen.

Die Kommission berief sich bei ihrer Forderung auf den „2001 Fair Election Practices Act“ (Republic Act No. 9006). Für Kris Aquino, die allgegenwärtige „Queen of all Media“, Moderatorin mehrerer Talkshows im Programm von ABS-CBN und Tochter der 2009 verstorbenen Ex-Präsidentin Corazon Aquino, eine einzige Zumutung: „Was soll falsch daran sein, für das einzustehen, woran man glaubt?“, twitterte Aquino am 11. Februar gleich nach dem offiziellen Wahlkampfauftakt. Auch sei doch nichts daran auszusetzen, „eine aktive Rolle in der demokratischen Entwicklung zu übernehmen“. Damit meint sie ihren unermütlichen Einsatz für den Bruder Benigno "Noynoy" Aquino. Er strebt bei den Wahlen im Mai das Amt des Präsidenten an. Senator Ramon „Bong“ Revilla Jr. sekundiert mit einem Verweis auf die Verfassung. Die Medienvertreter „daran zu hindern, einen Kandidaten zu unterstützen, käme einer Verletzung der für alle Philippinos garantierten Meinungsfreiheit gleich.“ Revilla, früher selbst ein bekannter Schauspieler, tritt derzeit erneut für einen Sitz im Senat an.

„Wahlen als Einnahmeprojekt für die Agenturen“

Politische Überzeugungen und der Wunsch nach freier Meinungsäußerung sind im Promieinsatz für mehr Wählerstimmen jedoch nicht der einzige Antrieb; üblicher weise lassen sich die Berühmtheiten für ihre „aktive Rolle in der demokratischen Entwicklung“ mit barer Münze entlohnen. Auch das aber sei, erklärt der philippinische Regisseur Mark Meily, nur ihr gutes Recht: „Jemanden davon abzuhalten, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ist unfair – egal, ob Schauspieler oder Pförtner.“

Über die Höhe der Honorare für die Stars im Wahlkampf wird fleißig spekuliert. Gesicherte Angaben existieren nicht. Einiges deutet aber darauf hin, dass insbesondere die Präsidentschaftskandidaten während der Kampagne mehr für ihre Eigenwerbung ausgeben als die von der Wahlkommission pro Kandidat erlaubten 500 Millionen Pesos (umgerechnet etwa acht Millionen Euro). Außerdem begann die Schlacht an der Werbefront auf allen möglichen Umwegen wohl schon deutlich vor dem offiziellen Start des Wahlkampfes. So listet die Medienagentur Nielsen unter den 20 wichtigsten Werbepartnern der philippinischen Medien bereits für das letzte Quartal 2009 mit Aufwendungen von 543 Millionen Pesos als einzige Privatperson den jetzigen Präsidentschaftskandidaten Manuel „Manny“ Villar. Bis zum offiziellen Start des Wahlkampfes sollen, heißt es in der Analyse von Buenaobra und Rood für die Asia Foundation, alle Präsidentschaftskandidaten zusammen bereits vier Milliarden Pesos investiert haben. „Wahlen sind nicht nur für Werbeagenturen eine Projekt zur Generierung von Einnahmen, sondern auch für die Agenturen der Stars.“

„Bezahlten Kommentaren muss man nicht glauben“

Im Sturm der Entrüstung unter den TV-Promis, Agenten und Kandidaten blies die Wahlkommission Mitte Februar zum Rückzug. COMELEC stellt es den Medienunternehmen bis auf weiteres frei, ihre politisch aktiven Stars, Redakteure, Sprecher und Moderatoren während der Kampagne zu beurlauben oder nicht. Wer weiterhin auf dem TV-Schirm zu sehen oder im Äther zur hören sei, dürfe den eigenen Wunschkandidaten oder die eigene Kandidatur jedoch keinesfalls während der Sendung bewerben. Kritik am Gegenkandidaten verbietet sich ebenfalls.

Damit werden die kommerziellen Medien auf den Philippinen bis zum Urnengang im Mai wohl klarkommen. In den nächsten Wochen müssen sie jedenfalls nicht auf ihre Quotenbringer verzichten. Die Nebentätigkeiten ihrer TV-Stars für das eine oder andere politische Lager steigern die Popularität der Entertainer vielleicht noch. Zumindest weckt die öffentliche Wahlhilfe nicht nur für den jeweiligen Kandidaten, sondern auch für die Bildschirmberühmtheiten und ihre Sender zusätzliche Aufmerksamkeit. Und die ist bekanntlich immer gut, solange der Name richtig geschrieben steht. Ohnehin hatte sich die Rechtsabteilung des Medienkonzerns ABS-CBN bereits für den Ernstfall gerüstet: Die Resolution der Wahlkommission beziehe die Frage der Beurlaubung ja nur auf angestellte Mitarbeiter. Bei den Medienvertretern vor der Kamera handele es sich hingegen um „Talente“ und keine Angestellten. Die COMELEC-Auflagen seien auf die prominenten Showmaster, Moderatoren und Schauspieler deshalb überhaupt nicht anwendbar.

Im lukrativen Wahlkampf opfern aber längst nicht nur die Entertainer bereitwillig ihre Neutralität. Mit dem Argument der Meinungsfreiheit ziehen auf den Philippinen auch die redaktionellen Berichterstatter gegen die Auflagen der Wahlkommission ins Feld. COMELEC, beschwert sich etwa Ely P. Dejaresco, „verbiete“ den Journalisten mit der Regelung zur Beurlaubung, „Kandidaten zu unterstützen, (an sie) zu glauben, eine Meinung für oder gegen sie zu äußern, selbst wenn darin nur eine persönliche Meinung („belief“) und eine journalistische Überzeugung zum Ausdruck kommen, was (von COMELEC) als Verletzung der Unparteilichkeit der Medien gebrandmarkt wird.“ Der Herausgeber der Provinzzeitung „The Negros Chronicle“ fragt weiter: „Können sich die Medien(vertreter) somit erst dann äußern, wenn sie während des Wahlkampfes von ihrem Job zurücktreten?“ Abschließend meint Dejaresco: „Ob der Journalist dafür bezahlt wird oder nicht, eine Meinung zu äußern, sollte nicht der Punkt sein. Letztlich steht es dem Wähler doch frei, den Kommentar zu glauben oder nicht.“

Soviel zum Gebot der Unparteilichkeit und Objektivität. Beides wiegt weitaus weniger schwer als die Meinungsfreiheit – ebenfalls eine, wenn auch deutlich überstrapazierte Anlehnung an die USA und deren Vorstellung vom investigativen Journalismus. Darüber hinaus wirkt auf den Philippinen gerade unter den älteren Journalisten die Zensur während der Marcos-Dikatatur bis heute nach. Nur so läßt sich auch der Kommentar im „Negros Chronicle“ einordnen.

„Alles hat seinen Preis – auch der Platz im redaktionellen Teil“

So manches Medienunternehmen in Indien scheint die auf den Philippinen verbreitete recht eigenwillige Einstellung zur Objektivität und Unparteilichkeit der Presse bereits konsequent umgesetzt zu haben. Auch auf dem Subkontinent profitierten die Medien im vergangenen Jahr vom Wahlkampf. Ebenso wie auf den Philippinen sollten dort die zeitlichen und finanziellen Auflagen der Wahlkommission für politische Werbung umgangen werden. Das Ziel hüben wie drüben: zusätzliche positive Aufmersamkeit für die Kandidaten und ihre Parteien. Während die beteiligten Medienvertreter auf den Philippinen zwischen all ihren Wahlkampfterminen derzeit aber noch jede Menge Lanzen für die Meinungsfreiheit brechen, bewerfen sich die Kolleginnen und Kollegen in Indien inzwischen mit Asche. „Unglaublicher weise haben wir bei einigen Zeitungen sogar Preislisten gefunden“, eröffnete Guha Thakurta Ende Januar dem Asia Sentinel. Für den indischen Presserat stellt er Nachforschungen an in einer Affäre, die auf die Rolle der Medien im indischen Wahlkampf inzwischen mehr als einen Schatten wirft. „Für positive Nachrichten, Interviews und Meinungsbeiträge gab es unterschiedliche Preise, auch für negative Beiträge über gegnerische Kandidaten.“ Thakurta berichtet an den Vorsitzenden des Presserates, Ganendra Narayan „GN“ Ray. Der pensionierte Richter aus Kalkutta räumt ein, dass „ein Bereich“ der indischen Medien während der letzten Wahl „monetäre Vereinbarungen mit einigen Politikern und Kandidaten eingegangen ist, indem deren Meinungen als Nachrichten und negative Nachrichten über gegnerische Kandidaten veröffentlich wurden“.

Ein Geheimnis war das nicht; bereits im November letzten Jahres stellte das Landesprogramm der Konrad-Adenauer-Stiftung in Neu Delhi gleich bei seiner ersten „Editors’ Conclave“ die Frage, ob Indiens Medien „leicht manipulierbar“ seien („Manufactured by the Media?“). Anfang Dezember dann kündigte die indische Wahlkommission nach einer Fülle von Hinweisen an, für die Abstimmung im Bundesstaat Maharashtra die Strategie der „paid news“ unter die Lupe nehmen zu wollen. Ende des vergangenen Jahres zitierte das Magazin „Outlook“ schließlich den amtierenden „Chief Minister“ des nordindischen Bundesstaates Haryana, Bhupinder Singh Hooda, mit den Worten: „Als ich bemerkte, dass die führende Zeitung in meinem Bundesstaat Tag für Tag auf der Titelseite völlig grundlose Anschuldigungen gegen mich veröffentlichte, rief ich an und bot Geld für die richtige Abbildung. Die Zeitung hat sich entschuldigt und meinem politischen Rivalen sein Geld für die negativen Nachrichten über mich sogar zurückgezahlt.“

Ambika Soni, Ministerin für Information und Rundfunk der indischen Regierung, kommentierte das Phänomen in der Länderkammer („Rajya Sabha“) Anfang März mit den Worten: „Die Medien handeln als Quelle öffentlichen Vertrauens zur Übermittlung korrekter und wahrer Informationen. Wenn bezahlte Informationen als redaktionelle Inhalte präsentiert werden, kann das die Öffentlichkeit in die Irre führen und die Meinungsbildung beeinträchtigen.“

Bis Ende März wollen sowohl die indische Wahlkommission als auch der Presserat die Ergebnisse ihrer Nachforschungen präsentieren und Empfehlungen aussprechen. Zu hoffen bleibt, dass die Aufsichtsbehörden diesmal der Linie der indischen Regierung folgen, wonach „bezahlte redaktionelle Inhalte nicht als Zeichen freier Meinungsäußerung gesehen werden.“ Und zu hoffen bleibt auch, dass dann die Philippinen mithören.

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