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Veranstaltungsberichte

„Was kann ein Symposium gegen die Ermordung mexikanischer Journalisten ausrichten?"

Veranstaltung „PEN Pregunta” zum Thema journalistische Unabhängigkeit und freie Meinungsäußerung.

Diese Frage, gestellt von Joanne Leedom-Ackerman, Vizepräsidentin der PEN International und des PEN American Center, war eine von vielen, die im Rahmen der Veranstaltung „PEN Pregunta” ausgesprochen wurden. PEN Mexiko hatte 50 Autoren und Journalisten aus Lateinamerika und der ganzen Welt eingeladen, ein Statement zur Situation von Schriftstellern und Journalisten in Mexiko abzugeben. Die Veranstaltung fand im Rahmen des PEN-Américas-Gipfel statt und wurde von der KAS Mexiko unterstützt.

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Die Themen journalistische Unabhängigkeit und freie Meinungsäußerung, die mit den Anschlägen auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" in Paris weltweit Aufmerksamkeit erlangten, standen auch bei "PEN pregunta" im Mittelpunkt. Viele der Redner bezogen sich in ihrer Stellungnahme auf die Geschehnisse in Frankreich, wie der englische Journalist Ioan Grillo, der seit über zehn Jahren in Mexiko-Stadt lebt. Er machte darauf aufmerksam, dass seit 2006 in Mexiko 118 Schriftsteller ermordet wurden oder verschwunden sind. Laut Grillo würde sich im Land etwas bewegen, gäbe es eine ähnliche Reaktion wie die in Frankreich. Er belegte seine These mit einer provokanten Rechnung: in Frankreich seien drei Millionen Menschen für die zwölf Opfer auf die Straße gegangen, also 250 000 für jeden getöteten Menschen. In Mexiko würde das umgerechnet auf die 118 Schriftsteller 29 Millionen Protestierende bedeuten.

Homero Aridjis, ein mexikanischer Schriftsteller und emeritierter Präsident der PEN International sowie der PEN Mexiko, führte die schwierige Situation mexikanischer Schriftsteller eindringlich vor Augen: Laut Aridjis werden diese von zwei Arten von Aggression bedroht: einerseits von physischen Angriffen - nicht nur auf sie selbst, sondern auch auf ihre Familien -, andererseits von den subtileren Attacken der Regierung. Letztere werden durch die Zensur der Medien und durch ein völliges Ignorieren bestimmter Schriftsteller ausgeübt. Gleichzeitig würden Journalisten, die für die Regierung nützlich seien, gefördert. Vor diesem Hintergrund fragte Aridjis abschließend die anwesenden Mitglieder der PEN: „Wenn Sie sich in der Situation ihrer mexikanischen Kollegen befänden, was würden Sie tun? Würden Sie das Risiko in Kauf nehmen oder sich der Zensur unterwerfen? Ihre ethische Verpflichtung als Journalist wahrnehmen und auf die Missstände im Land aufmerksam machen oder sich selbst zensieren?“

Der iranische Dichter und Übersetzer Mohsen Emadi bewegte das Publikum, indem er von einem Einzelschicksal erzählte. Der Übersetzer der bekannten lateinamerikanischen Schriftsteller Jorge Luis Borges und Octavio Paz war im Jahr 1995 ermordet worden. „Was an ihm war gefährlich?“, frage der Iraner und gab sogleich die Antwort: „Worte sind gefährlich. Selbstverständlich nicht für das Volk, sondern für den Staat.“

Eine der berühmtesten Rednerinnen war die nicaraguanische Schriftstellerin Gioconda Belli, die sich in ihrer poetischen Rede auf den im vergangenen Jahr verstorbenen kolumbianischen Literaturpreisträger Gabriel García Marquez bezog. Die ebenfalls aus Nicaragua stammende Autorin Karla Martina Olascoaga Dávila bewegte das Publikum mit ihrem Vortrag. Für die tagtägliche Zerstörung der Zivilisation machte sie Habsucht, Egoismus und übermäßiges Streben nach Macht verantwortlich. Mit nur wenigen Worten, doch dafür umso nachdrücklicher, fragte sie nach dem Warum der Straflosigkeit, der Gewalt, der Ungerechtigkeit, des Schweigens und der Machtlosigkeit.

Doch es wurden nicht nur Missstände angeprangert, sondern auch Lösungsvorschläge gemacht und Hoffnungen geweckt: Durchaus provokativ tat dies der mexikanische Schriftsteller Victor Manuel Mendiola, der die Legalisierung von Drogen forderte, um so den mexikanischen Staat zu stärken. Angelica Muñiz-Huberman, ebenfalls Mexikanerin, stellte die rhetorische Frage, ob diejenigen, die für die Toten und Verschwundenen Mexikos, so auch für die 43 Studenten aus Iguala, verantwortlich seien, tatsächlich glaubten, dass das Morden Freiheit, Gerechtigkeit und Wahrheit vernichten könne. Sie schloss mit einem lyrischen Plädoyer für die freie Meinungsäußerung: „Der Tod ist nichts, das Leben alles. Und zu leben bedeutet zu kämpfen, Ungerechtigkeiten, Willkür, Straflosigkeit anzuprangern und sich niemals geschlagen zu geben. Das Wort ist der Kern der Freiheit, Geschenk des Himmels an die Menschheit.“

Regula Venske, Generalsekretärin der PEN Deutschland, blickte in die Zukunft: „Wenn im Jahr 2016/17 die guten Beziehungen zwischen Mexiko und Deutschland gefeiert werden sollen*, werden wir dann auch in der Lage sein Folgendes zu feiern: keine Gewalt mehr, keine Verfolgung mehr, keine Korruption mehr?“ Eine Antwort darauf gibt es nicht, doch einig waren sich die Redner darin, dass die öffentliche Diskussion der Situation mexikanischer Schriftsteller ein Schritt in die richtige Richtung sei. Und so beantwortete Joanne Leedom-Ackerman die zu Beginn ihrer Rede gestellte Frage nach dem Nutzen einer Versammlung von Schriftstellern folgendermaßen: „Wir können damit beginnen, den Lauf der Dinge zu verändern.“

Die Veranstaltung schloss mit der Verleihung des “PEN Mexiko 2015”. Eine Preisträgerin war Elena Poniatowska, eine der renommiertesten, aber auch umstrittensten Autorinnen und Journalistinnen Mexikos, die für ihr Lebenswerk geehrt wurde. Ebenfalls ausgezeichnet wurde der Journalist, der vergangenes Jahr 22 Ermordungen in Tlatlaya aufgedeckt hatte und anonym bleiben muss. Entgegengenommen wurde sein Preis deshalb von seiner Kollegin Carmen Aristegui. Außerdem ausgezeichnet wurden der spanische Journalist Pablo Ferri und der Italiener Federico Mastrogiovanni, der in Mexiko-Stadt lebt und dort als Journalist arbeitet.

  • Mexiko und Deutschland haben für 2016/17 die Durchführung von gegenseitigen Länderjahren beschlossen, durch welche die Kenntnis über die Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie im jeweils anderen Land vertieft werden sollen.

Autorin: Jördis Bunse, Praktikantin KAS Mexiko

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